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Der Flughafen ist für alle da

Ein Bündnis kämpft für ein sozial-ökologisches Projekt im Gebäude des ehemaligen Flughafen Tempelhof – bislang ohne Erfolg

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 7 Min.
Eine »Halle für Alle«: Das wünschen sich die Aktivist*innen, die Ende Februar in der Genezarethkirche am Herrfurthplatz, unweit des Tempelhofer Felds, Pläne für eine künftige Nutzung des Flughafens schmiedeten.
Eine »Halle für Alle«: Das wünschen sich die Aktivist*innen, die Ende Februar in der Genezarethkirche am Herrfurthplatz, unweit des Tempelhofer Felds, Pläne für eine künftige Nutzung des Flughafens schmiedeten.

Ein Bildungs- und Begegnungszentrum mit viel Platz zum Experimentieren, für Austausch, Kunst und Kultur. Ein Repaircafé und ein Materiallager, um Ressourcen wiederzuverwerten, dazu Werkstätten für Holz, Textilien oder Elektronik. Ein Ernährungscampus mit Küche, Café und Permakulturgärten. Ein Kino, Ateliers und Büroräume für politische Selbstorganisation, Nachhaltigkeitsforschung und Beratungsangebote. Eine »Halle für Alle«, in der gemeinschaftlich, ohne wirtschaftlichen Druck Lösungen für ein soziales, klimagerechtes Berlin entwickelt werden können. 

Das alles sah Cléo Mieulet vor sich, als sie vor etwa drei Jahren über das Tempelhofer Feld spazierte und ihr Blick auf das denkmalgeschützte ehemalige Flughafengebäude an dessen Nordende fiel. So ein riesiges Gebäude, sieben Hangars, eine Bruttogeschossfläche von über 300 000 Quadratmetern – »das muss man doch nutzen«, sagt die 51-Jährige zu »nd«. Die Idee ist rasch ähnlich groß geworden. Gemeinsam mit anderen Aktivist*innen gründete Mieulet das Transformationsbündnis THF (steht für »Tempelhofer Flughafen«), das Initiativen und Expert*innen verschiedener Bereiche zusammenbringt. Inzwischen sind über 30 Gruppen Teil des Netzwerks, darunter Klimaneustart, Urbane Praxis oder bbk berlin.

Die Idee: »Die Lösungen für eine sozial-ökologische Transformation sind längst da, aber sie fristen ein Nischendasein in Forschungsprojekten oder prekären Initiativen. Wir wollen sie in den Mainstream bringen«, erklärt Mieulet. Das bedeute, dass sich alle Interessierten einbringen und auf Augenhöhe voneinander lernen können. Dafür brauche das Bündnis aber finanzielle Sicherheit – und einen Ort. »Der Flughafen Tempelhof bietet den idealen Platz für ein solches Transformationszentrum für alle«, heißt es in einem Manifest der ersten Bündnispartner*innen. Erstens, weil es groß genug ist und zahlreiche der Räumlichkeiten bislang ohnehin nicht oder nur zeitweilig genutzt werden. Zweitens ist das Flughafengebäude wie das Tempelhofer Feld in öffentlicher Hand. Demnach sollte es der Stadtgesellschaft auch zur Verfügung stehen, argumentiert die Initiative und ging mit dieser Forderung auf den Senat zu.

Vor einem Jahr schienen die Bemühungen zu fruchten: Die Senatskulturverwaltung war vom Nutzungskonzept überzeugt und stellte dem Bündnis für die Zeit von April bis Juli dieses Jahres den Hangar 2 als »Halle für Alle« sowie Fördermöglichkeiten in Aussicht. »Hier hat uns alle die Wirklichkeit eingeholt. Die Hangars werden auf unbestimmte Zeit als Unterkunft für Geflüchtete gebraucht«, erklärt Kulturverwaltungssprecherin Zora Block auf nd-Anfrage. Doch so leicht wollte sich das Bündnis nicht geschlagen geben und sich nicht gegen Geflüchtete ausspielen lassen. Die Aktivist*innen boten ein erweitertes Konzept an, das eine Teilhabe der Ukrainier*innen an dem Projekt vorsieht. 

Abgesehen davon gibt es ja noch sechs weitere Hangars. Katalin Gennburg, die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, die schon länger mit der Initiative in Kontakt ist, hatte versucht, über eine Anfrage herauszufinden, ob andere Räumlichkeiten infrage kämen. Nein, heißt es als Antwort der Senatsbauverwaltung, aktuell stünden »keine geeigneten Flächen im Flughafengebäude Tempelhof zur Verfügung«. Verwiesen wird auf zahlreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen, deretwegen die Hangars 5 bis 7 bis Ende 2024 praktisch nicht nutzbar seien. Die Hangars 2 und 3 würden voraussichtlich bis Ende 2023 für die Geflüchteten benötigt. »Im Weiteren sind alle genehmigten und nutzbaren Räume im Flughafen Tempelhof vermietet«, heißt es weiter. Es stehe der Initiative aber grundsätzlich frei, Mietanfragen an die Tempelhof Projekt GmbH zu stellen.

Die Tempelhof Projekt GmbH verwaltet das Flughafengebäude im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen – und ist Teil des Problems. Erstens ist sie als privatwirtschaftliches Unternehmen nicht zur Transparenz im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes verpflichtet. In den vergangenen Jahren sollen daher zahlreiche Anfragen interessierter Berliner*innen zum Gebäude und dessen Zukunft unbeantwortet geblieben sein. Zweitens betreibt sie »ein Veranstaltungs- und Vermietungsgeschäft mit generell wirtschaftlicher Ausrichtung«, wie Tempelhof-Projektsprecherin Irina Dähne auf nd-Anfrage mitteilt. Konkret seien in diesem Jahr Veranstaltungen wie Marathon und Halbmarathon, Fahrrad- und Kunstmessen in Planung. 

