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Klage gegen Kommissar Computer

Verfassungsgericht verhandelt zur automatisierten Datenauswertung bei der Polizei

Verhandlungsauftakt am Dienstag in Karlsruhe.
Verhandlungsauftakt am Dienstag in Karlsruhe.

Darf eine Firma im Auftrag der Polizei mit technischen Werkzeugen ein Profil von Personen erstellen und deren vermeintliche Gefährlichkeit bestimmen? Handelt es sich dabei um »Data Mining« und ist dies auch zur Abwehr von Gefahren grundrechtskonform? Darüber hat am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt. Vorausgegangen waren zwei Verfassungsbeschwerden der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und anderer Bürgerrechtsorganisationen gegen Polizeigesetze in Hessen und Hamburg.

In Hessen haben die Behörden die als »KI-fähig« beschriebene Software »Gotham« der US-Firma Palantir angeschafft. Unter dem Namen »Hessendata« soll sie herausfinden, ob eine Person Verbindungen zu sogenannten Gefährdern hat und Zusammenhänge zwischen Personen, Objekten und früheren Ermittlungen darstellen. Die Methode gilt als »vorausschauende Polizeiarbeit«.

In Hamburg erfolgt noch kein Einsatz von derartigen Anwendungen, bestätigt die Polizei dem »nd«. Neben Hessen nutzt Nordrhein-Westfalen die Palantir-Software als »datenbankübergreifende Analyse und Recherche«, das dort erst 2022 entsprechend erneuerte Polizeigesetz ist jedoch nicht Gegenstand der Klage in Karlsruhe.

Zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen kann »Gotham« bei der Polizei bereits vorhandene Informationen mit Daten von Meldebehörden, Fahrzeugregistern, Gesundheits- oder Sozialämtern verknüpfen. Zum Erfolgsmodell von Palantir gehört die Einbindung von sogenannten unstrukturierten Daten. Dabei kann es sich um Textdateien, Mails, Adressbücher oder auch Fotos und Audiodateien handeln. Möglich ist auch die Einbindung von heruntergeladenen Dateien aus dem Internet und sozialen Medien.

In derartigen Dateien sind zwangsläufig viele Unschuldige und Unverdächtige sowie Opfer und Zeugen von Straftaten gespeichert. Werden diese Personengruppen zum »Beifang«, könnte ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein, argumentiert die GFF in Karlsruhe. »Gotham« könnte zudem besonders auf Gruppen und Personen fokussieren, die die Polizei sowieso im Auge hat, schreibt die Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF, Lea Beckmann. Damit würden vorhandene Vorurteile zementiert. 

Zu den Beschwerdeführenden zählen Journalisten, Rechtsanwälte und Aktivisten, darunter etwa die Strafverteidigerin Seda Başay-Yıldız und die in der Friedensbewegung aktive Silvia Gingold. »Ich recherchiere zur extremen Rechten und besuche teilweise undercover rechte Demos und Veranstaltungen«, sagt der ebenfalls beteiligte Journalist Sebastian Friedrich dem »nd«. Er befürchtet, nach einer automatisierten Datenanalyse selbst als Teil der extremen Rechten unter Verdacht zu geraten.

Bald will auch Bayern entscheiden, in welchem Umfang das dortige Landeskriminalamt Software von Palantir einsetzt. Derzeit überprüft ein Fraunhofer-Institut den Quellcode des Programms, bestätigt die bayerische Polizei dem »nd«. Damit soll die Befürchtung entkräftet werden, dass sensible Daten an US-Geheimdienste abfließen. Der amerikanische Mutterkonzern von Palantir wurde vom Auslandsgeheimdienst CIA finanziert, der Dienst gehörte selbst zu den Kunden der Firma. Um mögliche Datenabflüsse von »Gotham« grundsätzlich zu unterbinden, wird die Software in Bayern nicht ans Internet angeschlossen.

Bayern ist federführend im bundesweiten Projekt »Verfahrensübergreifende Recherche und Analyse« (VeRA), in deren Rahmen Palantir anschließend für alle Bundesländer beschafft werden könnte. Deshalb erhofft sich die GFF vom Verfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung zu strengeren Regeln für die Auswertungssoftware. 

Einer der Anwälte der GFF ist der Juniorprofessor Sebastian Golla von der Ruhr-Universität in Bochum. Er betont gegenüber dem »nd«, dass die Datenquellen für die »vorausschauende Polizeiarbeit« limitiert werden müssten. »Ein Grundproblem ist, dass eine derartige Software den polizeilichen Anwender regelrecht zum Spielen auffordert und dazu animiert, Verbindungen zu suchen«. 

Ähnlich kritisch sieht das der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz Thomas Petri. »Die automatisierte Auswertung unterläuft das Prinzip der Zweckbindung«, so Petri zum »nd«. Die bei der Polizei vorhandenen Daten dürften nicht willkürlich zusammengezogen werden. »Denn in irgendwelchen Zusammenhängen ist beinahe die gesamte Bevölkerung in den polizeilichen Datenbanken erfasst und könnte ins Raster geraten. Das wäre ein erheblicher Grundrechtseingriff.«

Die vielen detaillierten Nachfragen des Gerichts zeigten, dass auch die Richter »die vagen Normen zur automatisierten Datenauswertung kritisch sehen«, kommentierte die GFF die Verhandlung. Das Urteil aus Karlsruhe wird in einigen Wochen erwartet.

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