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Mit Wucht in die Zukunft

DFB-Neuling Armel Bella-Kotchap dürfte schon bald gestandene Abwehrrecken verdrängen

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Armel Bella-Kotchap (l.) überzeugt für Southampton in Englands Premier League mit kompromissloser Abwehrarbeit.
Armel Bella-Kotchap (l.) überzeugt für Southampton in Englands Premier League mit kompromissloser Abwehrarbeit.

Zumindest in den Morgenstunden ist es im Frankfurter Stadtwald bereits herbstlich frisch. Weshalb sich Armel Bella-Kotchap dazu entschied, von seiner schicken weinroten Trainingsjacke die schwarzen Ärmel bis über die Fingerkuppen zu ziehen. So drehte der Neuling seine ersten Aufwärmrunden bei der deutschen Nationalmannschaft, wo er gleich mal Kontakt zu Antonio Rüdiger suchte. Jener Starverteidiger, der jetzt bei Real Madrid spielt und als Abwehrchef der DFB-Auswahl für die Weltmeisterschaft ab Mitte November in Katar fest eingeplant ist. Es gibt nicht wenige, die in Bella Kotchap bereits »einen zweiten Rüdiger« sehen.

Der 20-Jährige vom FC Southampton, vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) eigentlich für die U21-Nationalmannschaft eingeplant, war völlig verdutzt, als ihn Bundestrainer Hansi Flick vor Kurzem anrief. Wie so viele Neulinge erzählt auch er die Episode, die Telefonnummer gar nicht gekannt zu haben – angenommen hat er dennoch sowohl den Anruf als auch Einladung in den Kader für die Nations-League-Duelle gegen Ungarn an diesem Freitag (20.45 Uhr/ZDF) und gegen England in London (Montag 20.45 Uhr/RTL). »Ich habe mich gewundert, aber auch riesig darüber gefreut«, sagte der Novize beim Eintreffen am Teamhotel in Gravenbruch vor den Toren von Frankfurt am Main.

Bella-Kotchap weiß längst, dass sich sein aktueller Vereinstrainer Ralph Hasenhüttl als direkter Fürsprecher bei Flick betätigt hatte. »Von all meinen Spielern hat er bislang die konstanteste Performance gezeigt«, berichtete der Österreicher, der dem Bundestrainer von der Berufung nicht abriet, nachdem Flicks Assistenztrainer Danny Röhl auf einer Stippvisite bei den »Saints« einen starken Eindruck vom resoluten Innenverteidiger gewonnen hatte. Seit dem zweiten Spieltag der Premier League hat Bella-Kotchap dort keine mögliche Spielminute mehr verpasst.

Dass der im Sommer für elf Millionen Euro Ablöse vom VfL Bochum auf die Insel gewechselte Überraschungsgast dem DFB einiges zu bieten hat, vor allem Power und Selbstvertrauen, war bereits beim ersten Training auf dem Verbands-Campus zu besichtigen. Die fußballaffinen Verbandsangestellten staunten nicht schlecht, wie dieser wuchtige Abwehrspieler mit seinen voluminösen Oberschenkeln den flinken Leipziger Stürmer Timo Werner mit einer Grätsche abrupt ausbremste, die Ikonen wie Karlheinz Förster oder Jürgen Kohler einst nicht besser hinbekommen hätten. Aber auch mit dem Ball kann der 1,90-Meter-Mann gut umgehen, wenn er sich konzentriert.

»Er hat sich gut entwickelt«, sagte Flick zur Berufung des Talents, das gerade einmal 22 Bundesligapartien und sechs Premier-League-Spiele in der Vita zu stehen hat. Andere gestandene Abwehrrecken wie Jonathan Tah (Bayer Leverkusen) oder Mats Hummels (Borussia Dortmund) blieben hingegen außen vor, ihre Chancen auf eine WM-Teilnahme schwinden offensichtlich. Es deutet sich vielmehr an, dass Flick für Katar neben Rüdiger auf Niklas Süle, Nico Schlotterbeck und Matthias Ginter als zentrale Verteidiger setzt. Auch Bella Kotchap braucht er wohl (noch) nicht, weil ferner Thilo Kehrer auf diesen Positionen aushelfen könnte. Spätestens aber mit Blickrichtung auf die Heim-Europameisterschaft 2024 könnte die Zukunft dann Profis wie dem in Paris geborenen und in Deutschland aufgewachsenen Deutsch-Kameruner Bella-Kotchap gehören, dessen Vater Cyrille Bella einst 131 Zweitligaspiele für Rot Weiss Ahlen bestritt, wo auch dessen Sohnemann mit dem Kicken anfing.

2017 kam Bella-Kotchap als B-Jugendlicher ins »Talentwerk« des VfL Bochum, wo sich sein ehemaliger Jugendtrainer Alex Richter heute noch an einen Jungen erinnert, der am Ball bereits überragend war, aber körperliche Defizite seien offenkundig gewesen: »Wir mussten viel an der Stabilität arbeiten, er hatte damals noch etwas von einem Riesenbaby.« Auch Hasenhüttl stellte jüngst noch Verbesserungsbedarf fest, wie Southamptons Teammanager dem Fachmagazin »Kicker« erzählte: »Er hatte einen starken Oberkörper, einen starken Unterkörper. Dazwischen war nichts. Wir haben ihn mit einem Programm in die Spur gebracht.« Das Ergebnis kann sich jetzt auf dem Trainingsplatz an der Schwarzwaldstraße im Frankfurter Stadtteil Niederrad sehen lassen, wenn ein Modellathlet seine Morgenrunden dreht.

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