Bei den Tariflöhnen gibt es noch viel nachzuholen

Bei einer Inflationsrate von 6,9 Prozent sind die Tariflöhne 2022 lediglich um 2,2 Prozent gestiegen, also real um 4,7 Prozent zurückgegangen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Seitdem die Gewerkschaften höhere Lohnerhöhungen fordern, macht wieder verstärkt die Warnung vor einer angeblichen Lohn-Preis-Spirale die Runde. Zu hohe Lohnerhöhungen würden die Inflation zusätzlich nach oben treiben, so der Tenor. Damit soll natürlich Druck auf die Gewerkschaften gemacht werden, sich zu mäßigen.

Die Theorie der Lohn-Preis-Spirale verdreht nicht nur Ursache und Wirkung: Die Inflation ist nicht hoch, weil es die Lohnforderungen sind, sondern die Lohnforderungen sind hoch, weil die Inflation hoch ist. Man müsste also dann eher von einer Preis-Lohn-Spirale sprechen. Bei den Tariflöhnen müssen die Gewerkschaften zudem viel nachholen. Denn die Tariflöhne sind vergangenes Jahr im Schnitt nur um 2,2 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt nun bekannt gab. Bei einer Inflation von 6,9 Prozent bedeutet dies ein Reallohnminus für die Tarifbeschäftigten von 4,7 Prozent. Dabei sind die Tarifverdienste bereits 2021 real zurückgegangen. Die Menschen haben seit zwei Jahren unterm Strich immer weniger Kaufkraft zur Verfügung.

Wenn im öffentlichen Dienst etwa 10,5 Prozent gefordert werden, dann ist dies bloß ein Inflationsausgleich. Denn die Preise werden auch dieses Jahr massiv steigen. So geht die Bundesregierung in ihrer jüngsten Schätzung, der Herbstprojektion 2022, von einer Inflationsrate für dieses Jahr von sieben Prozent aus. Das ist vielleicht etwas hochgegriffen – das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung geht etwa von 5,1 Prozent aus – , dennoch zeigen die jüngsten amtlichen Inflationszahlen, dass die Teuerungsrate weit über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent liegen wird. So verharrte die Inflation im Februar bei 8,7 Prozent.

Wer vor der angeblichen Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale warnt, sorgt sich also nicht um die Preisstabilität, sondern will die Kosten der Energiepreiskrise auf die Beschäftigten abwälzen.

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