Kasachisches Öl für die PCK-Raffinerie

Bundestagsabgeordneter Christian Görke (Linke) lotet in Astana neue Möglichkeiten aus

20 Grad minus herrschten in der kasachischen Hauptstadt Astana und auf dem Flughafen funktionierte die Enteisung nicht optimal. Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) verpasste dadurch seinen Anschluss in Istanbul und landete am Donnerstag mit zwei Stunden Verspätung auf dem Flughafen BER in Schönefeld. Von dort eilte er in den Bundestag und berichtete, was er erfahren hatte über die Möglichkeiten, kasachisches Erdöl für die PCK-Raffinerie in Schwedt zu erwerben, damit die Anlagen dort nicht auch noch einfrieren.

Fünf bis sechs Millionen Tonnen Öl pro Jahr könnte der kasachische Energiekonzern Kaz Munay Gaz pro Jahr für Schwedt freimachen. Der Vorstandsvorsitzende Magzum Mirzagaliyev habe ihm dies versichert, erklärte Görke. Das sind erst einmal ausgezeichnete Nachrichten. »Damit ist die Vollauslastung der Raffinerie gewährleistet«, freut sich Görke. Wer allerdings im Januar Öl haben wolle, hätte die gewünschten Mengen besser bereits im September oder spätestens im Oktober bestellt. Trotzdem sehe sich Kaz Munay Gas durch Umschichtungen in seinen Planungen in der Lage, schon im Januar zunächst einmal 20 000 Tonnen zu liefern.

Schließlich soll Staatspräsident Qassym-Schomart Toqajew persönlich gebeten haben, den Ostdeutschen zu helfen. Das wiederum will Görke von dem kasachischen Vizeenergieminister Asset Maganov wissen, mit dem er sich ebenfalls getroffen hat.

Die Frage, auf welchem Weg das Öl nach Schwedt gelangt, ist im Prinzip auch schon geklärt. Das kasachische Energieministerium hat bereits eine Zusage des russischen Energieministeriums eingeholt, dafür die alte sowjetische Druschba-Pipeline verwenden zu dürfen, die in Schwedt endet. Russland würde die erforderlichen Mengen durchleiten. Es hätte ja selbst finanziell etwas davon, würde Gebühren dafür kassieren. Dass Russland kasachisches Öl für den Westen nicht aufhält, ist bereits nachgewiesen. Denn vom kasachischen Tengis fließt schon seit zwei Jahrzehnten Erdöl durch eine Leitung zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossiisk, und auf diesem Wege beziehen westliche Staaten seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar ungehindert und unvermindert Erdöl aus Kasachstan.

Der Druschba-Leitung hat sich Kasachstan früher schon einmal bedient. Wenn es wieder dazu übergeht, möchte es aber langfristige Verträge abschließen. Bis jetzt ist da überhaupt nichts in trockenen Tüchern. Dabei gilt schon ab 1. Januar der selbsterklärte Verzicht Deutschlands auf russisches Öl. Görke wirft Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und dessen mit dem Fall betrauten Staatssekretär Michael Kellner vor, sich nur sehr unzureichend gekümmert zu haben, falls sie überhaupt etwas unternommen hätten. »Michael Kellner hätte sich ja auch einen Flug nach Astana buchen können«, meint Görke.

Kellner selbst hatte erst am Montag behauptet, dass bereits geringe Mengen aus Kasachstan in Aussicht stünden und dass er optimistisch sei, dass von dort noch mehr Öl bezogen werden könne. Der Staatssekretär rechtfertigte sich aber zugleich, er selbst könne solche Lieferverträge ja nicht abschließen.

Dazu passt, was Magzum Mirzagaliyev, der Chef von Kaz Munay Gaz, gern von Görke gewusst hätte: »Wer sind denn jetzt die Käufer des kasachischen Öls? Mit wem verhandeln wir? Mit Rosneft vielleicht oder mit dem deutschen Staatssekretär?« Dem russischen Staatskonzern Rosneft gehört eine Mehrheit der Anteile an der PCK Raffinerie GmbH in Schwedt, auch wenn er derzeit keinen Zugriff darauf hat.

Wenn kasachisches Öl bestellt ist, dann braucht es drei bis vier Wochen, bis es durch die Druschba-Leitung in Schwedt eintrifft. Das wissen Experten wie Talgat Kurmanbaev, Generaldirektor des staatlichen Unternehmens Kaz Trans Oil, das sich um die kasachischen Erdölleitungen kümmert. Es darf also nicht getrödelt werden. Görke ist sauer. Er wirft der Bundesregierung vor, nicht richtig an diesem Thema gearbeitet zu haben. Bereits in acht Tagen solle in Schwedt kein russisches Öl verarbeitet werden, aber »kurz vor Weihnachten liegt nichts auf dem Gabentisch, obwohl Kasachstan bereit ist, ein Paket zu schnüren«. Der Bundestagsabgeordnete vermutet, dass ideologische Vorbehalte der Grünen für ein zögerliches Verhalten in dieser Sache ausschlaggebend seien. Diesen schmecke wohl nicht, dass das kasachische Öl durch russisches Territorium geleitet werden müsse. Aber einen anderen Weg gebe es für die in Aussicht gestellten großen Mengen nicht. Mit Öltankern wäre das nicht zu schaffen. Ganz abgesehen davon, dass die Tanker das Öl nur im russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk aufnehmen könnten und dass die Pipeline vom Ostseehafen Rostock nach Schwedt damit überfordert wäre.

Staatssekretär Kellner erklärte am Montag, erst wenn das kasachische Öl über die belarussischen Grenze nach Polen gelange, könne man sicher sein, dass es auch wirklich in Schwedt eintreffe.

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