Ein Erfolg mit Wermutstropfen

Der Ökonom Sebastian Dullien hält die Gaspreisbremse für verbesserungswürdig

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 5 Min.

Sie setzen sich schon länger für eine Gaspreispremse ein und haben zusammen mit der Ökonomin Isabella Weber bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine einen Vorschlag zur Umsetzung gemacht. Sind Sie froh, dass die Gaspreisbremse jetzt kommt?

Grundsätzlich ist es ein großer Erfolg, dass die Gaspreisbremse jetzt kommt. Sie hat ein echtes Potenzial, die Konjunktur zu stützen und die Inflation zu dämpfen. Aber es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Bundesregierung sie früher in Angriff genommen hätte. Die Zeit zur Vorbereitung und für den Gesetzgebungsprozess ist nun sehr knapp.

Interview

Sebastian Dullien ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Mit ihm sprach Simon Poelchau über die geplante Gaspreisbremse.

Wie sieht es mit der konkreten Umsetzung aus?

Es gab die Befürchtung, dass Unternehmen ihr subventioniertes Gas weiterverkaufen können. Laut dem jetzigen Gesetzentwurf ist das nur noch begrenzt möglich. Ohne diese Begrenzung wäre das eine schädliche Stilllegeprämie gewesen. Hätten die Betriebe dadurch einfach den Betrieb einstellen und das Geld einstreichen können, wäre das auch ein Problem für die Lieferketten gewesen. Schließlich fallen bei gasintensiven Unternehmen häufig Abfallprodukte an, die für andere Produktionsprozesse wichtig sind.

Gibt es auch Negatives?

Ein großer Wermutstropfen ist, dass für die privaten Haushalte keine Obergrenze geplant ist. Jetzt kriegen alle betroffenen Haushalte 80 Prozent ihres vorherigen Verbrauches subventioniert – egal wie groß ihr Haus oder ihre Wohnung ist. Das heißt, dass auch Villenbesitzerinnen und -besitzer die Heizung für ihr Hallenbad subventioniert bekommen. Mit einer absoluten Obergrenze von zum Beispiel 25 000 Kilowattstunden pro Jahr würde man dieses Problem umgehen. Die großen Energieverschwender würde man nicht subventionieren.

Als Gegenargument für eine Obergrenze wurde angeführt, dass die Versorger nicht wissen, ob sich hinter einem Anschluss eine Villa oder ein Mehrfamilienhaus verbirgt.

Man hätte zum Beispiel festsetzen können, dass die Obergrenze aufgehoben wird, wenn der Hauseigentümer oder die Hausverwaltung bestätigt, dass es sich um ein Mehrfamilienhaus handelt. Dann hätte man gleichzeitig dafür gesorgt, dass ärmere Haushalte nur im Ausnahmefall von der Obergrenze betroffen sind. Denn diese wohnen überwiegend in Mehrfamilienhäusern.

Für Privatkunden und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird der Gaspreis auf zwölf Cent pro Kilowattstunden gedeckelt. Das ist fast doppelt so viel, wie man noch vor einem Jahr zahlen musste. Für Menschen mit geringem Einkommen ist das doch noch zu viel.

Man darf aber Gaskunden auch nicht besserstellen als Haushalte, die etwa mit Öl heizen. Wenn die Gasrechnung auch mit dem Deckel für manche Haushalte noch zu hoch ist, dann sollte man diese gezielter entlasten.

Nicht nur private Haushalte und KMU sollen einen Gaspreispreisdeckel bekommen. Auch für die Industrie soll der Gaspreis auf 7 Cent für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs gedeckelt werden. Monika Schnitzer, die neue Chefin der sogenannten Wirtschaftsweisen, kritisierte jüngst, dass diese Unternehmen nicht auf Boni- oder Dividendenzahlungen verzichten müssen. Wie sehen Sie das?

Frau Schnitzer hat mit ihrer Kritik recht. Man hätte bei der Ausgestaltung der Gaspreisbremse mehr darauf achten müssen, dass sie kein großes Subventionsprogramm für Unternehmen wird, die sie nicht brauchen. Ein Verbot oder eine Begrenzung von Boni und Dividendenzahlungen wäre dafür durchaus eine Lösung gewesen.

Ist die Gaspreisbremse für Unternehmen überhaupt notwendig?

Zwar hat sich der Gasmarkt zwischenzeitlich wieder etwas beruhigt, aber zeitweise lag der Gaspreis bei über 300 Euro pro Megawattstunde. Das hat viele Unternehmen ganz schön unter Druck gebracht. Gleichzeitig ist der Deckel nicht nur eine Entlastung für die Unternehmen, er sollte auch dazu führen, dass die Unternehmen aufgrund der gestiegenen Energiekosten die Preise für ihre Produkte nicht so stark anheben. Insofern sollte er auch inflationsdämpfend wirken.

Die Gaspreisbremse für Unternehmen ist also mehr eine Anti-Inflations-Maßnahme als eine Wirtschaftshilfe für die Industrie?

Es ist beides. Die Gaspreisbremse ist durchaus eine sehr große Subvention für die Industrie. Daher hätte man auch bei ihrer Ausgestaltung stärker berücksichtigen müssen, wer sie braucht und wer nicht.

Laut dem Münchner Ifo-Institut haben viele Unternehmen bereits ihren Gasverbrauch gesenkt, ohne ihre Produktion zu drosseln. Ist das nicht auch aus klimapolitischen Gründen gut?

Die bisherigen Einsparungen befinden sich in dem Rahmen, wie sie bereits im Frühjahr prognostiziert wurden. Demnach sind 20 Prozent relativ gut ohne Produktionsausfälle machbar. Das Problem ist aber, dass die Umstellungen nicht unbedingt hilfreich für die Energiewende sind. Häufig greifen die Unternehmen jetzt statt auf Gas auf Öl und im Extremfall auf Kohle zurück. Und wenn ein Unternehmen jetzt ein Gaskraftwerk gegen einen neuen Ölbrenner ausgetauscht hat, ist das auch auf lange Sicht kontraproduktiv, weil der neue Brenner noch Jahre genutzt werden wird und Investitionsmittel für Erneuerbare fehlen.

Ist die Gaspreisbremse dann nicht auch klimapolitisch kontraproduktiv, weil sie keinen Anreiz schafft, auf Erneuerbare umzusteigen?

Die Investitionen, die jetzt gemacht werden müssten, sind keine, die man von heute auf morgen umsetzen kann. Insbesondere im Gebäudebereich sind die Monteure für Wärmepumpen weit ins nächste Jahr ausgebucht. Insofern spielt die Gaspreisbremse kaum eine Rolle, da sie bis zum Frühjahr 2024 begrenzt ist. Entscheidender ist, wie sich der Gaspreis ab 2025 entwickelt.

Derzeit wird die Infrastruktur für die Gasversorgung auf Flüssiggas umgestellt. Haben Sie schon mal berechnet, auf welchem Niveau sich der Gaspreis langfristig einpendeln könnte?

Derzeit sind die sogenannten Future-Preise, mit denen sich die Unternehmen für zukünftige Lieferungen absichern wollen, deutlich gesunken. Sie liegen für 2026 derzeit bei rund 35 Euro pro Megawattstunde. Das ist ungefähr anderthalb- bis zweimal so viel wie vor Corona und der Energiepreiskrise. Verlässliche Prognosen lassen sich daraus aber nicht ableiten, da nicht abschätzbar ist, wie viel letztlich gespart wird und was weltwirtschaftlich passiert.

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