Das autoritäre Playbook zu Wahlen

Wie extrem rechte, radikalisiert konservative und autoritäre Kräfte zukünftig mit Wahlen umgehen werden, zeigt sich am Beispiel Bolsonaro in Brasilien

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 4 Min.

Lula hat die Wahlen in Brasilien gewonnen. Eine gute Nachricht für die Armen, den Regenwald, das Klima und die Demokratie. Das darf man ohne falsches Pathos sagen. Selbstverständlich ist nicht alles perfekt und es gibt auch zweifelhafte Positionen, aber die Alternative war eben Jair Bolsonaro. Wäre Bolsonaro Präsident geblieben, hätte man sich von den ohnehin kaum zu erreichenden Klimazielen endgültig verabschieden können. Gleichzeitig hätte er mit autoritärem Gestus nach innen unliebsame Gruppen terrorisieren lassen.

Nun ist die Wahl geschlagen und Lula hat gewonnen. Alles gut? Mitnichten. Denn am Beispiel Bolsonaros zeigt sich, wie extrem rechte, radikalisiert konservative und autoritäre Kräfte zukünftig mit Wahlen umgehen werden. Die Blaupause dafür haben wir auch schon bei Trump gesehen.

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Das Playbook geht so:

Gewinnt man eine Wahl, so hat das Volk gesprochen und man darf sich als der klare Gewinner feiern lassen, egal, wie marginal der Abstand war oder ob es überhaupt zu einer notwendigen Mehrheit gekommen ist. Eine gewonnene Wahl bedeutet auch nicht mehr, dass man auf die andere Seite zugehen muss oder gar Zugeständnisse machen will. Die Floskel, dass man »für alle« da sein möchte, wird längst nicht mehr geäußert. Ein Wahlsieg ist immer nur ein Wahlsieg für die eigenen Leute und gibt Berechtigung, es den Unterlegenen ordentlich unter die Nase zu reiben. Hauptsache den Linken oder Linksliberalen hat man es gezeigt. Und in diesem Sinne wird dann in aller Schärfe ein partikulares Kulturkampf-Programm durchgezogen. Staatstragend oder parteiübergreifend zu agieren, gibt es in dieser Logik nicht mehr.

Verliert man aber eine Wahl, so ist klar, dass diese Wahl manipuliert worden ist. Durch plumpe Scheinargumente wird das untermauert. Etwa, dass der eigene Kandidat lange vorne lag und »plötzlich« spät am Wahlabend überholt wurde. Das lässt sich sehr einfach durch stark unterschiedlich wählende Bundesstaaten erklären, deren Wahlergebnisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingespeist werden. Suggeriert wird aber, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, wenn man eine stabile Führung hatte und doch nach hinten rutscht. Dann wird geraunt, dass irgendwo noch Stimmen »gefunden« wurden. Die Legitimität der Wahl wird also während ihrer Auszählung danach entschieden, welches Ergebnis sich abzeichnet. Dementsprechend wird auch nicht dem Wahlsieger gratuliert, wie es Usus ist. Diese informellen Regelbrüche, die die Regeln des Anstands, der Moral, des Benehmens und des politischen Protokolls betreffen, sind ein Zeichen für die eigenen Anhänger*innen, dass auch sie sich nicht an Regeln halten müssen. Die Suggestion einer manipulierten Wahl lädt dazu ein, dem eigenen Hass Ausdruck zu verleihen. Dazu zählen Ausschreitungen, Blockaden, Übergriffe oder sogar Angriffe auf staatliche Institutionen wie das Parlament. Das passiert in dem Glauben, dass man sich hier gegen eine Manipulation wehrt.

Lesen Sie auch: Bolsonaro schürt Unruhe: In Brasilien stemmen sich rechte Fanatiker mit Hunderten Straßenblockaden gegen den Machtwechsel

Der Clou ist dabei, dass man keinerlei Beweise akzeptiert und einzig das Wort des eigenen Kandidaten zählt. Dieser lässt die Situation erst einmal laufen, um die Stärke und Militanz der eigenen Bewegung zu demonstrieren – auch mit dem Risiko, dass sie sich verselbständigt und zur Gewalt greift. Gleichzeitig werden die Signale auch nach außen verstanden und verschiedene extrem rechte Medienprojekte nehmen den Ball auf. Tucker Carlson, rechtsextreme Propagandaschleuder auf Fox News, fabuliert etwa davon, dass die Wahlen noch nicht vorbei sind, nicht alle Stimmen ausgezählt wurden oder gar, dass Bolsonaro-Anhänger auf der Straße ermordet werden. Durch diese Kanäle wird die Desinformation in alle Welt getragen. So bauen sich Verschwörungswelten und Parallelrealitäten auf.

Diese Art des Umgangs mit Wahlen und Wahlergebnissen wird zur Regel und nicht zur bizarren Ausnahme werden. Überall, wo es Bolsonaros, Trumps oder andere Autokraten gibt, sind Wahlen kein Mittel der Demokratie mehr, sondern werden zum Propagandainstrument für die autoritäre Wende. Dabei ist es völlig nebensächlich, wie sie tatsächlich ausgehen. Löcher werden so oder so in die Demokratie geschlagen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal