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Keine Wohnung wegen »sozialer Mischung«

Landeseigene Wohnungsunternehmen vergeben ihre Wohnungen zum Teil intransparent

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt macht nicht vor den landeseigenen Wohnungsbauunternehmen halt. Das zeigt die Antwort der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung auf eine schriftliche Anfrage von Elif Eralp, antidiskriminierungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. 39 Beschwerden zu diskriminierenden Situationen auf dem Wohnungsmarkt gingen demnach in den vergangenen zwei Jahren bei der »Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung« ein, 18 davon standen im Zusammenhang mit Landeswohnungsunternehmen. Von den 366 Anfragen, die die Berliner Antidiskriminierungsfachstelle »Fair mieten – Fair wohnen« 2021 und 2022 erreichten, bezogen sich 59 Fälle auf Erfahrungen mit den landeseigenen Firmen.

Unterteilt man nach Diskriminierungsmerkmalen, zeigt sich, dass es dabei mehrheitlich um Benachteiligung aufgrund »ethnischer Herkunft« und Rassismus geht. Diese Zahlen entsprechen bundesweiten Testing-Studien, die zum Beispiel gleiche Wohnungsbewerbungen einmal mit deutschem und einmal mit türkischem Nachnamen verschickten und dabei auf massive Diskriminierung stießen.

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Die landeseigenen sind wie alle Unternehmen an das bundesweit geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gebunden. Die Umsetzung von Antidiskriminierungsmaßnahmen fällt allerdings unterschiedlich aus: Nur die WBM, Degewo und Howoge nutzen etwa Zufallsgeneratoren bei der Auswahl von Wohnungsinteressenten. Die Gesobau sieht einen ähnlichen Effekt durch das Terminbuchungssystem gewährleistet, bis zur Einladung setzt auch die Gewobag auf Zufall. Doch was danach geschieht, liegt in den Händen von Mitarbeitenden, die aus allen vollständigen Bewerbungen die Glücklichen auswählen – nach intransparenten Kriterien: So gibt etwa die Gesobau an, dass bei ihren Vermietungen »eine sozial ausgewogene Verteilung der Wohnberechtigten unter Beachtung der Berliner Mischung« stattfindet. Was »Berliner Mischung« genau bedeutet, schreibt sie nicht.

Das kritisiert Eralp. »Dieser Rechtfertigungsgrund bietet oft ein Einfallstor gerade für die rassistische Diskriminierung oder solche aufgrund des sozialen Status«, schreibt die Linke-Politikerin in einer Stellungnahme, die »nd« vorliegt. Zwar betont die Senatsverwaltung, dass die gezielte Auswahl von neuen Mieter*innen nur als Instrument dienen dürfe, um diskriminierte Gruppen zu fördern. Doch Eralp fragt sich, ob die Landeseigenen diese Position tatsächlich teilen. »Daher sollte Paragraf 19 Absatz 3 AGG bei der anstehenden AGG-Reform unbedingt gestrichen werden«, so Eralp. Dieser Gesetzesteil erlaubt aktuell eine Ungleichbehandlung im Namen der sozialen Zusammensetzung.

Die Wohnungsvergabe läuft zwar derzeit nicht einheitlich ab, dennoch gibt es Maßnahmen, die für alle Landeseigenen gelten. Laut Justizverwaltung würden grundsätzlich keine Daten zu Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Sprachkenntnissen, Religionszugehörigkeit oder phänotypischen Merkmalen erhoben und dürften demnach vor einem Besichtigungstermin keine Rolle spielen. Außerdem würden Mitarbeitende der Wohnungsunternehmen regelmäßig zum AGG geschult.

Eralp reicht das nicht aus. »Gerade Unternehmen in öffentlicher Hand müssen ihre Vorbildfunktion erfüllen. Sie sollten sich um eine diskriminierungsfreie Vermietungspraxis bemühen, wozu auch die Veröffentlichung von Vergabekriterien gehört.« Sie hofft, dass die Unternehmen bald das Leitbild »Berlin vermietet fair!« unterschreiben, das von der Fachstelle »Fair mieten – fair wohnen« entwickelt wurde.

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