Im vergangenen Jahr machte die Vergabe der Hangars 2 und 3 an den Kulturmanager Walter Smerling für eine private Ausstellung Schlagzeilen, weil dies, so der Vorwurf des Bündnisses, »im Rahmen eines durch den Ex-Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) initiierten Hinterzimmerdeals unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Parlaments« geschehen sei. Irina Dähne von der Tempelhof Projekt GmbH erklärt, dass diese Vergabe vom »Steuerungskreis Flughäfen« beschlossen wurde, einer »Abstimmungsrunde beim Regierenden Bürgermeister mit allen zuständigen Senatoren und Staatssekretären« – also ohne Öffentlichkeit und Parlament. Zudem habe Walter Smerling aufgrund einer Corona-Regelung keine Miete und nur die Hälfte der Betriebskosten zahlen müssen. Angesichts des intransparenten Verfahrens protestierte die Berliner Kulturszene; einige Künstler*innen zogen ihre Werke aus der Ausstellung zurück und Mitglieder des Aufsichtsrats der Tempelhof Projekt GmbH traten zurück. 

Daraufhin beendete der Senat im Juli 2022 tatsächlich den Mietvertrag mit Smerling und beschloss auf Vorlage der Kulturverwaltung von Linke-Senator Klaus Lederer, dass es ab August dieses Jahres eine transparente Flächenvergabe für kulturelle Nutzungen geben soll. Ein entsprechendes Konzept sei noch in Arbeit, heißt es vonseiten der GmbH wie auch der Kulturverwaltung. Dabei sollte der historische Flughafen genau wie das Feld seit dem Ende des Flugbetriebs 2008 partizipativ unter Beteiligung der Stadtgesellschaft weiterentwickelt werden, doch die bisherigen Mitwirkungsformate verliefen ergebnislos beziehungsweise wurden eingestellt.

»Aktuell pausiert die Beteiligung am Flughafen Tempelhof«, sagt Irina Dähne. Ergebnis: »Das Flughafengebäude steht wie ein Riegel zwischen der Innenstadt und dem beliebten Erholungsgebiet Tempelhofer Feld«, kritisiert das Transformationsbündnis und fordert endlich »Konzepte, die das Gebäude öffnen und Zugänge zwischen Stadt und Feld schaffen«. 

Linke-Politikerin Katalin Gennburg teilt dieses Anliegen, nicht zuletzt wegen der historischen Bedeutung, die der frühere Flughafen durch seine NS-Geschichte und die Berliner Luftbrücke für die Stadtgesellschaft hat. Das »Relikt eines fossilen Zeitalters« solle in eine »postfossile Zeit« übergehen, indem hier die sozial-ökologische Transformation vorangetrieben wird. »Am Boden bleiben und gärtnern«, wie Cléo Mieulet es ausdrückt. Doch stattdessen würden Initiativen und Stadtgesellschaft ausgesperrt, »und zeitgleich zerfällt das Gebäude«, kritisiert Gennburg. Die Strategie der Tempelhof Projekt GmbH – »zuerst alles durchsanieren und dann erst nutzen« – hält sie für »Leerstandspolitik und inakzeptabel«.

Das Unternehmen »braucht dringend ein Update, und deshalb finde ich, die Chefin sollte gehen«, fordert Gennburg mit Blick auf die Geschäftsführerin der GmbH, Jutta Heim-Wenzler. Anschließend müsse es transparente Wege der nach Möglichkeit abschnittsweisen Instandsetzung geben, etwa durch Genossenschaften oder die Zivilgesellschaft. Mieulet sagt zum Thema Inbetriebnahme: »Wir könnten das selbst machen.« Die Auflagen hinsichtlich Denkmal- und Brandschutz, Statik und Sicherheit seien zwar hoch, doch im Transformationsbündnis seien Handwerker*innen mit der entsprechenden Expertise aktiv.

Auch an der Entwicklung des transparenten Flächenvergabekonzepts würde sich das Transformationsbündnis gern beteiligen und auf die Einsetzung eines Entscheidungsgremiums hinwirken, an dem die Zivilgesellschaft beteiligt wird. Wie gut das in Kooperation mit der Tempelhof Projekt GmbH und einem künftig wohl schwarz-roten Senat möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Katalin Gennburg hält eine Öffnung des Raumes jedoch für unabdingbar. »Der Kampf um diesen Ort ist auch ein Kampf gegen verkrustete Machtstrukturen und den Ausverkauf der Stadt«, erklärt die Stadtentwicklungsexpertin. 

Bis eine echte Transformation in dieser Hinsicht angestoßen wird, widmet sich das Bündnis vor allem der Vernetzungsarbeit und offenen Veranstaltungen, um auszuloten, welche Wünsche und Bedarfe die Zivilgesellschaft an ein künftiges Transformationszentrum hat. »Viele wollen, dass es Lernorte gibt, intergenerationelles Skill Sharing oder einen nicht religiösen Stilleraum«, berichtet Cléo Mieulet von einer Zukunftswerkstatt im Februar. Die Ideen sind da, der Ort ist es auch – fehlt nur der politische Wille. 

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