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Wieder Massenstreik gegen Macron
Rentenreform in Frankreich soll im Schnellverfahren durchs Parlament gebracht werden
Der seit Jahresbeginn dritte Streik- und Aktionstag gegen die Rentenreform, der am Dienstag mit landesweit rund 200 Demonstrationen mobilisiert hat, sollte vor allem die Ablehnung durch die Masse der Franzosen zum Ausdruck bringen. Die Gewerkschaft CGT sprach von etwa 2,8 Millionen, die sich an Streiks und Protesten beteiligten. Laut Innenministerium waren es 1,27 Millionen Menschen. Im ganzen Land waren insgesamt 11 000 Sicherheitskräfte im Einsatz.
Am Rande der Demonstration in Paris, die vom Opernplatz über die Großen Boulevards zum Bastilleplatz verlief, erklärte der Vorsitzende der CGT Philippe Martinez, Präsident Emmanuel Macron habe mit seinem »übergroßen Ego« die Rentenreform zu seiner »ganz persönlichen Sache« gemacht und wolle sie »mit allen Mitteln« durchsetzen. Um das abzuwenden, ruft der Gewerkschaftsführer dazu auf, die Protestaktionen und Streiks noch zu verstärken.
Die Repräsentanten der großen Gewerkschaften, die gemeinsam zu der Mobilisierung aufgerufen hatten und die Seite an Seite den Demonstrationszug anführten, ließen keinen Zweifel daran, dass so Druck auf die laufende Parlamentsdebatte zum Reformgesetz ausgeübt werden soll. Die hat am Montag begonnen und soll im Schnellverfahren nur zwei Wochen dauern.
Die Debatte begann mit der Diskussion und Abstimmung über zwei Anträge für die Abhaltung eines Referendums zur Rentenreform. Diese beiden nahezu inhaltsgleichen Texte waren unabhängig voneinander durch das Bündnis der Linksparteien Nupes und durch das rechtsextreme Rassemblement National eingebracht worden. Ein Referendum wäre eine große Gefahr für die Pläne der Regierung, denn Umfragen zufolge lehnen zwei Drittel der Franzosen die Reform und vor allem das Renteneinstiegsalter, das auf 64 Jahre erhöht werden soll, ab. Da jedoch die rechte Oppositionspartei der Republikaner, auf die die Regierung bei der endgültigen Abstimmung über die Reform hofft und der sie deshalb in den vergangenen Tagen in Details Zugeständnisse gemacht hat, am Montag schon mit der Regierungspartei stimmte, fanden die Anträge nicht die nötige Mehrheit.
Um die Pläne der Regierung zu torpedieren, haben die Oppositionsparteien etwa 20 000 Abänderungsanträge zum Reformgesetz eingebracht, von denen allein 17 000 vom linken Bündnis Nupes kamen. Das wurde vom Regierungslager als »undemokratisch« und als »Obstruktion« bezeichnet. In diesem Geist der Konfrontation verlief die Debatte überaus kontrovers und heftig. Mehrfach musste die Sitzung unterbrochen werden, um die Ruhe wiederherzustellen.
Seitens der Regierung versuchte Arbeitsminister Olivier Dussopt die Reform als notwendig für das »Überleben des Rentensystems« zu verteidigen. Sie sei ausgewogen und gerecht, betonte er, vor allem jedoch unerlässlich, um angesichts der sich erhöhenden Lebenserwartung und des sich dadurch ergebenden Defizits der Rentenkassen das Solidarprinzip zwischen den Generationen zu bewahren. Die linke Opposition wurde vom Minister beschuldigt, keine konstruktiven Gegenvorschläge zu machen, sondern immer nur neue oder höhere Steuern zu fordern. Darauf schallten dem zum Regierungslager übergelaufenen ehemaligen Sozialisten von den Bänken der Nupes-Abgeordneten Zwischenrufe wie »Lügner« und »Arbeiterverräter« entgegen.
Als für die linke Opposition die Abgeordnete Mathilde Panot von der Bewegung La France Insoumise das Wort ergriff, widerlegte sie die Defizit-Behauptungen der Regierung und verwies auf Möglichkeiten für eine sichere Finanzierung der Renten ohne Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre. »Je mehr Sie Ihre Reform verteidigen, umso mehr Menschen schließen sich dem Widerstand gegen sie an«, erklärte die Rednerin an die Adresse der Regierung gewandt. »Die Front der Ablehnung wächst, und die Mauern sind nicht dick genug, um Sie vor dem Druck der Straße zu schützen.« Die Beratung in der Nationalversammlung soll noch bis Ende nächster Woche dauern.
Um der Ablehnung der Rentenreformpläne Nachdruck zu verleihen, fanden am Dienstag in zahlreichen Branchen Streiks statt, an denen sich wieder viele Beschäftigte beteiligten, auch wenn dies mit Lohneinbußen verbunden war. Beschäftigte des Energieunternehmens EDF drosselten in der Nacht zum Dienstag aus Protest die Stromproduktion, zu Ausfällen kam es jedoch nicht. Der Bahnverkehr und der Personennahverkehr in Paris und anderen großen Städten sowie der Flugverkehr waren um 10 bis 30 Prozent eingeschränkt. Nach Angaben der Gewerkschaften hat sich jeder zweite Lehrer am Streik beteiligt, allein in Paris blieben daher 60 Schulen geschlossen.
Gestreikt wurde nicht nur im öffentlichen Dienst und in staatseigenen Betrieben, sondern zunehmend auch in der Privatwirtschaft. Es gibt etliche Beispiele von Inhabern von kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die Verständnis für die Haltung ihrer Beschäftigten haben und ihnen ohne Lohnabzug frei gaben. Einige haben sogar zusammen mit ihnen demonstriert. Nach Angaben der Vereinigung der Handwerks- und Kleinunternehmen des Bauwesens (Capeb) lehnen 80 Prozent ihrer Mitglieder die Rentenreform ab.
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