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Nepals Regierung sortiert sich neu

Nach dem Bruch der Koalition steht Premierminister Dahal unter Zugzwang

  • Thomas Berger, Kathmandu
  • Lesedauer: 3 Min.

Priraj Kumar, der als Kellner in einem der Restaurants in Kathmandus Touristenviertel Thamel arbeitet, will am liebsten nur noch weg. Ins Ausland, nach Dubai oder sonst wohin, sagt der 25-Jährige, dessen Heimatort Mahendranagar gut 100 Kilometer von der Hauptstadtmetropole entfernt liegt. Viele kommen aus anderen Landesteilen nach Kathmandu auf der Suche nach Arbeit und Perspektiven. Aber auch der Kellnerjob bringt pro Monat gerade einmal umgerechnet 50 bis 70 Euro. Das reiche hinten und vorne nicht, da in den vergangenen drei Jahren die Preise erheblich gestiegen seien, sagt der junge Mann. Auch für Heirat und Familiengründung reichen solch karge Einkünfte nicht. Die etwa gleich alte Musikstudentin Sharmila Nepali sieht das ähnlich. Auch sie schaut sich nach Chancen im Ausland um. Die beiden sind keine Ausnahme, sondern stehen für viele aus der jungen Generation, die daheim kaum eine Perspektive sehen.

Zwar liegt die Inflation in Nepal nominell nur bei sechs bis sieben Prozent. Das ist deutlich weniger als in den Nachbarländern, gerade in Problemfällen wie Sri Lanka und Pakistan. Doch laut einer Umfrage der Zentralbank gaben im Januar fast 93 Prozent der Teilnehmenden ihrer Sorge Ausdruck, im Gesamtjahr 2023 könnten viele Preise weitaus deutlicher zulegen. Dass es zu wenige Jobs und noch weniger gut bezahlte gibt, ist ein weiterer Aspekt für verbreitete Unzufriedenheit. 2023 soll das Wirtschaftswachstum nach jüngsten Prognosen nur noch 4,4 Prozent statt 5,8 Prozent wie im Vorjahr betragen.

Kathmandu wuchert wie eh und je immer weiter ins Umland. Jede Menge neuer Läden fallen an den Hauptstraßen im Zentrum auf, auch Thamel als Viertel hat sich für die Touristen, die wichtiges Geld in die Kassen spülen, nach den Corona-Einbrüchen der Gästezahlen neu herausgeputzt. Doch die Hauptstadt ist eine eigene Welt. In etlichen Ecken der Himalayarepublik mangelt es schon an Grundlegendem wie gesicherter Trinkwasser- und Stromversorgung, Krankenhäusern und Bildungschancen.

»Gute Regierungsführung und Entwicklung« hatte Premierminister Pushpa Kamal Dahal noch am 27. Februar versprochen, als er feierlich den Startschuss für ein Wasserkraftprojekt in seiner Heimatregion Gorkha gab. Energie aus Wasserkraft ist heutzutage eines der großen Potenziale im Land. Einen Tag nach diesen Worten Dahals war das Land erneut in Aufregung: Da sich gleich drei Parteien aus der Sieben-Parteien-Koalition verabschiedet haben, muss der Premier nun 16 Ministerien vorerst selbst leiten. Denn erst nach den Präsidentschaftswahlen am 9. März sollen die Kabinettsposten neu verteilt werden. Dabei legte die bisherige Regierungsmannschaft gerade erst richtig los, nachdem im November gewählt worden war und kurz vor Jahreswechsel die vorherige Koalition gestanden hatte. Darin hatte sich Dahal, der den Maoisten (CPN-MC) vorsteht, überraschend erneut mit der zweiten großen Linkspartei Vereinigte Marxisten-Leninisten (CPN-UML) verbündet und sich dafür von seinem Partner in der früheren Wahlallianz, dem sozialliberalen Nepali Congress (NC), getrennt. NC und Maoisten hatten vor zwei Jahren gemeinsam Ex-Premier Khadga Prasad Sharma Oli (UML) zu Fall gebracht. Davor hatten Marxisten und Maoisten, sogar in einer zwischenzeitlich wiedervereinigten Kommunistischen Partei, gemeinsam regiert.

Seit der Jahrtausendwende erlebte Nepal nur selten eine Regierung, die eine volle Amtszeit durchhielt. Dass eine Koalition schon nach gut zwei Monaten zerfällt, ist jedoch ein neuer Negativwert. Dahal selbst, der nur der drittstärksten Parlamentspartei vorsteht, ist daran nicht unschuldig. Die Maoisten wollten für die Nachfolge der scheidenden Präsidentin Bidya Devi Bhandari (UML) eigentlich eine »nationale Konsenslösung«. Statt wie vereinbart den UML-Kandidaten zu unterstützen, sprachen sich die Maoisten aber plötzlich für den des NC aus – was den verärgerten Oli zum Rückzug seiner Minister brachte. Zwei kleinere Partner, darunter die neue Rastriya Prajatantra Party (RPP), folgten dem Koalitionsausstieg. Dahal selbst muss in der auf 19. März vertagten Parlamentssitzung die Vertrauensfrage stellen.

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