Diplomatische Geschenke

Neue Funde beleuchten jahrzehntelange Beziehungen zwischen Amerikas frühen Staaten

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 5 Min.

Römische Kaiser bekamen Löwen und Rassepferde geschenkt von arabischen Herrschern, dänische Könige des Mittelalters verschenkten Jagdfalken aus ihren arktischen Besitzungen an andere europäische Herrscher und China betreibt noch heute die sogenannte Panda-Diplomatie. Tiere als Botschafter der guten Gesinnung sind offenbar so alt wie Staaten und deren Beziehungen zu anderen Länder.

Einen Beweis dafür, wie weit in die Geschichte der vorkolumbianischen Staaten diese Tradition zurückreicht, fand eine Gruppe US-amerikanischer und japanischer Archäologen in diesem Jahr in Teotihuacán nahe der Hauptstadt Mexiko City. Diese Ruinenstätte war einst Zentrum einer Kultur, deren Einfluss weit über das Hochland von Mexiko hinausging. Die Diskussion über deren Status ist bei Historikern und Archäologen längst nicht abgeschlossen: War Teotihuacán Mittelpunkt einer weitverbreiteten Religion, ein Handelsimperium oder ein eigentlicher Staat, dem auch weit entfernte Territorien zumindest nominell untertan waren? Die Zeitgenossen waren jedenfalls der Auffassung, dass man sich mit der herrschenden Schicht von Teotihuacán lieber gut stellen sollte, so auch die Maya-Herrscher, die noch nicht den Zenit ihrer Macht erreicht hatten. Ohne Zweifel bestand ein reger Handelsaustausch, bei dem die Maya des tropischen Tieflandes unter anderem Türkis, Salz und Baumwolle bezogen, während sie ihrerseits etwa Kakao und Federn lieferten. Auch Ideen wurden ausgetauscht und deshalb kann man Elemente der Teotihuacán-Architektur in Maya-Bauten finden.

Solch ein Technologieaustausch erfordert aber längeren Kontakt, der über den kurzzeitigen Aufenthalt von Kaufleuten hinaus geht. Eben dafür fanden Archäologen Belege, als sie einen bisher weniger beachteten Teil von Teotihuacán ausgruben. Eine größere Gruppe von Angehörigen der Maya-Elite hatte sich hier um 250 unserer Zeitrechnung niedergelassen, diesen Teil der Stadt umgebaut und mit Motiven ihrer Kultur geschmückt. So wurden Reste von Wandmalereien im typischen Maya-Stil gefunden. Diese Ausgrabung stützt die Theorie, dass Teotihuacán eine multiethnische Stadt war, in der die verschiedenen Völkerschaften in ihren eigenen Bezirken lebten. Im Umfeld der Eliten lebten auch die Handwerker, die die neuen Impulse nach der Rückkehr in die Heimat in neuen Bauten umsetzen konnten.

Im Fall der Maya muss es sich um hochrangige Vertreter eines der vielen Maya-Staaten gehandelt haben, die die Ressourcen hatten, aufwendige Geschenke zu machen. Unter einer der Pyramiden entdeckten die Archäologen eine Opfergrube, in der Skelettteile eines Geoffroy-Klammeraffen (Ateles geoffroyi) sowie eines Goldadlers und eines Jaguars niedergelegt worden waren. Diese Tiere zu fangen, über Hunderte von Kilometern zu transportieren, sie zu füttern und zu pflegen, war auch in Zeiten ohne Geldwirtschaft nur einer ressourcenreichen Oberschicht möglich. Die Isotopenanalyse der Zähne und Knochen des Affen zeigte, dass er aus dem tropischen Tiefland stammte und etwa zwei Jahre in Gefangenschaft lebte, bis er als Teil einer Zeremonie geopfert wurde. Wegen ihres sozialen Wesens und relativ einfacher Domestizierung wurden Klammeraffen häufig von verschiedenen Indigenen im tropischen Amerika als Haustier gehalten, während sie im Hochland von Mexiko, wo Teotihuacán liegt, nicht vorkamen.

Der Klammeraffe spielte eine wichtige Rolle in der Religion der Maya und war in Form der Ajaw-Hieroglyphe das Königssymbol. In der Mythologie wird ihm die Rolle eines missglückten Experiments der Götter zugeschrieben, als sie versuchten, ein Wesen zu erschaffen, das ihr Werk weiterführen konnte und sie gleichzeitig anbetete. Angesichts der symbolischen Bedeutung des Klammeraffen müssen also hochrangige Maya-Vertreter, vielleicht sogar ein Herrscher, anwesend gewesen sein, als die Opferung vollzogen und eine prunkvolle Zeremonie durchgeführt wurde. Der ganze Aufwand war notwendig, um einem wichtigen Handelspartner und einer Großmacht zu imponieren und die eigene Wichtigkeit zu unterstreichen.

Die jahrzehntelange Anwesenheit von Maya-Repräsentanten in Teotihuacán konnten die Forscher mit der Ausgrabung von 14 000 Keramikscherben in der Nähe des Tempels der Gefiederten Schlange nachweisen. Hierbei handelt es sich um Keramik größtenteils im Maya-Stil, die nicht vor Ort hergestellt wurde. Der Anlass muss ein exzessives Fest gewesen sein, bei dem Keramik rituell zerschlagen wurde. Dies geschah etwa zwischen 300 und 350 u. Z. Ob das Fest einem Maya-Herrscher aus dem gleichen Territorium gewidmet war wie 50 Jahre früher bei der Opferung des Affen, kann nicht definitiv gesagt werden, aber die Verknüpfung mit Tikal erscheint nicht unwahrscheinlich. Tikal war ein wichtiges, aber keineswegs dominierendes Reich zu Zeiten Teotihuacáns und die Könige von Tikal dürften ein großes Interesse gehabt haben, sich mit dem Reich im Norden gutzustellen. Ihre Einschätzung war richtig, aber irgendetwas geschah einige Jahrzehnte nach dem dokumentierten Fest. Die Maya-Fresken in Teotihuacán wurden mutwillig zerstört und die Herrschaft über Tikal wurde im Jahr 378 von einer Gruppe aus Teotihuacán übernommen. Ob es sich hierbei um eine Invasion handelte oder eher um einen Staatsstreich, bei der die Metropole im Hochland eine Gruppe Usurpatoren unterstützte, um einen Marionettenkönig einzusetzen, kann gegenwärtig nicht eindeutig entschieden werden. Die Zeit der Diplomatie war jedoch vorüber und die einstigen Partner ließen sich in Tikal häuslich nieder. Dies konnte erst im Vorjahr nachgewiesen werden mit der Entdeckung eines Palastkomplexes in Tikal, dessen Lageplan und Bauweise eine kleinere Kopie von Teotihuacán war. Die neuen Herren wurden jedoch schnell assimiliert in die Maya-Gesellschaft, während die Macht der einstigen Metropole in den nächsten 100 Jahren schrumpfte und um 550 endete, als die Maya ihre Blütezeit erlebten – gut befördert durch die kreative Umsetzung neuer Ideen in den eigenen Kontext.

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