Schlimmste Strafe: Isolation

Wir dürfen die Lebensrealität Gefangener nicht verdrängen, auch wenn das Haftsystem versucht, sie zu isolieren.

Rote Backsteinmauern, oben Stacheldraht und an den Ecken des fensterlosen Ungetüms Wachtürme, die in den Himmel ragen: Das Gefängnis in Moabit lässt sich kaum übersehen, zwischen Altbauwohnungen und kleinen Geschäften steht es da wie ein Fremdkörper. So sichtbar der Ort der Bestrafung ist, so unsichtbar sind seine Bewohner*innen. Welche Menschen da hinter Gittern sitzen, weshalb sie ihre Freiheit einbüßen, diese Geschichten werden selten erzählt.

Häftlinge werden nicht nur räumlich isoliert. Einmal hinter Gittern, verlieren sie ihre sozialen Bezüge, werden aus der Öffentlichkeit und damit aus der Gesellschaft verbannt. Nach einer Haftstrafe soll die sogenannte Resozialisierung für neue Triebe eines entwurzelten Lebens sorgen. Doch die Zahlen zeigen, dass einmal herausgerissene Menschen nur schwer in die soziale Verankerung zurückfinden. 60 Prozent aller Berliner Strafgefangenen und Sicherheitsverwahrten sind vorbestraft, ein Großteil saß bereits im Knast.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Gefängnisse dienen selten dem Schutz der restlichen Gesellschaft. Am 28. Dezember 2022 sitzen 3391 Menschen in Berliner Haftanstalten – 266 von ihnen wegen Ersatzfreiheitsstrafen. Ihr Vergehen war es, arm zu sein, sie müssen Geldstrafen mit ihrer Freiheit bezahlen. Sie und andere Kleinkriminelle einzusperren, ändert nichts an den sozialen Strukturen, die Menschen zu Gesetzesbrecher*innen machen. Nachhaltige Prävention und Sicherheit für alle sieht anders aus.

Solange das Gefängnis als bedrohlicher Klotz Schauergeschichten von bösen Verbrecher*innen erzählt, solange kann der Rest der Gesellschaft die Lebensrealität von Häftlingen entspannt verdrängen. Das Unrecht und die Gewalt, die Gefangene erfahren, kommt dementsprechend selten ans Licht. Selbst im Fall von Ferhat M., der in der JVA Moabit in seiner Zelle verbrannte, verschleppten die Behörden die Aufklärung. Umso wichtiger ist es, immer wieder mit Demonstrationen und Solidaritätsaktionen daran zu erinnern: Da sitzen echte Menschen, wir dürfen sie nicht vergessen.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal