US-Drohne »Sensenmann« ins Meer gestürzt

USA und Russland zeigen sich bemüht, den Drohnencrash vor der Krim zu entschärfen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine solche »Reaper« der US-Luftwaffe liegt nun auf dem Meeresboden vor der Krim (Symbolbild).
Eine solche »Reaper« der US-Luftwaffe liegt nun auf dem Meeresboden vor der Krim (Symbolbild).

Nach einer – noch immer nicht geklärten – Begegnung mit zwei russischen Kampfjets ist eine US-Drohne vom Typ MQ-9 »Reaper« (»Sensenmann«) am Dienstagmorgen gegen sieben Uhr Ortszeit vor der Krim ins Schwarze Meer gestürzt. Das für die Flüge zuständige Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Stuttgart teilte mit, zwei »Su-27«-Jäger hätten die Drohne im internationalen Luftraum auf »gefährliche und unprofessionelle« Weise abgefangen. Dabei habe ein russischer Jet den am Heck der Drohne angebrachten Propeller berührt, sodass diese im Wasser notgelandet werden musste. Moskau streitet das ab und betont, man habe weder Waffen eingesetzt, noch sei es zu einem Kontakt der Luftfahrzeuge gekommen. Auffällig ist jedoch, wie unüblich rasch das Moskauer Verteidigungsministerium diese Darstellung via Telegram-Kanal aussandte. Demnach habe die Drohne bei einem »scharfen Ausweichmanöver« rapide an Höhe verloren und sei dann abgestürzt.

Die US-Drohne, so heißt es in russischen Medien weiter, habe sich mit ausgeschaltetem Transponder in Richtung russischer Staatsgrenze bewegt. Damit wird die Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums unzulässig verkürzt. Das hatte etwas umständlich mitgeteilt, dass die US-Drohne die Grenzen eines bestimmten Gebiets verletzt habe, das man »zum Zwecke der Durchführung einer speziellen militärischen Operation« eingerichtet habe. Die Koordinaten dieser Zone seien »allen Nutzern des internationalen Luftraums« mitgeteilt worden.

Solche »Luftraumsperrungen« sind üblich, wenn Staaten größere Marine- oder Luftmanöver abhalten. Etwaige Durchquerer vermeiden dann in der Regel alles, was als Provokation missverstanden werden könnte. Das Sperrgebiet im Schwarzen Meer hatten die russischen Streitkräfte nach dem Beginn ihres Überfalls auf die Ukraine ausgewiesen.

Wo die US-Drohne gestartet wurde, wie lange sie schon wo und zu welchem Zweck operierte, ist unklar. Die Luftwaffe hat ihre »Sensenmänner« unter anderem in Rumänien und auf einer US-Basis im italienischen Sigonella auf Sizilien stationiert. Es komme immer wieder vor, dass US-Drohnen im Schwarzen Meer von russischen Kampfjets abgefangen würden, teilte der Sprecher des nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Dienstagabend mit. Der jüngste Vorfall sei aber besonders »rücksichtslos« gewesen.

Obwohl die genauen Motive der russischen Piloten unklar sind, sieht die US-Regierung bislang keine klaren Hinweise darauf, dass Moskau den »Sensenmann« am Dienstag gezielt zum Absturz bringen wollte. Klar sei, dass die russischen Jets die Drohne vertreiben sollten. Die Maschinen, die vermutlich von einer Luftwaffenbasis auf der Krim kamen, seien 30 bis 40 Minuten in ihrer Nähe geflogen, dann sei es zu riskanten Flugmanövern gekommen. Möglich wäre, dass die US-Drohne dabei in den Abgasstrahl einer »Su-27« geriet und instabil wurde. Eine offizielle Variante lautet indes: Einer der russischen Kampfjets habe über der Drohne Kerosin abgelassen.

Westliche Militärs erörtern nun, wie Aufklärungsmissionen am Rande es Ukraine-Krieges besser geschützt werden können. Gewöhnlich werden US-Kampfdrohnen mit Luft-Boden-Raketen bestückt, technisch möglich ist aber auch die Ausrüstung mit Luft-Luft-Raketen. Im Irak-Krieg hat eine »Predator« (»Raubtier«, das Vorläufermodell des »Sensenmanns«) damit angeblich einen irakischen Kampfjet vertrieben.

Doch Moskau wie Washington bemühen sich derzeit eher, militärische Eskalationen nach dem Vorfall zu vermeiden. John Kirby teilte mit, US-Präsident Joe Biden sei über alles informiert und der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, sei ins Außenamt einbestellt worden. Nach diesem Treffen mit der Vize-US-Außenministerin, Karen Donfried, betonte Moskaus Diplomat, seine Regierung wolle »pragmatische« Beziehungen zu Washington und »keine Konfrontation zwischen den USA und Russland«. Dennoch beharrte er darauf, dass es keinen Grund für US-Militärflugzeuge und Kriegsschiffe gebe, sich in der Nähe der russischen Grenzen aufzuhalten.

Das Schwarze Meer sei »kein Binnenmeer Russlands«, sagte hingegen der Luftwaffensprecher der Ukraine, Jurij Ihnat. Dessen Anrainer seien auch Nato-Mitglieder, darunter die Türkei und Rumänien, weshalb die US-Drohnen dort auf rechtlicher Grundlage agierten.

In Moskau wiederum hofft man auch, der Vorfall könne die Bereitschaft der USA zur weiteren Unterstützung der Ukraine mindern helfen. Dabei zitieren russische Medien ausgerechnet Ex-US-Präsidenten Donald Trump sowie Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Beide Republikaner hätten erklärt, dass »die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland« nicht im strategischen Interesse der Vereinigten Staaten liege.

Wie einmalig der jüngste Crash vor der Krim gewesen ist, bleibt aber unklar. Denn bereits im Juli 2022 war eine Drohne von einer Schwarzmeer-Mission nicht zurückgekehrt. In jüngster Zeit mehren sich zudem weitere gefährliche Zwischenfälle, an denen russische und Flugzeuge von Nato-Staaten beteiligt sind. Das Verteidigungsministerium in London behauptet, dass im Oktober ein britischer Aufklärer sogar mit Raketen bedroht worden sei. Erst am vergangenen Samstag war es über der Ostsee zu einem gefährlichen Zwischenfall gekommen, als ein US-Atombomber vom Typ »B-52«, der zuvor einen zivilen Korridor benutzt hatte, hart an der Grenze des Kaliningrader Gebiets operierte. Im vergangenen Monat fingen US-Kampfjets zwei russische »Tu-95«-Bomber im internationalen Luftraum vor Alaskas Küste ab. Bislang verlor jedoch keine Seite die Nerven.

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