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Konsequenzen nach Reichsbürger-Verschwörung

Linksfraktion fordert Regierungserklärung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass die größte Gefahr für die Demokratie von rechts ausgeht, stellt nicht nur die Ampel-Koalition in ihrem Regierungsprogramm fest. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vertritt laut dessen Präsident Thomas Haldenwang diese Position. In der Praxis allerdings zeigt sich, dass die tatsächlichen Prioritäten oft andere sind. Im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ), einer seit 2012 existierenden Kooperationsstelle von 40 Behörden, darunter Polizei, Bundeskriminalamt, Bundespolizei und alle Nachrichtendienste der Länder und des Bundes, spiegelt sich die Gefahrenanalyse der Politik nicht wider. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage von Martina Renner, Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag, hervor. Demnach beschäftigte sich das GETZ bei seinen Treffen in den vergangenen zwei Jahren 28 Mal mit der Klimaschutzbewegung, während die extreme Rechte deutlich seltener Thema war. Nur bei fünf Treffen ging es etwa um Nordkreuz, eine 2017 aufgeflogene Gruppe, die sich mit Tötungslisten, Waffentrainings und dem Anlegen von Depots auf einen »Tag X« vorbereitete, an dem es zum Zusammenbruch der staatlichen Ordnung kommen sollte. Viele Hintergründe, darunter die Einbindung in größere Netzwerke, sind bis heute nicht vollständig geklärt.

Ähnlich verhält es sich mit den »Vereinten Patrioten«, mit denen sich das GETZ sechs Mal beschäftigte. Seit April dieses Jahres ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen diese Gruppe, die unter anderem die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben soll, ebenso wie Anschläge auf staatliche Institutionen. Wie eng all das miteinander zusammenhängt, zeigen die Razzien gegen eine bewaffnete Gruppe von Reichsbürgern vergangene Woche. Deren mutmaßlicher Kopf, der Frankfurter Bankier Heinrich Prinz Reuß, soll laut ARD-Recherchen Kontakt zu den »Vereinten Patrioten« gehabt haben. Verbindungen und Austausch zwischen rechten Gruppierungen sollten für die Behörden eigentlich keine Überraschung darstellen, egal ob es sich im Einzelfall um feste oder nur lose Netzwerke handelt. Auf die Radikalisierung der »Vereinten Patrioten« wies ein antifaschistisches Recherchenetzwerk aus Oldenburg bereits im Juli 2021 hin, lange bevor die Bundesanwaltschaft aktiv wurde.

»Gerade die sogenannten Reichsbürger wurden viel zu lange nicht so ernst genommen, wie sie hätten ernst genommen werden müssen«, kritisiert die Bundesvorsitzende der Linken, Janine Wissler, am Montag in Berlin. Die Linksfraktion im Bundestag fordert daher, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag eine Regierungserklärung abgibt, »damit die Gesellschaft breit über die Konsequenzen diskutieren kann«, wie Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte den Antrag begründet. Die Gesellschaft müsse »über die Bedrohung der Demokratie durch Netzwerke von Reichsbürgern und anderen Rechtsextremisten« informiert werden.

Am Montag trafen sich zunächst mehrere Bundestagsausschüsse, darunter auch das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium, um sich über das bisher bekannte Ausmaß der Reichsbürger-Verschwörung zu informieren und politische Konsequenzen zu beraten. Erste Vorschläge kursieren bereits, wenngleich die Tragweite unterschiedlich ist. Diskutiert wird unter anderem, ob ehemalige Abgeordnete weiterhin einen Hausausweis erhalten, mit dem sie sich in allen Gebäuden des Bundestags frei bewegen können. Möglicherweise ein Sicherheitsrisiko, weil die am vergangenen Mittwoch festgenommene Birgit Malsack-Winkemann als Ex-AfD-Abgeordnete genau eine solche Berechtigung besaß.

Deutlich weitreichender sind Pläne Faesers, den Behörden bekannten Reichsbürgern den Waffenbesitz zu verbieten. Ebenso plant die Innenministerin eine Verschärfung im Disziplinarrecht, »um Verfassungsfeinde schneller als bisher« aus dem Staatsdienst entfernen zu können. Eine Maßnahme, die bereits im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Gleiches gilt für das sogenannte Demokratiefördergesetz, das Beratungsstellen, Aussteiger- und Aufklärungsprogrammen eine langfristige finanzielle Unterstützung durch den Bund ermöglichen soll. Laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) will das Kabinett am Mittwoch über das Vorhaben beraten.

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