Katalanische Ministerin Ponsatí: Präzedenzfall in Europa

Europaparlamentarierin trotz Immunität verhaftet

  • Ralf Streck, Donostia
  • Lesedauer: 3 Min.

Der frühere Sprecher von Europaparlamentspräsident David Sassoli hat am Dienstag einen in der EU einmaligen Vorgang auf den Punkt gebracht, als er die Verhaftung der katalanischen Europaabgeordneten Clara Ponsatí in Barcelona kommentierte: »Das erste Mal in der EU, dass ein durch Immunität geschütztes Mitglied des Europäischen Parlaments verhaftet wird«, twitterte Roberto Cuillo. Damit hat Spanien einen undemokratischen Präzedenzfall geschaffen.

Spanien hat das getan, was die Exil-Katalanin erwartet hatte, als sie nach einer Pressekonferenz im Gebäude der Journalistenvereinigung festgenommen wurde. Ponsatí, Politikerin der Partei »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) und Vertraute des Exil-Präsidenten Carles Puigdemont, konnte zeigen, dass sie nicht einmal die Immunität in Spanien schützt. »Der Tag meiner Rückkehr zeigt klar, dass die Verfolgung, der ich ausgesetzt bin, nicht nur mich betrifft, sondern das ganze Land«, erklärte Ponsatí. Sie wurde nach vier Stunden wieder freigelassen und soll am 24. April vor dem Untersuchungsrichter Pablo Llarena am Obersten Gerichtshof in Madrid erscheinen. Das wird sie kaum tun, da sie dem Gericht und dem Richter die Rechtmäßigkeit abspricht. Erstmals seit dem Gang ins schottische Exil ist sie nach dem Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 in ihre Heimatstadt zurückgekehrt.

Auf der Pressekonferenz hatte sie klargestellt, dass sie keinen Deal mit Spanien anstrebe, sondern dem Land »die Stirn« bieten wolle. Sie sei zurückgekommen, »um die systematische Verletzung unserer Rechte anzuprangern«, aber auch »die Passivität der katalanischen Institutionen«. Damit meinte sie die ehemaligen Koalitionspartner: JxCat hat im vergangenen Jahr die Regierungskoalition mit der Republikanischen Linken (ERC) wegen deren Schmusekurs mit Madrid verlassen. Ponsatí will mit ihrem Vorgehen auch erreichen, dass die »europäischen Institutionen nicht länger wegschauen«.

Dass das aber weiter der Fall ist, konnte man bei der Verhaftung sehen: Statt sofort ihre Immunität zu verteidigen, ließ die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, über eine Sprecherin nur verkünden: »Wir prüfen derzeit alle rechtlichen Aspekte dieses Falles.« Puigdemont forderte Metsola zum Handeln auf. »Wir haben ein Problem, das Ihr Eingreifen nötig macht«, erklärte er. Metsola dürfe nicht schweigen, da »ein Mitglied der Kammer festgenommen wurde, ohne ein Verbrechen begangen zu haben«.

Metsola weiß, dass die Aufhebung der Immunität notwendig ist. Auch der in den »Katargate«-Korruptionsskandal verwickelten Ex-Vizepräsidentin Eva Kaili musste die Immunität entzogen werden. Ponsatís Anwalt Gonzalo Boye erklärte, dass ein Haftbefehl nicht ausgeführt werden könne, solange Immunität bestehe. Die Aufhebung müsse beim Parlament beantragt werden, was Richter Pablo Llarena »zu keinem Zeitpunkt getan hat«.

Boye erinnerte daran, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt hat, dass der Oberste Gerichtshof nicht für die Katalanen zuständig ist. Spanien habe eine »komplette Niederlage« erlitten, so Boye gegenüber »nd«. Der EuGH hat die Ansicht der belgischen Justiz im Fall des Exil-Katalanen Lluis Puig bestätigt und einen Präzedenzfall geschaffen, der auch für Ponsatí gilt. Belgien bezweifelt, dass Katalanen in Spanien ein fairer Prozess erwartet. Ein EU-Land kann die Auslieferung einer Person mittels europäischem Haftbefehl verweigern, wenn deren »Grundrecht auf ein faires Verfahren« infrage stehe, erklärte der EuGH auf Anfrage von Llarena. Mitglieder der Puigdemont-Regierung wurden in Spanien für einen »Aufstand« zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Weder in Deutschland noch in der Schweiz, Belgien oder Schottland fanden Richter dafür Beweise und verweigerten deshalb Auslieferungen.

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