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Duschbad der Gefühle

Gesprungene Kacheln, geladene Stimmung, pfeifende Bademeister: Wer in Zagreb Schwimmen gehen möchte, sollte eine Badekappe einpacken

  • Anne Hahn
  • Lesedauer: 3 Min.
Der kroatische Fußballklub Dinamo Zagreb trägt seine Heimspiele im Maksimir Stadion aus.
Der kroatische Fußballklub Dinamo Zagreb trägt seine Heimspiele im Maksimir Stadion aus.

Unser Lachen scheppert durch die gekachelten Räume. Eine von uns hüpft hin und her, während die Zweite glücklich duscht und die Dritte den Raum abgeht, von Duschkopf zu Duschkopf. Es könnte ja plötzlich Wasser laufen. Wer fertig ist, übernimmt das Hüpfen und irgendwann geht wieder eine Dusche an, fließt das Wasser und wir drei lachen. Bis alle geduscht haben.

Über Wasser
Anne Hahn

Foto: privat
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.

Das Pannonische Meer zog sich am Ende des Tertiärs zurück und hinterließ verzweigte Flussarme, unterirdische Seen, Sümpfe und flache Hügel aus Mergel und Sandstein. Auf diesen Hügeln, schreibt die 1975 in Zagreb geborene Schriftstellerin Ivana Sajko in ihrem empfehlenswerten Familienroman, haben sich vor tausend Jahren die ersten Siedlungen entwickelt, jede auf einem eigenen Hügel, am eigenen Bachufer. Man führte Kriege um Weizen miteinander, um Mühlen und königliche Privilegien, und wenn man nicht gegeneinander kämpfte, zog man gemeinsam gegen Türken und Tartaren oder die Wildwasser, die die Abhänge des Medvednica herunterstürzten. Als etliche Katastrophen und Hungersnöte überstanden, eine Kathedrale und ein Theater gebaut waren, vereinigten sich die Stadtteile und es entstand Zagreb, bis es 1880 durch ein Erdbeben wieder zerstört wurde.

Im Mai 2019 erleben wir Zagreb als eine dem Fluss abgewandte und vor ein Gebirge gequetschte Stadt mit dazwischen parallel verlaufender Haupt- und Einkaufsstraße, Straßenbahnen, riesigem Friedhof, modernem Fußballstadion (Heimat des traditionsreichen kroatischen Klubs Dinamo Zagreb) und schönen Parkanlagen. Wir genießen warme Frühlingstage, führen Interviews und besuchen Fußballspiele. So oft es geht laufe ich durch einen Park zum Winterschwimmbad Mladost. Etwas außerhalb des Zentrums liegt der Sportkomplex mit Tennis-, Fußballplatz und Schwimmbad zwischen Industrie-, Eisenbahngelände und dem stark frequentierten Park.

Im Zentrum demonstrieren am ersten Nachmittag Abtreibungsgegner, begleitet von der Band Thompson, der die Verherrlichung des kroatischen Faschismus vorgeworfen wird. Auf der anderen Seite des Flusses besuchen wir zur gleichen Zeit den fangegründeten Fußballverein Zagreb 041 nahe eines Neubaugebietes, der gegen einen Lokalrivalen spielt. 041 bezieht (gegen alle Widerstände) Flüchtlinge ein und hat knapp 50 Prozent weibliche Mitglieder. Aus den Neubauten tauchen Dinamo-Fans auf, zwanzig trunkene Männer, die pöbeln und Ustascha-Lieder singen. Wir interviewen zwei Aktive 041s, des einzigen offen linken Vereins im ganzen postjugoslawischen Raum, die Vorsängerin rät, vor dem Schlusspfiff zu gehen, es könnte Schlägereien geben. Machen wir nicht, das Spiel geht für 041 verloren, schneller Abmarsch, Grölen wabert uns nach. Eine Stunde später betrete ich das Schwimmbad.

Das Bad wirkt marode, Kacheln sind gesprungen, Lampen kaputt, Türen bemalt und durchlöchert. Der Weg führt durch muffig halbdunkle Gänge zur Wasserschleuse, vorbei an etlichen Anweisungen, die ich nicht verstehe. Eine bedeutet Badekappenpflicht, wie mir das Trillern eines Bademeisters in der Halle klarmacht. Ich hebe entschuldigend die Hände, er bringt eine Badekappe, ich darf die Leiter hinabsteigen. Es wird kreuz und quer geschwommen, bald gebe ich das Rückenschwimmen auf, man kommt sich ins Gehege, die Stimmung ist geladen.

Als ich die gemischte Dusche gefunden habe, Badebekleidung obligat, sind gerade zwei Frauen dabei, unsichtbaren Bewegungsmeldern zu signalisieren, dass Wasser laufen möge. Ich hüpfe mit, irgendwo läuft Wasser, eine kichert, eine andere duscht. Wir lachen uns kaputt.

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