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Elefanten hautnah

Die Tiere sind auf Phuket eine Touristenattraktion, doch was darf man den Tieren zumuten?

  • Text und Foto: Christian Schreiber
  • Lesedauer: 6 Min.
Ein gemeinsames Bad mit Elefanten ist für viele Touristen der Höhepunkt des Besuchs in einem Elefantencamp.
Ein gemeinsames Bad mit Elefanten ist für viele Touristen der Höhepunkt des Besuchs in einem Elefantencamp.

Die beste Freundin von Ek Sukcholatarkul ist fünf Jahre alt und wiegt gut 1000 Kilo. Sie heißt Pinky, ist eine junge Elefantendame und das Gute-Laune-Tier im Elephant Wildlife Sanctuary auf der thailändischen Insel Phuket. Auch die anderen Tierpfleger neben Ek sind ganz vernarrt in Pinky, die sich gerne mal einen Spaß daraus macht, mit dem Rüssel Caps von den Köpfen zu klauen. Während eine deutsch-österreichische Touristengruppe Bananen und Zuckerrohr hackt, hält sich Pinky brav im Hintergrund. Sie weiß, dass die Urlauber gerade ihre nächste Mahlzeit zubereiten.

Infos
  • Es gibt drei Dutzend Camps auf Phuket. Das vorgestellte Elephant Wildlife Sanctuary liegt zentral im Phalang District. Eintritt ab etwa 30 Euro (Fütterung). www.elephantwildlifesanctuary.com

    Allein in der Region Phuket gibt es drei Dutzend Elefanten-Camps, in ganz Thailand sind es weit über 100. Die Tiere sind eine Attraktion, aber man muss sich fragen: Was kann und darf man den Elefanten zumuten? Immer noch sieht man, wie Touristen auf die Rücken der Riesen gehievt werden, um durch den Regenwald zu reiten. Dabei wird das von Tierschützern längst geächtet. Vor allem im Norden Thailands, rund um Chiang Mai sind erste Camps entstanden, in denen es keine Interaktion zwischen Touristen und Elefanten mehr gibt. Sie bezeichnen sich oft als »Sanctuary« oder »Retirement«, was so viel wie »Schutzort« bedeuten soll. Ehemalige Arbeits-, Zirkus- und Bettelelefanten, die gemeinsam mit ihren Besitzern durch die Städte zogen, um Mitleid zu erwecken, bewegen sich dort frei in einem Reservat. Touristen zahlen Eintritt und schauen zu, wie sie gefüttert oder gewaschen werden. Das mag aus ethischer Sicht die beste Form sein, den domestizierten Tieren ein Überleben zu sichern. Aber weil die Elefanten oft auch das Überleben der Menschen sichern, muss man an dieser Stelle die Geschichte von Ek und seiner Familie erzählen.

    Der 28-Jährige arbeitet seit vier Jahren hier im Camp. »Es war das erste Sanctuary auf Phuket«, erzählt er. Dort leben rund ein Dutzend Elefanten zwischen vier und 67 Jahren. Da ist zum Beispiel Ploy, die zu den Oldies zählt und stolze 2800 Kilo auf die Waage bringt. Früher musste sie Bäume schleppen, als das verboten wurde, in Shows auftreten. Ihre Ohren sind verstümmelt, auf dem linken Auge ist sie fast blind. »Das haben ihr die Vorbesitzer zugefügt.« Die Elefantendame Saidee ist 20 Jahre alt, war ein Zirkuselefant und hat in Gefangenschaft eine Tochter geboren: Pinky. Noch immer werden in Thailand Show- und Reit-Elefanten nachgezüchtet, noch immer gibt es Berichte über Wilderer, die Elefantenbabys im Dschungel jagen und die Mütter abschlachten.

