Rumoren im Untergrund

Mit einer groß angelegten Messkampagne versuchen Forscher*innen, sich ein präziseres Bild des vulkanischen Untergrunds der Eifel zu verschaffen

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 5 Min.

Knapp 13 000 Jahre ist es her, dass der Laacher-See-Vulkan in der heutigen Osteifel ausbrach. Funde von Spuren vulkanischer Lockerstoffe, sogenannter Tephra, in den Sedimenten Südschwedens und Norditaliens deuten darauf hin, dass die Eruption ähnlich gewaltig gewesen sein könnte wie die des philippinischen Pinatubo im Jahre 1991. Wissenschaftler*innen nehmen an, dass die Rauchsäule damals 30 bis 40 Kilometer hoch in den Himmel wuchs. Dabei handelt es sich um den letzten großen Ausbruch in der Eifel, dessen rund 800 Vulkane über einen Zeitraum von etwa 60 Millionen Jahren aktiv waren.

Ob der Vulkanismus in dieser Region jedoch tatsächlich erloschen ist, bleibt fraglich. Wichtige Indizien dafür, dass er nur schläft, sind laut dem Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) Hebungen des Rheinischen Schiefergebirges im Umfeld der Eifel, der Austritt von Kohlendioxid (CO2) aus dem Erdmantel mit entsprechender Signatur von Helium-Isotopen und die Messung sogenannter niederfrequenter Tiefenbeben (DLF-Beben). Die Hebungen lassen sich durch hochpräzise Messungen mit Navigationssatelliten erkennen. Sie haben ihren Ursprung in einer thermischen Anomalie: Das Gestein im oberen Erdmantel ist etwas wärmer als in seiner Umgebung. Möglicherweise handele es sich sogar um einen Mantelplume, meint der Direktor des GFZ-Departments Geophysik, Torsten Dahm. »Das sind Regionen, wo eine thermisch oder chemisch induzierte Aufwärtsströmung von Mantelmaterial herrscht, mindestens im oberen Mantel. Es können sich partielle Schmelzen bilden und über lange Zeiträume nach oben wandern. Sammeln sie sich an der Kruste-Mantel-Grenze an und dringen sie eventuell weiter in die Kruste ein, kann das zu Vulkanismus führen«, erklärt er.

DLF-Beben registrierten Wissenschaftler*innen des Erdbebendienstes Südwest und Nordrhein-Westfalen, des GFZ und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) erstmals im Jahre 2013 und konnten sie seitdem regelmäßig nachweisen. Möglich wurde dies erst durch einen umfangreichen Ausbau seismologischer Messnetze in der Region, denn die Beben sind für Menschen nicht wahrnehmbar. Sie ereignen sich in zehn bis 45 Kilometern Tiefe und werden durch Flüssigkeiten oder Gase im Felsgestein wie Wasser, Magma oder CO2 verursacht, die dort Schwingungen erzeugen.

Kein Ausbruch in Sicht

Was genau im Untergrund des Vulkanfelds der Osteifel geschieht, untersucht seit September eine Gruppe von Wissenschaftler*innen unter Leitung von Dahm in dem Forschungsprojekt Large-N. Dafür stellten die Forscher in zwei Landkreisen für den Zeitraum eines Jahres 350 sogenannte Geophone auf, die seismische Wellen in großer Tiefe aufzeichnen sollen. Die hohe Dichte der Geräte erlaubt genauere Rückschlüsse darauf, wo sich etwa ein Magmareservoir gebildet hat.

Einen Ausbruch in nächster Zukunft schließt Dahm aus: »Gegenüber den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten hat sich nichts geändert bis auf kleinere Signale, die vielleicht auch früher schon da waren, aber nicht gemessen wurden.« Solange es aktiven Magmatismus wie Schmelzen und Verschiebungen gebe, sei ein Ausbruch aber prinzipiell möglich. Die Hauptvoraussetzung dafür sei, dass das Magma bis an die Erdoberfläche vordringe. »Es kann aber auch sein, dass das tektonische Spannungsfeld so gelagert ist, dass die magmatischen Schmelzen nicht durch die Erdkruste kommen«, sich also unter der Kruste anlagerten und dort abkühlten. »Das kann auch zu großräumigen Hebungen führen, aber eben nicht zu Vulkanausbrüchen«, erklärt der Vulkanologe.

Vergangene Maar-Eruptionen hatten ihren Ursprung an der Kruste-Mantel-Grenze oder im oberen Erdmantel, also in rund 35 bis 70 Kilometern Tiefe. »So könnten sich kleine Magmablasen lösen und nach oben steigen. Wenn das passieren würde, stellt sich die Frage, wann die ersten Vorläufersignale gemessen werden können – vermutlich erst kurze Zeit vor dem Ausbruch«, meint Dahm.

Insgesamt ist die Vorhersagbarkeit von Eruptionen deutlich gestiegen. Verbessert hat sich vor allem das Monitoring vieler Vulkane, mit dem Frühwarnzeichen wie kleinere Erdbeben registriert werden können. Auch die Satellitenverfahren wurden in den letzten Jahren genauer. Sie helfen dabei, lokale Hebungen oder Deformationen zu entdecken. »Was man damit in der Regel mitbekommt, sind sogenannte Unruhephasen oder unrest, wie es in der Fachsprache heißt. Dabei ist es manchmal nicht so klar, ob es danach wirklich zu einem Ausbruch kommt oder der Vulkan sich wieder beruhigt«, sagt Dahm.

Beispiele für eine gelungene Vorhersage von Ausbrüchen waren der des isländischen Fagradalsfjall im Jahre 2021 und der jüngste Ausbruch auf La Palma. Aber es gibt auch immer wieder böse Überraschungen wie den plötzlichen Vulkanausbruch des Mount Nyiragongo in der Demokratischen Republik Kongo im Mai 2021. Erste Vorzeichen gab es dort erst 40 Minuten vorher.

Von anderen Vulkanen lernen

Bei der Suche nach noch unbekanntem Terrain können Beobachtungen an anderen Vulkanen hilfreich sein. So blicken Dahm und Kolleg*innen etwa mit großem Interesse auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Vulkanregion bei Neapel, den Phlegräischen Feldern. Diese sind deutlich aktiver als die Eifel, und mit dem Vesuv gehört ein großer Stratovulkan zu dem Feld. Die Regionen sind nicht ganz vergleichbar. Aber es gibt auch Parallelen. »So weiß man auch für Campi Flegrei und Vesuv nicht so genau, wo die Magmareservoire liegen und wie groß sie sind«, erläutert Dahm. Und auch dort habe es explosiven Vulkanismus gegeben. Ein zeitnaher Ausbruch ist dort jedoch ungleich wahrscheinlicher als in der Eifel.

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