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Klima der Angst

Trotz Machtmissbrauch bleibt Walter Homolka Professor für jüdische Theologie

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine fünfköpfige universitätsinterne Untersuchungsgruppe hat die Vorwürfe gegen den Rabbiner Walter Homolka von der School of Jewish Theology der Universität Potsdam teilweise bestätigt. Es war von Machtmissbrauch und einem »Klima der Angst« die Rede. Dennoch sind aus Sicht des Uni-Präsidenten Oliver Günther keine zivil- oder strafrechtlich relevanten Verfehlungen erkennbar, sodass Homolka als Professor der Einrichtung weiter im Amt bleibt. Parallel dazu wird eine Hamburger Rechtsanwaltskanzlei mit der Untersuchung beauftragt, die ihr Ergebnis Anfang 2023 präsentieren will. Und es ist laut Günther möglich, dass sie zu anderen Schlüssen gelangt.

»Können wir hier das Licht anmachen«, hatte zu Beginn der Pressekonferenz im Senatssaal der Universität ein Kameramann gefragt. Und in der Tat, es war in den vergangenen sieben Monaten darum gegangen, Licht in eine Angelegenheit zu bringen, die laut Unipräsident Günther einen »immensen Schaden« für das Image der Universität bedeutet habe. Vorwürfe des Machtmissbrauchs und des Eingriffs in Karrieren aufgrund einer Ämterhäufung und intransparenter Strukturen seien ans Licht gekommen.

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Nicht bestätigt dagegen wurde der Vorwurf, dass Homolka »sexuell belästigendes Verhalten seitens seines Lebenspartners Herrn Bomhoff« geduldet habe. Weil Hartmut Bomhoff beim Geiger-Institut gearbeitet habe und nicht Angehöriger der Universität war, sei er nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Bomhoffs Arbeitsverhältnis am Geiger-Institut sei im Februar beendet worden.

Homolka war ein halbes Jahr lang beurlaubt und ist seit dem 1. Oktober wieder im Dienst. Allerdings nimmt er gerade ein »forschungsfreies Semester«, tritt also nicht vor Studenten. »Ein deutscher Professor sitzt fest im Sattel, wenn er nicht gerade silberne Löffel stiehlt«, antwortete Günther auf die Frage, inwieweit mit Homolka noch zusammengearbeitet werden könne. »Der Beamtenstatus greift.«

»Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt«, unterstrich der Präsident. Ihm zufolge wird nun entflechtet, die Strukturen sollen neu geordnet werden. Das vollziehe sich in enger Zusammenarbeit mit jüdischen Institutionen, denn es gelte, die deutschlandweit einmalige Rabbinerausbildung in Potsdam zu retten und dafür zu sorgen, dass sie »gestärkt aus dieser Krise hervorgeht«. Dem besonderen Charakter dieser Einrichtung sei dabei Rechnung zu tragen.

»Wir sind sehr sensibel vorgegangen«, fügte die Leiterin der Untersuchungskommission Christina Wolff, im Hauptamt Gleichstellungsbeauftragte der Uni, hinzu. Immerhin habe die Gefahr
bestanden, Antisemitismus und Homophobie Raum zu bieten. Man habe gegenwärtige, aber auch ehemalige Studenten befragt. Es sei darüber hinaus möglich gewesen, sich anonym zu äußern. Um der Kommission ein ungestörtes Arbeiten zu ermöglichen, war ihre Zusammensetzung bis zum gestrigen Tage geheimgehalten worden worden.

»Hinterher ist man immer schlauer«, sagte Günther auf die Frage, ob der Aufbau und die personelle Verflechtung der School zu anderen Instituten und Unternehmen nicht von Anfang an problematisch gewesen seien. Dass dieses Geflecht auf eine Person zugeschnitten war, sei bedauernswert. Aber solche rechtlich selbstständigen Gebilde seien der Aufsicht durch die Universitätsleitung eben entzogen. Auch andere hätten »genauer hinschauen« müssen, fügte er mit Blick auf die beiden Geldgeber, den Zentralrat der Juden und das Bundesinnenministerium, hinzu.

»Ja, es kann zu menschlichem Fehlverhalten kommen«, sagte Günther auf die Frage, ob die entdeckten Dinge vielleicht nur die Spitze eines Eisbergs sein könnten. Doch sei die Potsdamer Universität, bezogen auf Prävention und Sanktionen solcher Dinge, »im deutschen Kontext gut aufgestellt.« Und: »Solche schwierigen Gemengelagen sind nicht der jüdischen Theologie vorbehalten.« Er sprach davon, dass »aufgrund der unerfreulichen Vorgänge« nun alle möglichen Menschen »aufeinander einschlagen« würden. Beauftragte Wolff fügte hinzu: »Wir sind kein Ort, der frei ist von Diskriminierung, Sexismus und Homophobie.«

Es sei vor zehn Jahren nicht einfach gewesen, eine jüdische Theologie in Potsdam zu etablieren, erinnerte sich Günther. Es gebe nach wie vor Gegner des Projektes – »auch im Judentum«. Doch hätten auch die protestantische und die islamische Theologie gegenwärtig ihre Probleme.

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