Baukultur versus Bausünden

Das schöne Potsdam und seine Schattenseiten

Zwei Worte genügen den Touristen, um Potsdam zu beschreiben: »Ach schön!« Aber ist denn wirklich alles schön oder gibt es nicht auch die eine oder andere Bausünde in der Stadt Potsdam und im Land Brandenburg? Die Bundesstiftung Baukultur sitzt in einer ehemaligen Husarenkaserne an der Schiffbauergasse von Potsdam. Sie gibt ein gutes Beispiel ab, wie man mit historischen Gebäuden vorbildlich umgehen kann. Doch wenn der Vorstandsvorsitzende Reiner Nagel mit der Bahn und dem Klapprad unterwegs ist, so sieht er den einen oder anderen architektonischen Missgriff und fragt sich: »Musste das wirklich sein?«

Am Dienstag starten Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) ein märkisches Jahr der Baukultur. 280 Teilnehmer haben sich für den Auftakt im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) angemeldet, dass einst ein Kutschstall gewesen ist. Damit ist der erste Landeskonvent zur Baukultur ausgebucht. Am 17. November soll es die große Abschlussveranstaltung geben, bei der ein Baukulturpreis verlieren wird.

»Heute ist der Auftakt, heute geht‹s los«, freut sich Infrastrukturminister Beermann. »Baukultur, das ist ein ziemlich abstrakter Begriff«, weiß er. Baukultur könne aber auch etwas sehr Konkretes und Anschauliches sein. Der Minister bringt ein Beispiel, lässt ein Bild von drei winzigen Häusern an der Kyritzer Stadtmauer einblenden. Tagelöhner sind dort einst untergekommen. In den 1980er Jahren seien diese Minihäuser noch bewohnt, aber schon in einem ziemlich maroden Zustand gewesen, erzählt Beermann. Die Stadt habe die drei Gebäude aufgekauft und etwas daraus gemacht – Ferienhäuser für Touristen. Im Jahr 2019 sei dieses Projekt ausgezeichnet worden. Baukultur sei identitätsstiftend, wirbt Beermann für die Beschäftigung mit dem Erbe.

Architekt Nagel ist am Dienstag mit von der Partie. 4,4 Millionen Menschen in Deutschland haben beruflich mit der Baukultur zu tun, rechnet er vor. Nach seiner Überzeugung ist die Baukultur »standortpolitisch relevant« und »zunehmend auch klimapolitisch«. Denn wo es schön ist, da lassen sich Menschen gerne nieder. Außerdem schont es die Ressourcen der Erde, alte Gebäude zu restaurieren, anstatt sie abzureißen und neu zu bauen.

Was die zu lösenden Probleme betrifft, sei Brandenburg die Bundesrepublik in klein, meint Bauministerin Geywitz. »Wir haben einen angespannten Wohnungsmarkt hier im Berliner Speckgürtel und gleichzeitig ungenutzte Industriekultur in der Lausitz.« Im Bundesmaßstab ist es ähnlich. Da stehen immerhin 1,7 Millionen Wohnungen leer, aber nun einmal in Städten und Gemeinden, in denen sie nicht gesucht und nicht wirklich gebraucht werden. Ein Lösungsansatz wäre: Den Schienenverkehr ausbauen, damit die Beschäftigten bequem vom Wohnort zur Arbeit pendeln können.

Im vergangenen Jahr spendierten Bund und Land zusammen 93,5 Millionen Euro Fördermittel für den Städtebau in Brandenburg.

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