Düsendonner über Deutschland

Nato plant zwei große Manöver mit ähnlichem Namen in ganz Europa

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Kampfflugzeuge bei einer Übung mit Täuschkörpern in Polen.
Kampfflugzeuge bei einer Übung mit Täuschkörpern in Polen.

Es wird laut über Deutschland: Vom 12. bis 23. Juni sollen bis zu 10 000 Soldaten aus 24 Ländern an der Luftkriegsübung »Air Defender 23« der Nato teilnehmen. Es ist die bislang größte Übung dieser Art. Die Stützpunkte Jagel/Hohn (Schleswig-Holstein), Laage (Mecklenburg-Vorpommern), Wunstorf (Niedersachsen), Lechfeld (Bayern), Spangdahlem (Rheinland-Pfalz) sowie Volkel in den Niederlanden und Čáslav in Tschechien werden dafür besonders in Anspruch genommen. Insgesamt rund 200 Maschinen sollen ab Mai nach Europa verlegt werden, davon die Hälfte aus den USA. Geplant sind rund 250 Starts und Landungen pro Tag, sagt Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz, der das Manöver leiten wird.

Bei der Übung geht es um den Kern der Nato-Bündnisverteidigung. Laut Artikel 5 des Nato-Vertrages wird ein Angriff auf ein Mitgliedsland wie ein Angriff auf das gesamte Militärbündnis, dem derzeit 31 Staaten angehören, betrachtet. Deutschland trage mit der Planung, Organisation und Durchführung von »Air Defender 23« der Forderung nach Übernahme von mehr Verantwortung Rechnung, sagt dazu Luftwaffenchef Gerhartz. Im Falle einer Krise hätten die Luftstreitkräfte als »First Responder« aufgrund ihrer schnellen Reaktionsfähigkeit eine zentrale Bedeutung.

Das Nato-Versprechen auf gegenseitige Unterstützung im Bündnisfall hat seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 eine neue Bedeutung erlangt. Mit der Planung der Übung hatte die Bundeswehr 2019 begonnen. Mit dem Krieg »kam nun eine noch tragendere Rolle als weithin sichtbares Zeichen der Stärke der Nato und insbesondere des transatlantischen Bündnisses unter deutscher Führung zu«, schreibt die deutsche Luftwaffe auf ihrer Webseite.

»Air Defender 23«, sagt die Luftwaffe, sei ein »forderndes Übungsszenario« für befreundete und verbündete Militärs. Für die Bundeswehr ist es die größte »Live Flying Exercise« seit 40 Jahren, dabei habe man eine »rein verteidigende Trainingsabsicht«. Vermutlich wird das ganze Spektrum von bemannten und unbemannten Luftangriffs- und Luftverteidigungsoperationen – von Abfangübungen und Tieffliegereinsätzen bis hin zu Aufklärungs-, Tank- und Transporteinsätzen – geprobt, das könnte auch den Einsatz atomarer Waffen beinhalten. Die Bundeswehr gehört – wie andere an »Air Defender« beteiligte Armeen – im Rahmen der sogenannten Nuklearen Teilhaben zu den »Spediteuren« solcher Bomben.

»Die Bundeswehr ist bestrebt, die Belastungen für die Bevölkerung und den zivilen Luftverkehr so gering wie möglich zu halten«, heißt es in einem Schreiben an Luftsportverbände. Ähnlich versichert es die Parlamentarischen Staatssekretärin Siemtje Möller, eine Parteifreundin von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Vereinbart seien drei temporäre Übungslufträume, die für jeweils bis zu vier Stunden pro Tag für den zivilen Luftverkehr gesperrt sind. Am Wochenende sollen keine Übungsflüge stattfinden.

Während in Deutschland über das Luftkriegsmanöver »Air Defender 23« gesprochen wird, informierte Sabrina Singh, die stellvertretende Pressesprecherin des Pentagons, am vergangenen Mittwoch über ein weiteres, noch größeres Manöver namens »Defender 23«. Es soll bereits am 22. April beginnen und über zwei Monate in zehn europäischen Ländern abgehalten werden. Rund 9000 US-Soldaten würden dazu, so Singh, mit etwa 17 000 weiteren Militärs aus Partnernationen zusammenarbeiten.

Geleitet wird das Kriegsspiel mit insgesamt 26 000 Soldaten vom Europa-Kommando der US-Armee in Stuttgart. Beteiligt sind Soldaten aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Großbritannien, Italien, Kosovo, Kroatien, der republik Moldau, Montenegro, den Niederlanden, Nordmazedonien, Polen, Rumänien, Slowenien, Spanien, Schweden, Tschechien und Ungarn.

Mit der Übung wolle man die Fähigkeit des US-Militärs demonstrieren, in Übersee schnell kampffähige Truppen und Ausrüstung einzusetzen, und so diejenigen abschrecken, die den Frieden Europas bedrohen, erklärte Pentagon-Sprecherin Singh. Bereits in der vergangenen Woche sei dazu allerlei Material in Spanien entladen worden.

Künftig wird die Nato jedoch mehr Wert auf die Einlagerung von Militärtechnik in europäischen Bündnisstaaten legen. Vor wenigen Tagen wurde beispielsweise im polnischen Powidz ein US-Waffendepot eingeweiht. Bei dieser Luftwaffenbasis soll es sieben gigantische Lagerhäuser geben, in denen unter anderem 2700 Panzer und Panzerfahrzeuge vorgehalten werden, erklärte Mark Brzezinski, der US-Botschafter in Polen. Das Lager ist die größte einzelne Infrastrukturinvestition des Bündnisses in den vergangenen drei Jahrzehnten. Es wird um die 360 Millionen Dollar kosten. Die Mittel bringt die Nato und damit auch Deutschland auf.

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