Sport frei an der Universität Potsdam

Studierende errangen 2022 bei nationalen und internationalen Wettkämpfen 35 Medaillen

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.

Nicht einfach ist es, im Studium die Prüfungen zu bestehen und daneben das Training eines Spitzensportlers zu absolvieren. Rund 50 unter den Studierenden der Universität Potsdam kämpfen mit diesen Schwierigkeiten. »Dann sollen sie nicht auch noch arbeiten müssen«, meinte Universitätspräsident Professor Oliver Günther am Dienstagabend in seinem Grußwort zum 7. Sportempfang der Hochschule. Er setzte hinzu: »Manche tun aber auch das noch.«

In der Frage, wie diese »spezifischen Nachteile« wettzumachen seien, verwies der Universitätspräsident auf das »duale Studium«. Diese Bezeichnung »haben wir etwas geklaut«, gab er zu. Der Begriff beziehe sich ursprünglich auf ein Studium, das mit einer Praxisausbildung kombiniert werde. Hier aber bedeute er, wirkungsvoll dabei mitzuhelfen, Studium und Leistungssport unter einen Hut zu bringen. Der Präsident sicherte zu, dass die Leitungsebene der Universität für diese Probleme sensibilisiert sei. Die Universitätsgesellschaft nehme sich des Themas an. Tatsächlich ist via Internet das Hören von Vorlesungen inzwischen auch aus dem Ausland möglich – im Trainingslager oder in einer Wettkampfpause.

Günther sprach von der zurückliegenden Zeit der Corona-Pandemie, in der der Hochschulsport gemeinsam mit dem gesamten akademischen Leben gelitten habe. Gerade den Sport »hat es sehr erwischt«, sagte er. Umso größer die Freude darüber, dass im vergangenen Jahr wieder eine Reihe von nationalen Wettkämpfen (Hochschulmeisterschaften), aber auch internationalen Wettkämpfen (Weltmeisterschaften und Weltcups) stattfinden konnte, bei denen sich Sportlerinnen und Sportler der Universität Potsdam hervorgetan haben, wie Günther berichtete. Rund 100 Studierende hatten sich an solchen Wettkämpfen beteiligt. »Wir sind stolz auf das, was sie leisten«, versicherte der Universitätspräsident. Die Ausbeute: 35 Medaillen – elfmal Gold, zwölfmal Silber und zwölfmal Bronze.

Günther stellte in Einzelfällen Stipendien in Aussicht. Freilich konnte er den jungen Menschen nicht anbieten, worauf in der DDR jeder Student ein Recht hatte: ein staatliches Stipendium unabhängig vom Einkommen der Eltern, von dem der Student Unterkunft, Mahlzeiten, Heimfahrten und noch einiges mehr bezahlen konnte. Auch ist die heutige Lage von der damaligen insofern unterschiedlich, als Sport bis 1990 an den ostdeutschen Hochschulen ein Pflichtfach mit Note auf dem Zeugnis war.

»Sport ist ein großes Thema«, sagte Günther. Das gelte sowohl für den Leistungs- als auch für den Breitensport. Fast jeder zweite Studierende in Potsdam – also rund 9000 – gibt sich im Universitätssportverein einer Leibesübung hin. Beim Empfang säumten Tafeln den Veranstaltungsort Reithalle/Audimax mit Kurzporträts junger sportbegeisterter Universitätsangehöriger. Sie lobten übereinstimmend die Vielfalt des sportlichen Angebots, die räumliche Nähe zu den Sportstätten und die Schönheit des Campus am Schlosspark von Sanssouci. Ihres bedeutenden Einsatzes für den Sport wegen wurde die Universität zur »Partner-Hochschule des Spitzensports« ernannt.

Geehrt wurden bei dem Empfang Sieger wie die Boxerin Zeina Nassar und und die Schwimmerin Verena Schott. Zaina Nassar ist in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen. Sie studiert in Potsdam Erziehungswissenschaften und Soziologie. 2018 gewann sie in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm die deutsche Meisterschaft im Profiboxen. Da sie mit einem muslimischen Kopftuch in den Ring steigt und dies den internationalen Bekleidungsvorschriften für den Boxsport widersprach, wurde ihr einst die Teilnahme an den U22-Europameisterschaften verwehrt. Sie und ihre Trainerin nahmen das nicht hin. Auf ihren Druck hin wurden die Regeln 2019 geändert, sodass nun auch Frauen mit Kopftuch antreten dürfen.

Die 33-jährige Verena Schott, die aus Greifswald stammt, studiert an der Universität Potsdam Biologie und Chemie. Inkomplett querschnittsgelähmt startete sie bei den Paralympics 2012 in London, 2016 in Rio und 2021 in Tokio und will auch 2024 in Paris dabei sein. In London gewann sie eine Silbermedaille, in Tokio zwei Bronzemedaillen. Außerdem war sie 2015 und 2019 Weltmeisterin und 2018 Europameisterin.

Eine kleine Prämie als beste Nachwuchssportlerin bekam Isabelle Zanin, die ursprünglich Gerätturnerin war, später in den Kanadier wechselte und bei der U23-Weltmeisterschaft in Ungarn auf der 5000-Meter-Strecke den ersten Platz belegte. Daneben nahmen Aktive im Gerätturnen, Bobfahren, Rudern, Leichtathletik und anderen Disziplinen ihre Ehrung entgegen.

Die bedeutendste im vergangenen Jahr in Potsdam ausgerichtete Sportveranstaltung war die nationale Judo-Hochschulmeisterschaft, an der acht Potsdamer Studierende teilgenommen hatten. Während früher die Unsicherheit demgegenüber bestand, ob die Mehrzahl Judoka oder Judokas lautet, liegen die sprachlichen Stolpersteine heute an anderer Stelle. »Wie gendert man Judoka?«, frage Professor Günther launig. Er deutete damit an, dass die Ausrichtung eines solchen Empfangs in unseren Tagen nicht zuletzt auch eine sprachliche Herausforderung bedeutet. Denn was die geschlechtergerechte Sprache betrifft, sind die akademischen Einrichtungen Hochburgen, um nicht zu sagen Speerspitzen. Wenn der Präsident noch von »Sportlerempfang« sprach, kam er dabei vermutlich gar nicht auf den Gedanken, dass damit weibliche Aktive mit gemeint, aber nicht mit genannt sein könnten. So hieß es im Hintergrundbild der Veranstaltung und auf dem großen Abschlussbild nicht von ungefähr »Sportempfang«. Das ist zwar, genau genommen, nicht korrekt, aber das Wortungetüm »Sportlerinnen-und-Sportler-Empfang« wurde so vermieden.

Der Sportbereichsleiter der Stadt Potsdam, Torsten Gessner, freute sich darüber, dass das Stadtbild von jungen Menschen geprägt sei und die Universität dazu beitrage, dass Potsdam eine »junge, pulsierende Stadt« sei. Mit rund 20 000 Eingeschriebenen studieren an dieser Universität fast so viele junge Menschen wie an allen übrigen Hochschulen des Landes Brandenburg zusammengenommen. Neben einer stetigen Zunahme der Studierendenzahl war aber auch zu beobachten, dass die meisten innerstädtischen Wissenschaftsstandorte in den vergangenen drei Jahrzehnten an den Stadtrand gedrängt wurden. Gessner verabschiedete sich übrigens mit dem mancherorts inzwischen verpönten, aber mitunter noch gebräuchlichen Ruf: »Sport frei!«

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