Trost spenden

Die amerikanische Indie-Band Yo la Tengo bringen mit »This Stupid World« eines ihrer besten Alben heraus

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 2 Min.
Yo La Tengo in New York.
Yo La Tengo in New York.

Die Welt ist schlecht und zermürbend, und ein großer Teil der populären Musik im Wesentlichen von der Idee bestimmt, die Welt für Hörerin und Hörer graduell angenehmer zu machen und einen Raum zu schaffen, in dem sich ihre Unwägbarkeiten und Härten wegimaginieren lassen. Das geht meist nicht ohne Ausblendung und Autosuggestion. Frohsinn wie auch unverbindliche Melancholie lullen ein und entheben einen der Notwendigkeit, den Kampf aufzunehmen, wirken also weltstabilisierend.

Plattenbau
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Ästhetisch wie auch in jeder anderen Hinsicht empfehlenswerter sind Musiken, die die Last vom Herzen nehmen und leichter werden lassen, ohne dass man mit ihnen stumpfer werden darf, als man eh schon ist. Der gesamte deutschsprachige Indie-Schlager fällt da schon mal aus, Ambient-Soundflächen ohne Widerhaken auch. Überhaupt ist Musik, die Trost spendet, aber nichts weichzeichnet, rar. Ist natürlich subjektiv so eine Auswahl, aber auf meine Liste gehören da unter anderem »Pink Moon« von Nick Drake, die Balladen von John Coltrane – und das Gesamtwerk von Yo La Tengo.

Letzteres ist jetzt um ein weiteres wunderschönes Album angewachsen, »This Stupid World«, und das eingangs erwähnte Versprechen auf Erleichterung vom Unbill ist hier programmatisch geworden. Yo La Tengo basteln seit 1984 an einem mit den Jahren stilistisch immer vielfältiger gewordenen Paralleluniversum, das sich konstituiert aus sanften Feedback-Orgien, stoischem Getrommel und Beach-Boys-würdigen Gesangsmelodien. »Every day, it hurts to look«, singt Gitarrist Ira Kaplan auf dem zweiten Stück des Albums, »Fallout«, einem der besten, das Yo La Tengo bislang geschrieben haben.

Sich wegdrehen geht also erklärtermaßen nicht, Yo La Tengo musizieren mit der Welt fest im Blick. Und trotzdem ist »This Stupid World« von einer ungeheuren Leichtigkeit und Weichheit bestimmt. Überhaupt verbreiten die Übersteuerungen der Gitarren, vielleicht weil sie immer ausgeglichen werden von Bass und Schlagzeug und vor allem vom einhüllenden Gesang Kaplans und der Schlagzeugerin Georgia Hubley, keinen Stress, sondern Wärme. Yo La Tengo klingen nie aggressiv oder toxisch, aber erstaunlicherweise auch nie seicht. Ein zärtlicher Ausnahmezustand.

Was dann in der Haltung, die sich in dieser Musik artikuliert, etwas Abgeklärtes und zugleich maximal Involviertes ergibt. Im siebenminütigen Titelsong findet dieser Gestus seinen direkten Ausdruck im Text: »This stupid world, it’s killing me«, aber auch: »This stupid world, it’s all we have«. Man kann zu ihren Gunsten zumindest sagen, dass die Welt durch die Musik von Ya La Tengo ein kleines Stückchen weniger dumm geworden ist.

Yo La Tengo: »This Stupid World« (Matador/Indigo)

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