    Ek hat aber nicht aus Mitleid im Elephant Wildlife Sanctuary angeheuert. Vielmehr wollte er den grauen Riesen nahe sein. So wie er es aus seiner Kindheit kennt. Seine Eltern betreiben eine Farm und besitzen fünf Elefanten, die sie aber aus der Hand geben mussten. Jahrzehntelang sicherten die Tiere das Einkommen der Familie, sie schleppten Holz- und Baumaterial. Als das per Gesetz verboten wurde, hatten Familien wie jene von Ek ein Problem. Es galt Elefanten durchzufüttern, die täglich große Mengen an Blättern, Gras, Bananen und Zuckerrohr benötigen, rund zehn Prozent ihres Körpergewichts. Angeblich soll das pro Elefant bis zu 4000 Euro im Monat kosten. Viele Familien schickten die grauen Riesen in ihrer Verzweiflung fort in den Wald, aber die Tiere kamen zurück. Ein Projekt der Regierung, domestizierte Elefanten an die Wildnis zu gewöhnen, scheiterte. Viele Tiere verendeten in freier Wildbahn.
    So entstanden mehr und mehr Camps in Thailand, die auf Einnahmen aus dem Tourismus setzen. Das gängige Modell, das auch Eks Eltern Einnahmen zum Überleben bringt, funktioniert bis heute so: Der Elefantenbesitzer verleiht seine Tiere an eine Einrichtung und kassiert dafür eine Geldsumme. Der Betreiber des Camps ist für die Versorgung der Elefanten zuständig, kommt auch für medizinische Hilfe auf und muss dafür genügend zahlungswillige Kunden anlocken.
    »Wir müssen den Touristen auch etwas bieten, sonst kommen sie nicht. Aber den Elefanten muss es gut gehen dabei«, sagt Ek, der mit der Urlaubergruppe und seiner Kollegin Nan loszieht in Richtung des kleinen Badetümpels. Jeder hat einen kleinen Korb mit Futter in der Hand. Man darf es den Elefanten reichen, die mit der Spitze ihres Rüssels, der aus rund 40 000 Muskeln besteht, zugreifen und sich Bananen und Zuckerrohr ins Maul stecken. Bis zu 20 Stunden pro Tag sind die Tiere mit Fressen beschäftigt. Ihr Verdauungstrakt arbeitet so schnell, dass das, was sie vorne reinstopfen, kurze Zeit später schon wieder hinten rauskommt. Jedes Tier hat einen eigenen Mahut, einen Pfleger, der stets an dessen Seite ist. Regelmäßig machen sie mit den Elefanten Spaziergänge in den Wald. Alleine dürfen sich die Riesen nicht bewegen, weil das Areal nicht eingezäunt und zu nah an der Zivilisation ist.

    In Thailand gibt es vermutlich nur noch 300 bis 500 wilde Elefanten, die meisten davon befinden sich im Khao Yai Nationalpark, der etwa drei Autostunden von Bangkok entfernt ist. Schätzungen gehen von rund 4000 domestizierten Elefanten aus, die in Camps leben. Die Tiere wurden schon vor Hunderten von Jahren gebändigt, teils auf brutalste Weise. Sie kamen in Schlachten zum Einsatz und haben Thailand geholfen, Kriege zu gewinnen. Auch deswegen werden sie heute verehrt. Der 13. März ist Nationaler Elefantentag in Thailand. Die Tiere bekommen ein Schmankerl-Buffet, ein Mönch eilt herbei und segnet jedes einzelne. Sogar ein Buchstabe im Alphabet ist den grauen Riesen gewidmet.
    Elefanten gelten auch als Glücksbringer. Kein touristischer Hotspot ohne Elefanten-Krimskrams. So verkaufen die Souvenirhändler auf der James-Bond-Insel, wo Teile von »Goldfinger« gedreht wurden, keine goldenen Pistolen, sondern silberne Elefanten-Anhänger. Selbst bei »Big Buddha«, einer 45 Meter hohen Marmorstatue, die Pilgerstätte für Touristen und Buddhisten gleichermaßen ist, liegen Elefanten-Puzzles in den Shops aus. Passend dazu erklärt der Guide einer englischen Gruppe: »Der Elefant ist die ultimativ letzte Stufe der Reinkarnation.«
    Und schließlich gibt es Ganesha, den Elefantengott, der auch im Elephant Wildlife Sanctuary, in dem Ek arbeitet, eine kleine Gebetsstätte bekommen hat. Der 28-Jährige hält dort kurz inne und zündet eine Räucherkerze an, während die deutsch-österreichische Touristengruppe in bunten Plastikschüsseln Matsch anrührt. Die Besucher mischen calciumhaltige Erde mit Kurkuma, Salz, Kokosnussöl und Wasser zu einer Feuchtigkeitspackung, die sich Pinky später in aller Ruhe von zehn Menschenhänden auf die Haut auftragen lässt. »Das heilt kleine Wunden und hilft gegen juckende Mückenstiche«, erklärt Ek.

    Danach steigen die Touristen gemeinsam mit Pinky in einen Badetümpel, wo sie ihren Rücken und Rüssel schrubben. Wird damit endgültig eine rote Linie überschritten? Bis vor wenigen Jahren war das »Baderitual« in allen Camps in Thailand Standard. Selbst Saengduean Lek Chailert, die als große »Elefantenretterin« gilt, bot es als Touristenattraktion an. In einem Interview erklärte sie dann: »Als wir das Baden verboten haben, kamen anfangs weniger Touristen, aber mittlerweile findet ein Umdenken statt.« Heute sei sie der Meinung, dass die Interaktion mit Menschen, egal wie gut gemeint sie auch sein mag, für die Tiere Stress bedeute. Ek ist überzeugt: »Die Touristen bleiben aus, wenn sie nicht mehr so nah an unsere Tiere randürfen. Dann müssen wir die Elefanten zurückschicken in die Ungewissheit.«

    Die Reise wurde unterstützt von
    Anantara Hotels & Ressorts
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