18 Monate Wartezeit am Stadtrand

Inzwischen sind Tausende auf der Warteliste: Wohnheimausbau kommt Zahl der Studierenden nicht hinterher

  • Marten Brehmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Studierendenwerk kommt mit dem Bauen nicht hinterher. Berlin sei beim studentischen Wohnen im bundesweiten Vergleich das Schlusslicht, sagt Jana Judisch, Sprecherin des Studierendenwerks Berlin. Mit insgesamt etwa 9200 Plätzen könnten so gerade einmal fünf Prozent der Studierenden mit Wohnheimplätzen versorgt werden, im Bundesschnitt sind es zehn. Während die Zahl der Studienplätze in der Hauptstadt seit Jahren kontinuierlich wächst, gibt es nur wenige neue Wohnheime.

An Nachfrage mangelt es nicht: 5000 Menschen warteten aktuell darauf, dass ein Apartment in einem Wohnheim frei werde, so Judisch am Montag im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Selbst am Stadtrand betrage die durchschnittliche Wartezeit über 18 Monate, ergänzt David Tzafrir, der der studentischen Selbstverwaltung in einem Wohnheim in Lankwitz angehört. »Eigentlich sollten die Wohnheime ein Platz zum Ankommen in der Stadt sein«, sagt er im Nachgang der Sitzung zu »nd«. Dabei seien gerade internationale Studierende auf die Wohnheime angewiesen. »Mein Nachbar im Wohnheim ist Syrer. Wenn ein Vermieter seinen Namen sieht, legt er die Bewerbung weg«, erzählt Tzafrir. Auf dem regulären Mietmarkt sei es für solche Menschen sehr schwer.

Zwar wollen alle Parteien im Abgeordnetenhaus die Wohnheime zügig und deutlich ausbauen, jedoch stellen sich praktisch zahlreiche Hürden. »Wir brauchen für jedes Bauprojekt 50 Prozent Zuschuss«, sagt Judisch zur Finanzlage des Studierendenwerks. Zwar soll Berlin jetzt von der Bauförderung des Bunds profitieren, doch ob die Mittel ausreichen, ist zweifelhaft. Neben Geld mangele es vor allem an Grundstücken, so Ina Czyborra, die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Die Zahl der landeseigenen Baugründe sinke immer weiter, viele seien zudem nicht geeignet, weil es etwa keinen Platz für eine Zufahrt gebe. Die Wohnheime konkurrierten außerdem mit anderen Bauprojekten der Stadt um das knappe Land.

Etwas erfolgreicher ist Berlinovo. Der landeseigene Immobiliendienstleister stellt besonders kleine Wohneinheiten zur Verfügung, die sich für Studierende eignen sollen. 15 000 solcher Apartments habe man bereits gebaut, in den nächsten Jahren sollen 6000 weitere hinzukommen, sagt Berlinovo-Geschäftsführer Alf Aleithe. Gabriel Tiedje von der Landeskonferenz der Studierendenvertretungen kritisiert allerdings den hohen Quadratmeterpreis bei Berlinovo. Für 20 Euro pro Quadratmeter könne man auch auf dem privaten Mietmarkt suchen, rechnet er vor: »Das ist Verarschung der Studierenden.«

Gute Nachrichten gibt es dagegen in einem anderen Bereich: Wie am Wochenende bekannt wurde, können die deutlichen Mietsteigerungen in den Wohnheimen zurückgenommen werden. Zum Monatsanfang hatte das Studierendenwerk in vielen Wohnheimen aufgrund der steigenden Energiekosten die Mieten bis zu 60 Prozent erhöht. Mit 13 Millionen Euro zusätzlich im Nachtragshaushalt könnten diese Steigerungen wieder rückgängig gemacht werden, hat jetzt Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) angekündigt. Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion, entschuldigt sich unterdessen, dass die Parteien erst durch die Mietsteigerungen auf die prekäre finanzielle Lage des Studierendenwerks aufmerksam geworden seien.

Man suche jetzt nach Wegen, die Rücknahme umzusetzen, sagt Jana Judisch: »Die Mietsenkung kommt nicht übermorgen, aber sie kommt sicher.« David Tzafrir zeigt sich erleichtert, hofft aber darauf, dass es schnell geht. »Die Leute zahlen Monat für Monat zu viel Geld«, sagt er. Daher fordert er, die Mieten im Nachhinein zu erstatten. Zudem wünscht er sich, dass die verkürzten Mietverträge, die das Studierendenwerk parallel zu den Mietsteigerungen eingeführt hatte, ebenfalls zurückgenommen werden. Statt zwei Jahren sollen die grundsätzlich befristeten Pauschalverträge künftig nur noch ein Jahr gelten. So will das Studierendenwerk flexibel auf die Entwicklung der Energiepreise reagieren können. »Die Studierenden brauchen Sicherheit«, sagt dagegen Tzafrir.

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