Werbung
  • Sport
  • Fußball der Frauen

Die Bundesliga bietet viele Chancen – und eine Gefahr

Die Liga wächst, aber langfristig darf sich nicht alles auf den VfL Wolfsburg und Bayern München konzentrieren

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Es knallt meist nur so richtig, wenn Svenja Huth und ihre Wolfsburgerinnen spielen. Das Team ist in der Liga ungeschlagen, die Meisterschaft scheint entschieden.
Es knallt meist nur so richtig, wenn Svenja Huth und ihre Wolfsburgerinnen spielen. Das Team ist in der Liga ungeschlagen, die Meisterschaft scheint entschieden.

Tommy Stroot steht seit einiger Zeit auf der Bremse. Immer wieder erreichen den Trainer der Fußballerinnen des VfL Wolfsburg vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs der Frauen-Bundesliga Fragen, ob erstmals eine Saison mit 22 Siegen möglich sei. Stroot macht da nicht mit. »Grundsätzlich erscheint es total unrealistisch, eine komplette Saison ohne Punktverlust bleiben zu können. Irgendwann werden auch mal Rückschläge kommen«, beteuert der 34-Jährige.

Sein erfolgshungriges Ensemble um Nationalteam-Kapitänin Alexandra Popp, EM-Heldinnen wie Merle Frohms, Kathrin Hendrich, Lena Oberdorf oder Svenja Huth hat 2022 in Liga und Pokal alle 26 Spiele gewonnen. Die Dominanz des Titelverteidigers und Tabellenführers mit fünf Punkten vor dem FC Bayern und sieben vor Eintracht Frankfurt wirkt so erdrückend, dass Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann, der interimsmäßig auch der Deutschen Fußball-Liga vorsteht, schon unkte, die Wolfsburger Übermacht sei »nicht gut für das Sport-Produkt Frauenfußball«. Der gewichtige Macher aus der Mainmetropole führte aus: »Wenn man wirklich den Frauenfußball zu einem spannenden Wettbewerb entwickeln will, dann ist die Ergebnisoffenheit der Meisterschaft das, was passieren muss. Und der größte Webfehler wäre, wenn das am Ende ein Abbild der Männer-Bundesliga wäre in zehn Jahren.«

Die Bemerkung kam in der Autostadt im Allgemeinen und bei Stroot im Besonderen gar nicht gut an. »Irgendwann kommt die Diskussion, der deutsche Frauenfußball sei nicht mehr gut genug im internationalen Vergleich. Wir sollten nicht oben weiter sparen und die Latte anders legen, sondern von unten nachschieben«, erklärte der VfL-Coach. In den letzten zehn Jahren wurden siebenmal Wolfsburg und dreimal Bayern Deutscher Meister. Im Pokal schnappten sich die »Wölfinnen« sogar achtmal hintereinander die Trophäe. Für Stroot ist der »entscheidende Faktor, dass die Liga sich entwickelt«. Für ihn sind auch die TSG Hoffenheim und der SC Freiburg, der am letzten Hinrundenspieltag an diesem Samstag in Wolfsburg gastiert, nicht so weit weg.

In einem Testspiel kassierte der VfL mit dem 2:3 gegen Frankfurt immerhin eine Niederlage. Und der FC Bayern hegt durchaus noch Hoffnungen. »Für alle wird es noch eine lange Saison, und der Meistertitel ist noch nicht vergeben«, betonte die Sportliche Leiterin Bianca Rech. Die Münchnerinnen um die englische Europameisterin Georgia Stanway absolvierten gleich zwei Winter-Trainingslager in Katar und Mexiko. »Insgesamt geht es für uns immer um Weiterentwicklung und dass wir besser in dem werden, was wir täglich tun. Es waren gute Wochen für uns«, sagte Trainer Alexander Straus. Den einzigen Härtetest verlor das Team aber mit 0:1 gegen Tigres Feminil – vor immerhin 35 000 Zuschauern. Den Auftakt bestreiten die FCB-Fußballerinnen bei Schlusslicht Turbine Potsdam am Sonntag. Ein Traditionsverein, der aus der Liga zu verschwinden droht.

Die Zeiten sind vorbei, dass reine Frauenvereine national und international wettbewerbsfähig sind. Im Viertelfinale der Champions League stehen wieder Wolfsburg und Bayern, während Frankfurt bereits in der Qualifikation strauchelte, obwohl auch die Eintracht mit Laura Freigang, Sjoeke Nüsken, Sophia Kleinherne und Nicole Anyomi deutsche Nationalspielerinnen hat. Wolfsburg und Bayern bieten sportlich und wirtschaftlich die besten Perspektiven.

Als Nächste wechselt Chantal Hagel aus Hoffenheim im kommenden Sommer ablösefrei nach Wolfsburg. Die Topklubs rüsten ihre Kader für die gestiegene Belastung auf, müssen zudem immer höhere Gehälter zahlen, um auf Augenhöhe mit FC Chelsea, FC Barcelona, Olympique Lyon oder Paris St. Germain zu bleiben. In den zwei Topvereinen finden die Spielerinnen jene professionellen Bedingungen vor, die es (noch) nicht an allen Standorten gibt. Fakt ist aber auch: Die Frauen-Abteilungen sind für Lizenzvereine weiterhin ein Zuschussgeschäft. Daher ist der von den DFB-Frauen mit der EM in England angestoßene Hype wichtig, um die Vermarktung zu verbessern. Auch ein neuer TV-Vertrag ab der kommenden Saison verheißt hier Besserung und bringt dann pro Saison knapp mehr als fünf Millionen Euro, die unter den zwölf Bundesligaklubs gleich verteilt werden.

Vereine und Verband haben mit Highlight-Spielen einige geschickte Doppelpässe gespielt, in Frankfurt, Wolfsburg und Bremen kamen jeweils mehr als 20 000 Zuschauer, aber auch in der Breite hat sich der Zuspruch deutlich erhöht: 183 477 Besucher an den ersten zehn Spieltagen, im Schnitt 3058, sind schon jetzt ein Bestwert. Zum Vergleich: In der bisherigen Rekordsaison 2013/2014 waren es nach 22 Runden insgesamt 173 438 Fans. In der Vorsaison kamen 107 071 Fans in die Stadien, nur gut 800 im Schnitt. Die Resonanz hat sich also fast verdreifacht.

Nach einer DFB-Studie könnte das kommerzielle Wachstum in den nächsten zehn Jahren daher enorm hoch sein: Demnach würde es im Jahr 2031 bestenfalls eine Liga mit 16 Lizenzvereinen geben, die im Schnitt vor 7500 Zuschauern spielt und 130 Millionen Euro in einer Saison umsetzt. Und dann soll es auch 500 000 aktive Spielerinnen geben, aktuell sind es 186 000. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist über den Effekt ihrer Vize-Europameisterinnen erfreut: »Das Schönste ist, dass diese EM nachwirkt – mehr Zuschauer in der Frauen-Bundesliga und Women’s Champions League, die tolle Kulisse bei unserem Länderspiel in Dresden sowie vor allem die zahlreichen Neuanmeldungen von Mädchen und Jungen in Amateurvereinen.«

Inzwischen haben viele Lizenzvereine erkannt, dass die professionelle Förderung von Männern wie Frauen ein gesellschaftlicher Auftrag ist. Selbst wenn es immer noch Klubs gibt, die auch hier auf der Bremse stehen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal