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  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Weniger Miete soll möglich sein

Eine neue Studie zeigt: Vergesellschaftung senkt die Miete und schafft mehr Sozialwohnungen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.
Durch die Vergesellschaftung könnten vor allem in der Innenstadt mehr Wohnungen an Mieter mit WBS vergeben werden.
Durch die Vergesellschaftung könnten vor allem in der Innenstadt mehr Wohnungen an Mieter mit WBS vergeben werden.

Die Vergesellschaftung könne die Miete von 200 000 Haushalten um durchschnittlich 16 Prozent senken. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebene Studie der Stadtforscher Matthias Bernt und Andrej Holm. Für die Studie haben sie die Geschäftspraktiken der sechs größten privaten Wohnungskonzerne mit einem Bestand von etwa 222 000 Wohnungen der Bewirtschaftung von landeseigenen Wohnungsunternehmen gegenübergestellt. »Es geht darum, die möglichen sozialen Effekte der Vergesellschaftung darzustellen, ohne in ein Wünsch-dir-was abzugleiten«, sagte Holm bei der Vorstellung der Studie am Dienstag. Gleichwohl basieren die Ergebnisse auf einigen erwünschten Voraussetzungen.

Drei dieser positiven sozialen Effekte sehen die Autoren bei einer Vergesellschaftung der Berliner Bestände großer profitorientierter Unternehmen, wie sie der an der Wahlurne erfolgreiche Volksentscheid zum Ziel hat, als möglich. Neben einer Mietentlastung sind das zum einen jährlich etwa 7000 Wohnungen, die zusätzlich Wohnungssuchenden mit Wohnberechtigungsschein (WBS) angeboten werden könnten, wenn 63 Prozent der vergesellschafteten Wohnungen an WBS-Berechtigte vergeben werden. Eine Quote, die die Kooperationsvereinbarung mit dem Senat für die Landeseigenen vorsieht und die diese auch knapp einhalten.

Zum anderen würde die Vergesellschaftung auch der räumlichen Spaltung in der Stadt entgegenwirken, weil die privaten Bestände sich vor allem in den Innenstadtbezirken konzentrieren, wo Mietsenkungen gerade für Entlastungen sorgen würden. Währenddessen konzentrieren sich die Bestände und der Neubau der Landeseigenen vor allem am östlichen Stadtrand. Mit der Vergesellschaftung könnte der öffentliche Bestand in Teilen von Moabit, Kreuzberg oder Nordneukölln fast verdoppelt werden, zeigt die Studie.

Grundannahme dieser ist, dass solides Wirtschaften auch zu den Konditionen der landeseigen Wohnungsunternehmen möglich ist, die gleichwohl für die Mieter besser sind als bei den Wohnungskonzernen. So liegt die durchschnittliche Miete bei den großen Privaten mit 7,63 Euro pro Quadratmeter nettokalt auch mehr als einen Euro über denen der Landeseigenen. Außerdem investieren letztere deutlich mehr in die Instandhaltung ihrer Bestände als die Privaten.

Gehe man davon aus, dass die Mietgestaltung nach der Vergesellschaftung zu den Bedingungen der Landeseigenen erfolgt, wären laut den Autoren zwei Modelle möglich. Einerseits ist das die Absenkung der Mieten auf den Durchschnitt von 6,29 Euro pro Quadratmeter bei den Landeseigenen, womit je nach Unternehmen Mietsenkungen zwischen 45 und 160 Euro je Wohnung möglich wären. Andererseits wäre auch ein Mietenstoppmodell denkbar, bei dem die Mieten in den vergesellschafteten Wohnungen eingefroren werden. In diesem Modell würden bei der Fortschreibung der aktuellen Entwicklung die Mieten bei den Wohnungen der Landeseigenen durch die Erhöhungen bei der Neuvermietung nach 2030 auf dem Niveau der vergesellschafteten Wohnungen liegen.

