Weitgespannte Pläne

Italiens Infrastrukturminister Salvini will für viele Milliarden eine Brücke nach Sizilien bauen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
Matteo Salvini, Italiens Minister für Infrastruktur, träumt von einer Brücke über die Meerenge von Messina.
Matteo Salvini, Italiens Minister für Infrastruktur, träumt von einer Brücke über die Meerenge von Messina.

Man müsste doch eigentlich eine Brücke über die Meerenge von Messina bauen können: Das denkt sich Matteo Salvini, Chef der rechtsextremen Lega und Italiens Minister für Infrastrukturen. Im Jahr 251 vor unserer Zeitrechnung schafften es bisher als einzige die alten Römer, nach dem Sieg im Ersten Punischen Krieg konnten die Soldaten tatsächlich trockenen Fußes von Sizilien nach Kalabrien marschieren. Auch die Elefanten, die man als Kriegsbeute dabeihatte, mussten nicht schwimmen. Dazu hatte die Römer Schiffe und Flöße aneinandergereiht.

Aber so etwas Provisorisches will Salvini nicht. Er will einen »Beweis für das italienische Genie« liefern und ein Bauwerk errichten, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Die Brücke solle, so der Minister, nicht nur Sizilien mit dem italienischen Festland verbinden, sondern »Palermo mit Berlin, Italien mit Europa«.

In den letzten 50 Jahren geisterte diese Idee immer wieder durch die Köpfe italienischer Politiker. Silvio Berlusconi hatte die Mammutbrücke mehrmals versprochen und auch immer wieder Durchführbarkeitsstudien in Auftrag gegeben; insgesamt waren es fünf – soweit bekannt. Es wurde darüber diskutiert, wie so eine Brücke aussehen müsste: eine riesige Hängebrücke oder doch besser eine mit mehreren Bögen? Oder vielleicht auch ein Tunnel? All diese Studien, für die immer wieder Millionen Euro ausgegeben wurden, kamen zu dem gleichen Ergebnis: Das Ding funktioniert nicht oder ist zumindest augenblicklich nicht machbar.

Das liegt an der besonderen Lage dieser Meerenge, die das Ionische mit dem Thyrrenischen Meer verbindet. Sie ist zwischen 16 und drei Kilometer breit und zwischen 70 und 2000 Meter tief. Aufgrund dieser geologischen Ausformung sind die Strömungen hier besonders stark – vor allem dort, wo der Abstand zwischen Sizilien und Kalabrien besonders klein und die Tiefe besonders gering ist. Dazu kommt, dass dort mehrere Verwerfungen verlaufen, was im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu starken Erdbeben geführt hat. Das schwerste ereignete sich 1908, als die beiden Städte Messina und Reggio Calabria fast vollkommen zerstört wurden, es einen verheerenden Tsunami gab und etwa 80 000 Menschen ihr Leben verloren. Außerdem verschieben sich die beiden Seiten permanent, sowohl von Osten nach Westen wie auch von Norden nach Süden. Und schließlich: Die Meeresflora und -fauna würde erheblich gestört werden, ebenso wie Millionen von Zugvögeln, die für ihre Migration zwischen Europa und Afrika genau diese Route benutzen.

Wie viel Geld bisher ausgegeben wurde, um stets zum selben Schluss zu kommen, ist nicht ganz klar. Es gibt zum Beispiel ein staatliches Unternehmen, die »Stretto di Messina spa«, die im Juni 1981 gegründet wurde, um den Bau zu überwachen, und die den Staat seit damals weit über 300 Millionen Euro gekostet hat – um gar nichts zu tun. Vor 13 Jahren wurde beschlossen, die Gesellschaft aufzulösen, aber bisher ist das noch nicht geschehen, auch weil es noch extrem hohe Vertragsstrafen zu begleichen gilt. »Oh wie schön«, muss sich Minister Salvini trotzdem gedacht haben, »dann haben wir ja schon eine Firma und müssen keine neue gründen.«

Die neuen Kosten, die auf den Steuerzahler zukommen, sollten sich irgendwo zwischen 1,8 und 7,1 Milliarden Euro einpendeln. »Das ist überhaupt nichts«, meint der Minister, wenn man bedenke, dass allein der Bau zwischen 50 000 und 100 000 Arbeitsplätze schaffen werde. Dass solche Rechnungen nie aufgehen – und nicht nur in Italien –, sollte inzwischen allgemein bekannt sein.

Aber es gibt noch weitere Probleme. Da sind zum Beispiel die Infrastrukturen, die es auf beiden Seiten der hypothetischen Brücke geben müsste, um dem dann stetig wachsenden Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. Wer schon einmal mit dem Auto oder dem Zug in Kalabrien oder auf Sizilien unterwegs war, weiß, wie es dort aussieht. Straßen, auch Autobahnen, beginnen irgendwo und enden im Nichts, Schienenstränge sind eingleisig, Reisen dauern endlos. Schon 2006 hieß es, dass es für die Wirtschaftsentwicklung wirkungsvoller wäre, wenn man erst einmal die Infrastrukturen und Verkehrswege verbessern würde. Und auf beiden Seiten der Meerenge geht es kriminell zu: Die Cosa Nostra in Sizilien und die ‚Ndrangheta in Kalabrien, die gerade im Bauwesen und bei öffentlichen Aufträgen aktiv sind, reiben sich schon jetzt die Hände, wenn sie an die vielen Milliarden denken, die ausgegeben werden sollen und die dann sicher zumindest teilweise auch in ihre Taschen fließen werden.

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