Ampel steht auf Abschwung

Bundesregierung senkte Wirtschaftsprognose

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Krise in den nächsten Wochen wird immer wahrscheinlicher. Laut dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung stieg das Risiko einer Rezession innerhalb der nächsten drei Monate auf 80,8 Prozent. Anfang September hatte die Rezessionswahrscheinlichkeit für die folgenden drei Monate noch 64,1 Prozent betragen. »Wir steuern auf eine vom rückläufigen Konsum getriebene Rezession zu, weil viele Menschen bei anderen Ausgaben sparen, um Energie- und Lebensmittelpreise noch bezahlen zu können. Deshalb ist es wichtig, dass die Kaufkraft der Bevölkerung gestützt wird«, erklärte IMK-Direktor Sebastian Dullien am Donnerstag.

Grund für die wachsende Rezessionswahrscheinlichkeit sind den Forschenden zufolge die hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise. Diese belasten den privaten Verbrauch infolge des drastischen Kaufkraftverlusts der Haushalte. Zudem dämpfen insbesondere die hohen Gaspreise die wirtschaftliche Aktivität. Der Industrieproduktion fehlt es an Schwung. Seien es bislang vor allem Lieferengpässe gewesen, die ein stärkeres Produktionswachstum verhindert hätten, drohten inzwischen auch nachfrageseitige Rückgänge, analysiert IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld.

Laut den Berechnungen steht der IMK-Indikator konjunkturmäßig auf »Rot«. Dafür berücksichtigen die Forschenden zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft. Darüber hinaus erfasst das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt. Zuletzt senkte das IMK Ende September seine Prognose. Demnach wächst die hiesige Wirtschaft in diesem Jahr noch um 1,6 Prozent, nächstes Jahr wird sie jedoch um ein Prozent schrumpfen.

Das IMK ist nicht das einzige Institut, das für den Winter schwarzsieht. Diverse Wirtschaftsinstitute haben in den letzten Wochen ihre Prognosen gesenkt. Zuletzt revidierte auch die Bundesregierung ihre Konjunkturaussichten. »Es sind ernste Zeiten und die Zahlen der Herbstprojektion belegen das. Wir erleben derzeit eine schwere Energiekrise, die sich immer mehr zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise auswächst. Auslöser dieser Krise ist der Angriff Putins auf die Ukraine«, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung der Prognose aus seinem Ressort am Mittwoch.

Für dieses Jahr gehen Habecks Ökonom*innen noch von einem Wachstum von 1,4 Prozent aus. Für kommendes Jahr prognostizieren sie jedoch aufgrund der Energiepreiskrise einen Abschwung von 0,4 Prozent. Für 2024 wird mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 2,3 Prozent gerechnet. Im Frühjahr waren die staatlichen Ökonom*innen noch von einem Wachstum von 2,2 Prozent in diesem Jahr und 2,5 Prozent im nächsten Jahr ausgegangen.

Noch dramatischer sind indes die Ausblicke in Bezug auf die Inflation. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung mit einer Teuerungsrate von acht Prozent, für kommendes Jahr von sieben Prozent. Erst im übernächsten Jahr soll sich die Preissteigerungsrate einigermaßen normalisieren und auf 2,4 Prozent sinken. Die Europäische Zentralbank (EZB) geht von Preisstabilität bei einer Inflation von rund zwei Prozent aus.

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