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Druschba-Öl aus Kasachstan

Testlieferung soll polnisches Territorium erreicht haben

»Wer kein Öl in nennenswerten Mengen bestellt, kann auch keine größeren Mengen Öl geliefert bekommen.« Diesen ironischen Satz hat der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) von einem Abendessen in der kasachischen Hauptstadt Astana mitgebracht. Wer ihm das dort gesagt hat, verrät er nicht. Aber der Kreis der infrage kommenden Personen lässt sich eingrenzen. Denn Görke sagt immerhin, mit wem er sich in Kasachstan so alles getroffen hat, um über die ersehnten Öllieferungen für die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt zu sprechen.

Im Dezember flog der Abgeordnete in dieser Sache schon einmal auf eigene Faust nach Astana. Jetzt reiste er erneut für eine Woche – diesmal mit einer zentralasiatischen Parlamentariergruppe – nach Kasachstan und Kirgisien. Die Gelegenheit nutzte er, um noch einmal wegen der Öllieferungen nachzufragen, die oft in Aussicht gestellt worden, aber bisher nicht angekommen sind.

Geredet hat Christian Görke nach eigenen Angaben mit einem Berater des kasachischen Präsidenten Qassym-Schomart Toqajew, mit Vizepremier Roman Skljar persönlich, mit dem stellvertretenden Außenminister Roman Wassilenko und mit dem Generaldirektor des staatlichen Unternehmens Kaz Trans Oil, das sich um die kasachischen Erdölleitungen kümmert.

Nach Informationen von Görke ist eine Probelieferung von 20 000 Tonnen Öl inzwischen unterwegs. Russland hat das Öl demnach gegen eine Gebühr durchgelassen und es habe über die alte Druschba-Pipeline am Montag polnisches Territorium erreicht. »Die Meldung aus Polen vom Wochenende, dass durch die Druschba-Leitung kein Öl fließt, ist zumindest was kasachisches Öl betrifft, möglicherweise nicht richtig«, sagt Görke am Nachmittag in Berlin. Weitere 100 000 Tonnen kasachischen Öls seien angemeldet, allerdings »noch nicht unter Dach und Fach«, erklärte der Abgeordnete. Das reiche natürlich nicht aus. Es würde eine Auslastung der PCK-Raffinerie von insgesamt nur rund 60 Prozent sichern, die Mengen eingerechnet, die gegenwärtig über den Ostseehafen Rostock herangeschafft werden.

»Mit 100 000 Tonnen kriegen wir PCK nicht gerettet«, bedauert Görke. Kasachstan sei allerdings bereit, dieses Jahr sieben Millionen Tonnen Öl zu schicken. Und hier kommt wieder das Zitat ins Spiel, dessen Urheber von Görke nicht genau bezeichnet wird: »Wer kein Öl in nennenswerten Mengen bestellt, kann auch keine größeren Mengen Öl geliefert bekommen.«

Die Gesprächspartner, mit denen Görke in Kasachstan zu tun hatte, haben sich gewohnt diplomatisch ausgedrückt. Der Bundestagsabgeordnete hörte aus ihren Darlegungen jedoch eine Verwunderung darüber heraus, dass sich die Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums in dieser Sache bis heute nicht zu ihnen bemüht habe – weder Minister Robert Habeck (Grüne) noch sein Staatssekretär Michael Kellner. Letzterer leitet schließlich die Taskforce Schwedt, die sich mit um die Versorgung der PCK-Raffinerie mit Öl kümmern soll. Notwendig wurde dies, weil die Bundesrepublik wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine seit 1. Januar 2023 auf das sibirische Rohöl verzichtet, welches bis dahin aus der Druschba-Pipeline zuströmte.

»Ich kann der Bundesregierung nur dringend empfehlen, sich schnellstens nach Kasachstan zu bequemen«, sagt Christian Görke. Denn es sei nicht so, dass es nicht auch andere Interessenten für die sieben Millionen Tonnen Öl geben würde. Ungarn oder die Slowakei kämen als Käufer genauso in Frage.

Görke spürte bei seinen Gesprächspartnern in Astana auch eine gewisse Verunsicherung wegen der unklaren Eigentumsverhältnisse. Mehrheitlich gehört die PCK-Raffinerie eigentlich dem russischen Staatskonzern Rosneft. Seit vergangenem Jahr steht die Raffinerie aber unter Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur. Oppositionspolitiker Görke plädiert nun dafür, dass sich der Bund direkt an der Raffinerie beteiligt und dazu die Anteile kauft, die der britische Mineralölkonzern Shell noch hält, aber schon abstoßen wollte. »Das hätte zahlreiche Vorteile«, wirbt Görke für diese Idee. Zum einen gilt die vom Staat übernommene Jobgarantie für die rund 1200 Mitarbeiter vorerst nur bis Ende 2024. Würde der Bund mit einsteigen und sich um die Umwandlung in eine grüne Raffinerie kümmern, gäbe es eine sichere Zukunft für die Zeit nach dem Aus für fossile Brennstoffe. Der Bund würde keinen Schrott kaufen. Es sei die »modernste Raffinerie in Europa«. Auch könnte Kasachstan bei PCK mit einsteigen und auch Anteile kaufen, spinnt Görke den Faden weiter. Er hat das in Astana angeregt und weder ein Ja noch ein Nein dazu gehört.

»Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«, sagt Görke. Von wem dieses Zitat stammt, ist kein Geheimnis. Der sowjetische Staatsmann Michail Gorbatschow sagte diesen Satz 1989 zu SED-Generalsekretär Erich Honecker.

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