Diese Berechnung beruht auf einigen Bedingungen wie unter anderem der Fortsetzung des Mieterhöhungsstops bei den Landeseigenen, der zunächst bis Ende 2023 vereinbart ist und bei dem das Land die Wohnungsunternehmen mit elf Millionen Euro unterstützt. Die Studie geht insgesamt von einigen Annahmen aus. So klammern die Berechnungen die Frage nach der Entschädigungshöhe bewusst aus, weil diese sich bisher nicht seriös bestimmen lasse. Die Entschädigung ist aber relevant für die Mietberechnung der möglicherweise vergesellschafteten Wohnungen. »Je niedriger die Entschädigung der Immobilienkonzerne ausfällt, desto günstiger werden die Mieten in Berlin«, sagt auch Gisèle Beckouche, Sprecherin der Vergesellschaftungsinitiative. Denn die Entschädigung müsste kreditfinanziert gestemmt und aus den Mieteinnahmen getilgt werden. Angesichts der gegenwärtigen Zinsentwicklung wären bei einer vergleichsweise hohen Entschädigungssumme Mietsenkungen kaum realistisch.

Was die Studie ebenfalls unbeantwortet lässt, ist die Frage nach den Veränderungen bei den Bewirtschaftungskosten, die sich aus der auch von der Initiative vorgeschlagenen Institution einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) ergibt. In der juristischen Debatte wird immer wieder betont, dass bei der Vergesellschaftung die Wohnungsbestände nicht einfach in einen anderen privaten Besitz überführt werden können, wie es bei der Enteignung der Fall ist, sondern diese stattdessen gemeinwirtschaftlich verwaltet werden müssen. Denkbar ist, dass bei einer AöR mit weitreichenden Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeiten die Bewirtschaftungskosten auch höher liegen als bei den landeseigenen Aktiengesellschaften und GmbHs, die, wo es ihnen möglich ist, wie die Privatwirtschaft gewinnorientiert agieren.

Ein Beispiel sind die Arbeitsbedingungen bei den Landeseigenen. Am Dienstag sind Beschäftigte bei der Fletwerk GmbH in einen Warnstreik getreten. Für ihren Hauptauftraggeber, die landeseigene Gewobag, übernehmen sie Dienstleistungen wie Hauswartservice und Sanierung. Mitte Dezember scheiterten zuletzt Lohnverhandlungen. »Die Gewobag fährt seit Jahren einen Kurs, dass alles billiger werden muss. Das müssen die Beschäftigten am Ende ausbaden. Fletwerk als Auftragnehmer ist mit den aufgerufenen Preisen kaum in der Lage, ordentliche Löhne zu zahlen«, hieß es von Verdi-Verhandlungsführerin Carla Dietrich am Dienstag. Auch die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen hatte dieses Outsourcing immer wieder kritisiert. Andrej Holm argumentiert auf Nachfrage, dass die Bewirtschaftung der Wohnungsbestände bei den Landeseigenen dennoch als Referenz für die Bewirtschaftung der zu vergesellschaftenden Bestände taugt. »Die Landeseigenen erwirtschaften trotz ihrer niedrigeren Mieten einen Überschuss in dreistelliger Millionenhöhe, der für faire Arbeitsbedingungen verwendet werden könnte.« Diese ständen damit Mietsenkungen nicht entgegen.

Die Debatte um mögliche Mietsenkungen hatte im Sommer für einige Aufregung gesorgt nach einer öffentlichen Sitzung der vorrangig juristischen Expertenkommission, die über die Vergesellschaftung berät. Vonseiten der Initiative war immer wieder zu hören, dass die Vergesellschaftung die Mieten senken werde. Nachdem es von Deutsche Wohnen & Co enteignen in der Anhörung hieß, dass dieser Effekt nicht »flächendeckend« eintreten würde, tönten Konservative von falschen Versprechen der Vergesellschaftungsaktivisten. Die Initiative betonte, dass lediglich überhöhte Mieten in den zu vergesellschaftenden Beständen abgesenkt, während andere lediglich eingefroren werden sollen, weil sie nicht überhöht wären. Die Anteile seien gleich verteilt.

Was die Studie zweifelsohne zeigt, ist der starke Kontrast zwischen der Bewirtschaftung von Wohnungsbeständen bei den privaten Wohnungsunternehmen und denen in öffentlicher Hand. Zum Geschäftsmodell insbesondere von börsennotierten Immobilienkonzernen gehört es, die Mieten zu erhöhen, um eine möglichst hohe Dividende auszahlen zu können und dadurch den Wert des eigenen Unternehmens zu steigern, verdeutlicht Niklas Schenker, Mietenexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, den Unterschied: »Wird dieses Geschäftsmodell durch Vergesellschaftung durchbrochen, können Mieten gesenkt werden.«

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