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Geschichtsvergessener Akt
Antimonarchistin Karlen Vesper hält nix von Katharinas Sturz
»Hier atmet man ganz Europa«, urteilte Puschkin über Odessa, wo er Zuflucht vor zaristischen Gesinnungsschnüfflern fand. In »Eugen Onegin«, dem russischen Nationalepos guthin, preist er Freiheitsgeist und Toleranz der Odessiten, ein buntes Völkergemisch seit jeher.
In Kriegszeiten stirbt nicht nur die Wahrheit, auch die Toleranz. Zum Ausklang des alten Jahres wurde in Odessa die Statue von Katharina II., »die Große«, gestürzt. Man mag Monumente für Monarchen nicht mögen, aber die aufgeklärte Zarin deutschen Geblüts, die mit Voltaire im Briefwechsel stand, Diderot zu sich an den Hof holte, Wissenschaft, Kultur und Volksbildung förderte, im Zuge der Entrussifizierung vergessen machen zu wollen, ist Unfug. Sie legte 1794 den Grundstein für Odessa. Freilich im Gefolge eines Waffengangs und für künftige. Der Stil der von ihr aus ganz Europa herbeigerufenen Architekten prägen das Antlitz der Perle am Schwarzen Meer. Mit Odessa verbinden sich Namen russischer Geistesriesen wie Tschaikowski, Rimski-Korsakow, Kandinsky, Repin und Eisenstein sowie den dort geborenen Isaak Babel. Will man auch deren Spuren tilgen? Und Puschkins Museum schließen? Ins Visier der Nationalisten ist bereits das Bulgakow-Haus in Kiew geraten.
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