»Rudimentäre Sparlösung«

Schienenbündnis übt massive Kritik an Planungen bei der Heidekrautbahn

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Ab Ende 2024 soll die Heidekrautbahn wieder auf ihrer Stammstrecke fahren. So zumindest der Plan.
Ab Ende 2024 soll die Heidekrautbahn wieder auf ihrer Stammstrecke fahren. So zumindest der Plan.

Im laufenden Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme der Stammstrecke der Heidekrautbahn für den Personenverkehr meldet das Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg (BSBB) schwere Bedenken an. Bei den geplanten Um- und Ausbauten an der rund 14 Kilometer langen Verbindung zwischen den Bahnhöfen Berlin-Wilhelmsruh und Basdorf, für die derzeit das Planfeststellungsverfahren läuft, solle »nur eine rudimentäre Sparlösung verwirklicht werden«, moniert das Bündnis in einer »nd« vorliegenden Einwendung, die kürzlich im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eingebracht wurde.

Die Liste der Argumente gegen die aktuellen Planungen, die auf eine Wiederaufnahme des Regionalverkehrs im Stundentakt ab Ende 2024 zielen, ist lang. Sie beginnt damit, dass die derzeit nur im Güterverkehr betriebene Strecke lediglich eingleisig – mit Ausweichen an einigen Punkten – ertüchtigt werden soll. »Im Sinne der von den Ländern Berlin und Brandenburg zur Abhilfe des Klimanotstands energisch eingeleiteten Verkehrswende ist es angezeigt, die Heidekrautbahn sofort zweigleisig auszubauen«, fordert das BSBB. Zumindest wäre »beim eingleisigen Ausbau die spätere Zweigleisigkeit planerisch vollständig zu berücksichtigen und möglichst weitgehend auch schon vorzubereiten«, heißt es weiter.

Das Bündnis gibt dabei zu bedenken, dass die rund 45 000 Bewohnerinnen und Bewohner der Berliner Großwohnsiedlung Märkisches Viertel mit der Heidekrautbahn erstmals einen Schienenanschluss erhielten. Daher sei eine »S-Bahn-ähnliche Anbindung von Anfang an angezeigt«. Für derartige Stadtschnellbahnen werde laut Nahverkehrsplan in Berlin grundsätzlich mindestens ein 10-Minuten-Takt angesetzt. »Da im weiteren nördlichen Verlauf der Äste der Heidekrautbahn die Verkehrspotenziale jedoch abnehmen, erscheint auf der Stammstrecke ein 15-Minuten-Takt gerade noch vertretbar«, so das BSBB. In den offiziellen Planungen wird perspektivisch von einer Verdichtung des Angebots auf einen Zug pro Richtung alle halbe Stunde ausgegangen.

Für wenig zukunftsfest hält das Bündnis auch die geplante Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde auf der Strecke. »Im Sinn der Verkehrswende sollten 120 Kilometer pro Stunde angesetzt werden«, lautet die Forderung. Schließlich dürften Autos auf Landstraßen auch Tempo 100 fahren, moderner Eisenbahn-Regionalverkehr habe Spitzengeschwindigkeiten von 120 bis 160 Kilometern pro Stunde.

Kritik üben die Bahn-Fachleute zudem daran, dass künftig mit Wasserstoff angetriebene Züge den Verkehr auf der Heidekrautbahn übernehmen sollen, schließlich werde »als nachhaltigster und sparsamster Antrieb« für Schienenfahrzeuge »allgemein die Elektrifizierung mit Wechselstrom-Oberleitung angesehen«. Tatsächlich hat mit regenerativem Strom gewonnener sogenannter Grüner Wasserstoff wegen der hohen Umwandlungsverluste eine schlechte Energiebilanz.

Als Alternative zu einer kompletten Elektrifizierung der Strecke fordert das BSBB die teilweise Einrichtung von Oberleitungsabschnitten, auf denen Akkuzüge mit Stromabnehmern aufgeladen werden können. Das wäre auch die Voraussetzung, um in weiteren Betriebsstufen die Züge in Berlin von Wilhelmsruh über Gesundbrunnen bis mindestens zum Hauptbahnhof zu verlängern. Hier ist die Messe aber zunächst gesungen – der ab Ende 2024 über zehn Jahre laufende Verkehrsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg mit dem Streckenbetreiber, der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB), ist unterzeichnet. Auch sind die Wasserstoff-Triebwagen beim Hersteller Siemens bestellt.

Kritisch sieht das BSBB auch die Planungen für die Kreuzung der Stammstrecke mit dem Berliner Eisenbahn-Außenring. Moniert wird nicht nur, dass die Unterführung für die Heidekrautbahn zu niedrig für eine potenzielle Elektrifizierung sei. Sondern auch, dass der Haltepunkt Mühlenbeck der NEB 600 Meter vom Schnittpunkt der beiden Strecken entfernt liegt. »Das übergeordnete Ziel der Verkehrsplanung, Strecken und Linien der Verkehrsträger zu einem Netz zu verknüpfen, wird damit verfehlt«, heißt es. Denn der Fußweg zum Bahnhof Mühlenbeck-Mönchmühle der S8 sei so einen Kilometer lang.

»Die Variantenabwägung und Entscheidung für die Konfiguration der Heidekrautbahn im Prozess ›i2030‹ lief leider vollkommen intransparent ab; Abgeordnetenhaus, Landtag, Verbände und Öffentlichkeit wurden bisher nicht beteiligt«, kritisiert das Bündnis, das zahlreiche Umwelt- und ökologisch orientierte Verkehrsverbände, Initiativen sowie Expertinnen und Experten aus dem Eisenbahnsektor umfasst. Auch die Berliner und Brandenburger Landesverbände der Grünen, der Linken und der kleinen Ökologisch-Demokratischen Partei unterstützen die Ziele des BSBB.

Noch will NEB-Vorstand Detlef Bröcker das Ziel der Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf der Stammstrecke Ende 2024 nicht verloren geben. Entscheidend dürfte sein, wie zügig das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen werden kann. Eigentlich hätten die Bauarbeiten schon im Sommer dieses Jahres beginnen sollen. Nun wird das frühestens 2023 der Fall sein.

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