Knast für Protest gegen Atomwaffen

Solidaritätsaktionen für verurteilten Antimilitaristen geplant

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 17. August wird es vor der Justizvollzugsanstalt Billwerder in Hamburg ab 12.30 Uhr eine Mahnwache geben. Damit wollen Antimilitarist*innen Holger Isabelle Jänicke unterstützen. Er wird an diesem Tag eine 30-tägige Ersatzfreiheitsstrafe antreten, zu der er wegen seiner Aktivitäten gegen Atomraketen verurteilt worden war.

Gemeinsam mit sechzehn weiteren Friedensaktivist*innen aus ganz Deutschland hatte Jänicke am 30. April 2019 eine zweifache mit Nato-Draht verstärkte Umzäunung des Bundeswehr-Geländes auf dem Fliegerhorst Büchel mit Bannern und Plakaten überwunden und somit die täglichen Starts der Tornadoflieger verhindert. Auf dem Militärgelände in der Eifel sind 20 Atomwaffen gelagert, die im Ernstfall im Rahmen der nuklearen Teilhabe von deutschen Pilot*innen unter Befehl des US-Präsidenten zum Einsatz kommen sollen.

Das Landgericht Koblenz hatte Jänicke im Januar dieses Jahres zu einer Geldstrafe von 510 Euro verurteilt, das sind 30 Tagessätze à 17 Euro. Doch der Antimilitarist hatte von Anfang an erklärt, dass er nicht bereit ist, die Geldstrafe zu bezahlen. Daher schickte ihm das Gericht die Ladung zum Haftantritt am 17. August, die Jänicke nun in eine antimilitaristische Aktion umwandelt. Es ist nicht seine erste Haftstrafe, die er wegen seines Engagements gegen Atomraketen absitzt. Als 20-Jähriger hatte er sich Anfang der 1980er Jahre an Blockaden gegen den Raketenstützpunkt Mutlangen in Baden-Württemberg beteiligt. Dieser Standort wurde vor allem durch die sogenannte Prominentenblockade vom 1. bis 3. September 1983 bekannt.

Auf dem Höhepunkt des Widerstands gegen die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik hatten sich bekannte Intellektuelle wie Dorothea Sölle, Günter Grass, Walter Jens und Heinrich Böll an dieser Blockade beteiligt. Die bekam große Medienaufmerksamkeit und wurde von der Polizei nicht geräumt. Doch es gab auch in Mutlangen immer wieder Blockadeaktionen von Antimilitarist*innen ohne Prominentenstatus, die von der Polizei nicht toleriert wurden. Es kam zu Räumungen und Strafprozessen. Damals wurde Jänicke das erste Mal wegen seines antimilitaristischen Engagements zu einer Haftstrafe verurteilt, die er ebenfalls absaß. Fast 40 Jahre später engagiert sich Jänicke als Bewegungsarbeiter. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt noch immer im Kampf gegen Militär und speziell gegen die in Deutschland stationierten Atomraketen.

»Wir sehen uns in der Tradition der Brüder Berrigan«, erklärt Ernst-Ludwig Iskenius gegenüber »nd.derTag«. Der Antimilitarist gehört zu Jänickes Unterstützer*innenkreis. Die Jesuiten Dan und Philipp Berrigan hatten in der Zeit des Vietnamkrieges in den USA gezielt Waffen unbrauchbar gemacht und wurden dafür zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Für die gewaltfreie, antimilitaristische Bewegung wurden sie weltweit zu Vorbildern.

Wie die Berrigans legen auch Jänicke und seine Mitstreiter*innen Wert darauf, ihre Aktionen zu begründen und politisch zu verteidigen. Dazu nutzten sie auch die Gerichtsprozesse. »Wir stellen Anträge, in denen wir nachweisen, dass die Stationierung von Atomraketen in Deutschland und das Konzept der atomaren Teilnabe völkerrechtswidrig ist«, beschreibt Iskenius das Agieren der Antimilitarist*innen vor Gericht. Jänicke hat in Hamburg über viele Jahre Aktivist*innen in dieser Prozesstaktik beraten. Daneben engagiert er sich auch noch im Hamburger »Archiv Aktiv«, in dem vor allem Dokumente von Protest und Widerstand der gewaltfreien Bewegung gesammelt werden. Auch in der Umweltbewegung ist Jänicke seit Langem engagiert. So war er am 4. August Anmelder eines Protestkonzerts der Musikgruppe Lebenslaute auf der Autobahn A100 in Berlin.

Für den 1. September ist eine Aktion vor der JVA Billwerder geplant. Zudem wurden alle Bundestagsabgeordneten, die sich für den Abzug sämtlicher Atomwaffen aus Deutschland ausgesprochen haben, in der Mehrheit sind dies Mitglieder der Fraktionen von Linkspartei und den Grünen, aufgefordert, Jänicke beim Haftantritt zu begleiten, ihn im Gefängnis zu besuchen oder eine Grußadresse zu schicken.

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