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Kampagne gegen »woke« Linke

Konservative und Rechte sehen Freiheit durch Identitätspolitik bedroht

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist erst ein paar Tage her, dass CDU und AfD in Thüringen gemeinsam die Einführung einer gendergerechten Sprache in der parlamentarischen Kommunikation verhinderten. Die rechtsradikale Partei hatte sich einem Antrag der CDU angeschlossen, der damit eine knappe Mehrheit bekam. Für Konservative und Rechte ist die Abwehr einer geschlechtergerechten Sprechweise Teil ihres Kampfes gegen die sogenannte woke Demokratie. Er wird auf vielen Feldern geführt.

Mit dem englischen Begriff »Wokeness« (Wachsein) wird eine besondere Sensibilität für die Rechte gesellschaftlicher Minderheiten bezeichnet, die sich im Kampf gegen rassistische oder patriarchale Unterdrückung zeigt. Bei vielen Konservativen und Rechten hat die Frontstellung dagegen den jahrelangen Kampf gegen die Political Correctness (PC) ersetzt, der schon in den 1990er Jahren geführt wurde.

Bereits vor mehr als 25 Jahren prägte die rechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« den Slogan »PC – Nein danke«, mit dem man demonstrierte, dass man bewusst politisch inkorrekt ist. »Politically Incorrect« (PI-News) nennt sich auch eine ultrarechte Online-Plattform, die heute besonders den rechten Flügel der AfD unterstützt.

Auf PI-News werden auch immer die neuesten Folgen der Youtube-Beiträge des ehemaligen »Bild«-Chefredakteurs Julian Reichelt veröffentlicht, der nach seinem unfreiwilligen Abgang aus der Chefetage des Boulevardblatts zum Star der rechten Szene wurde. Seine engste Mitarbeiterin, die Journalistin Judith Sevinç Basad, ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass sie bei »Bild« kündigte und dies in einer Erklärung damit begründete, dass es dort zu »woke« geworden sei. Auch sie wird seitdem von Rechten aller Couleur als Vorkämpferin gefeiert.

Das zeigte sich Ende Oktober, als der AfD-Nachwuchs Junge Alternative (JA) eine Kundgebung gegen eine Kindertagesstätte in Berlin-Schöneberg organisierte, die die Schwulenberatung Berlin eröffnen will. Zuvor hatten Sevinç Basad und Reichelt diese Kita in die Nähe der Pädophilie gerückt. Beide verwendeten in ihrer Sendung ein Vokabular, das der JA so gut gefiel, dass sie sie in voller Länge auf ihrer Kampagnenseite gegen die von der Schwulenberatung geplante Kita dokumentierte.

Doch nicht nur von Ultrarechten bekommt Sevinç Basad Zustimmung. So erhielt sie viel Applaus für ein Referat, das sie am 7. November in Berlin auf einer Diskussionsveranstaltung der bürgerlich-konservativen Denkfabrik »Republik 21« (R21) vortrug. Diese stand unter der für die Veranstalter*innen eher rhetorischen Frage »Wokes Deutschland – Identitätspolitik als Bedrohung unserer Freiheit?«. Neben der FDP-Bundestagsabgeordneten Linda Teuteberg und dem Theatermann Bernd Stegemann, einem Vertrauten der Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht, fand Sevinç Basad besondere Beachtung.

Mit der Denkfabrik wollen zwei CDU-Mitglieder, Ex-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und der Historiker Andreas Rödder, »Strategien und Konzepte zukunftsfähiger bürgerlicher Politik entwickeln, die öffentliche Debatte bewegen und auf die Politik einwirken«, wie es auf Homepage von R21 heißt.

Der Kampf gegen die »woke Republik« dürfte so auch für die CDU/CSU künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei wird es immer wieder Berührungspunkte mit der AfD geben, die seit ihrer Gründung ihr Image als Anti-PC-Partei pflegt. Die Abstimmung im Thüringer Landtag war damit kein Ausrutscher, allen verbalen Abgrenzungen der CDU gegenüber der AfD zum Trotz.

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