Nie mehr »stille Nacht« in Leipzig

Aktionsbündnis will Pläne von DHL für Flughafenausbau nicht akzeptieren und kündigt Klage an

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

In Leipzig wird über einen Namen für den Flughafen debattiert. Bisher wurde vorgeschlagen, ihn nach dem in Halle geborenen FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher zu benennen oder nach Anton Wilhelm Amo, dem 1734 dort promovierten ersten deutschen Philosophen afrikanischer Herkunft. Nun wurde mit Christian Führer ein Leipziger ins Spiel gebracht. Ob dem 2014 verstorbenen früheren Pfarrer der Nikolaikirche die Patenschaft lieb wäre, steht zu bezweifeln. Ein Aktionsbündnis gegen den Flughafenausbau spricht von »Realsatire« und schlägt eine ehrlichere Benennung als »DHL-Flughafen« vor, weil er das »ja im Grunde bereits ist«.

Tatsächlich spielt der Flughafen vor allem als Frachtdrehkreuz eine Rolle, seit sich 2008 die einstige Posttochter DHL hier ansiedelte. Allein von 2020 bis 2021 stieg das Frachtaufkommen um 15 Prozent auf 1,6 Millionen Tonnen; seit 2007 hat es sich fast verzehnfacht. In Deutschland ist Leipzig heute die Nummer 2, in Europa die Nummer 4. Frachtunternehmen halten weitere Zuwächse für möglich, weswegen sie auf einen Ausbau des Flughafens drängen. Entsprechende Planungsunterlagen der Mitteldeutschen Flughafen AG liegen seit Mitte 2021 bei der Landesdirektion Sachsen als zuständiger Genehmigungsbehörde.

Für den Fall, dass sie den Ausbauwünschen stattgibt, kündigt das Aktionsbündnis schon einmal rechtliche Schritte an. »Wir werden dagegen klagen«, sagt Sprecher Matthias Zimmermann »nd«. Das Bündnis verweist auf Folgen für das Klima – in Leipzig lägen die CO2-Emissionen je Start oder Landung deutlich höher als etwa in Frankfurt oder Berlin – und auf gravierende gesundheitliche Folgen für Anwohner. Mit dem Ausbau soll die Zahl der Flugbewegungen von 70 000 auf 118 000 im Jahr steigen, ein Drittel davon in der Nacht. In Leipzig gilt, anders als an fast allen anderen deutschen Airports, eine 24-Stunden-Flugerlaubnis. Nachtfluggegner sprechen von der »lautesten stadtnahen nächtlichen Lärmquelle Deutschlands«. Betroffen sind Schätzungen zufolge 1,5 Millionen Menschen, für die es eine »stille Nacht« selbst zu Weihnachten nicht gibt.

Die Bürgerinitiativen wagen nach Angaben Zimmermanns keine Prognose dazu, wie die Landesdirektion entscheidet – anders als Elio Curti, der Chef der Leipziger DHL-Niederlassung. Er hatte kürzlich in einem Interview erklärt, man rechne fest mit der Erweiterung, und den berechtigten Interessen der Anwohner jene der Gesellschaft gegenübergestellt, wozu er auf 7000 direkte und 25 000 indirekte Arbeitsplätze verwies. Zimmermann kündigte an, die Ausbaugegner wollten diese Behauptung eines »Jobwunders« bei einer öffentlichen Aktion Mitte Januar hinterfragen. Diese soll in Leipzigs Innenstadt stattfinden, denn »es wird für uns immer schwerer, in der Nähe des Flughafens zu agieren«. Seit das Bündnis »Cancel LEJ« 2020 eine von dessen Zufahrten blockiert und es Festnahmen und Anzeigen gegeben habe, sei »die Gegenseite sehr nervös geworden«.

Unklar ist bisher, wann die Behörde entscheidet. Angesichts von rund 6500 Einwendungen von Anwohnern und Anrainerkommunen rechnet Zimmermann mit einer zeitaufwändigen Prüfung, die 2023 nicht abgeschlossen sein wird. Den Gegnern des Ausbaus sei das recht, weil dieser damit nicht beginne und sich gleichzeitig die Haltung zum Fliegen und zu dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt weiter wandle. Im Fall einer Ablehnung erwartet Zimmermann nicht, dass DHL mit Wegzug reagiert – anders als 2008, als das Unternehmen aus Brüssel abzog, weil ein Ausbau nicht genehmigt worden war. »Wir kriegen DHL hier nicht mehr weg«, sagt er nüchtern und fügt an: »Was wir aber brauchen, ist ein Ausbaumoratorium.«

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