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  • DFB-Pokalfinale der Frauen

Abwechslung sieht anders aus

Wolfsburgs Fußballerinnen gewinnen den Pokal gegen frappierend unterlegene Potsdamerinnen

  • Andreas Morbach, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Wolsfburgs Sveindis Jonsdottir (o.) zeigte eindrucksvoll, um wie viel der VfL seine Gegnerinnen in Deutschland derzeit überragt.
Wolsfburgs Sveindis Jonsdottir (o.) zeigte eindrucksvoll, um wie viel der VfL seine Gegnerinnen in Deutschland derzeit überragt.

Die beiden Trainer hatten ihre Kommentare zum deutlichen Pokalerfolg der Wolfsburgerinnen längst abgegeben, als eine gute Stunde nach Abpfiff schließlich auch Almuth Schult auf dem Podium Platz nahm. In der linken Hand hielt die Torhüterin des VfL Wolfsburg eine Flasche Bier, entschuldigte sich mit dem Hinweis auf ein paar verdrückte Pizzastücke in der Siegerinnenkabine für ihre Verspätung – und rekapitulierte dann den jüngsten Cup-Triumph des Teams vom Mittelandkanal.

Mit dem klinisch reinen 4:0 gegen Turbine Potsdam durch Treffer von Ewa Pajor (11., 32.), Jill Roord (42.) und Dominique Janssen (69.) hatte Wolfsburg den nationalen Pokal gerade zum achten Mal en bloc und zum neunten Mal seit dem Premierenerfolg 2013 gewonnen. Abwechslung sieht anders aus – aus ihrer Warte genoss Schult neben dem Bier aber lieber erst mal den Likör, den die Teamkollegin Alexandra Popp immer von ihrem Stamm-Italiener mit zum Endspiel nach Köln bringt. »Pokalfinale – das ist für uns mit dem Geschmack von Meloncello verbunden«, summte die 31-jährige Schult, die nach der EM in England im August zu Angel City in die US-Profiliga wechselt.

Als Kickerin nirgendwohin mehr wechseln wird Turbines Isabel Kerschowski. Die 34-jährige gebürtige Ost-Berlinerin wurde nach dem letzten Spiel ihrer Karriere von vielen ihrer früheren Wolfsburger Mannschaftskolleginnen innig geherzt – und resümierte danach betrübt ihr persönliches Finale: »Schade, dass es so rausgekommen ist. Ich bin der Meinung, die Niederlage ist um zwei Tore zu hoch ausgefallen.«

Das Leistungsgefälle zwischen den von Tommy Stroot trainierten Double-Gewinnerinnen aus Niedersachsen und den Ligavierten aus Potsdam war allerdings frappierend. Eine Tatsache, die in Sofian Chahed sehr gemischte Gefühle auslöste. Der frühere defensive Mittelfeldakteur, der für Hertha BSC und Hannover 96 in der Bundesliga spielte, ist seit Sommer 2020 der verantwortliche Coach bei Potsdam – und riskiert dabei gerne auch mal einen wohlwollenden Blick, wenn Wolfsburg den deutschen Frauenfußball in der Champions League vertritt. »Ich freue mich, wenn der VfL international spielt und dort auch mal Barcelona schlägt. Da lacht mein Fußballerherz«, versichert Chahed, erwähnt andererseits jedoch: »In der Liga würde ich mir einen ausgeglicheneren Wettbewerb wünschen.« Die Absteiger aus der Bundesliga zum Beispiel, so seine Beobachtung, seien ohne Chance, würden immer zu Recht absteigen. Und für Turbine gelte: »Wir als Verein müssen schauen, dass wir den Anschluss nicht verlieren, wenn der Zug losfährt.«

Neben der Vorwarnung für die Zukunft blickt Turbines Übungsleiter allerdings auch auf eine zufriedenstellende Gegenwart: »Wir haben eine gute Saison gespielt, für unsere Möglichkeiten das Maximale herausgeholt«, befand Chahed und führte zur Verdeutlichung die Rahmenbedingungen der beiden Finalisten an: »Wenn man sieht, wer bei Wolfsburg auf der Bank saß oder gar nicht mehr im Kader war – diese Spielerinnen hätten wir alle mit Kusshand genommen.«

Weniger freundlich äußerte sich der viermalige tunesische Nationalspieler über den Ausflug von Almuth Schult vor das Potsdamer Tor, drei Minuten vor Spielende. Solch gewagte finale Unternehmungen startet das behandschuhte Personal der Branche üblicherweise nicht beim Stand von 4:0. Sondern nur, wenn die eigene Mannschaft kurz vor Schluss knapp im Hintertreffen liegt und mit aller Macht auf den Ausgleich drängt. »Respekt vor ihrer Karriere, was sie alles gerissen hat. Ich würde mir aber wünschen, dass sie den Ausflug zum Schluss nicht macht. Das zollt von Respekt, das gehört im Fußball dazu, dass man dann einfach im Tor bleibt«, rümpfte Chahed die Nase über die Aktion der 64-maligen Nationalspielerin.

»Tut mir leid, wenn das bei Potsdam falsch rübergekommen ist«, entschuldigte sich Schult später und berichtete von einem »fantastischen Seitfallziehertor«, das ihr zuletzt im Training geglückt sei und das sie nun offenbar wiederholen wollte. Die Hochstimmung im Team nach dem Gewinn der Meisterschaft am 8. Mai habe in den letzten zwei Wochen zu dem Gedanken geführt, in Köln etwas Besonderes machen zu wollen, erklärte Schult – die ihren Ausflug letztlich aber vorzeitig abgebrochen hatte. »Das Timing«, sagte sie, »hat nicht gepasst«.

Darüber, was die Konkurrenz in der Liga so alles optimieren könnte, um Dauer-Pokalsieger und Abonnementmeister Wolfsburg (sieben Titel in den vergangenen neun Jahren) künftig mal wieder das Wasser reichen zu können, machte sich Schult anschließend auch noch ein paar Gedanken. Dabei lobte die Torfrau das Geschick des eigenen Sportlichen Leiters Ralf Kellermann bei der Kaderplanung als »große Kunst«. Ganz besonders gilt das für die soeben beendete Saison, die der VfL – unter anderem angesichts eines komplett neuen Trainerteams – als eine Spielzeit des Umbruchs apostrophiert hatte. Dementsprechend beleuchtete Schult auch die kontinuierlich gewachsene DNA der weit enteilten Wölfinnen und betonte: »Der VfL zeichnet sich seit Jahren durch einen unglaublichen Ehrgeiz aus.« Und nicht zu vergessen: »Wir sind seit Jahren das fitteste Team der Liga.«

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