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Israel: Ein Land in Gefahr

Angesichts eines drohenden Demokratieabbaus in Israel ist internationale Solidarität geboten, meint Michael Sappir

  • Michael Sappir
  • Lesedauer: 3 Min.

Anfang Januar hat Israels neue ultranationalistische Regierung eine Reihe an Gesetzesvorlagen vorgestellt. Ihr roter Faden: der Abbau bürgerrechtlicher Errungenschaften und die Abschaffung der ohnehin schwachen Gewaltenteilung. Diese sogenannte Justizreform löste nahezu panische Reaktionen weltweit und einen noch nie dagewesenen andauernden Protest innerhalb Israels aus. Selbst angesichts des ständig skurrilen deutschen Diskurses zu Israel-Palästina: Die Unverhältnismäßigkeit der Reaktionen seitens der deutschen Politik ist bemerkenswert.

Aus den Ampel-Parteien tröpfeln vorsichtige Sorgebekundungen, auch von Außenministerin Annalena Baerbock. Immerhin tangiert der Demokratieabbau in Israel Deutschlands PR-Strategie, die auf der Weltbühne eine bedingungslose Unterstützung des »jüdischen Staates« mit einer vermeintlichen Verteidigung der Demokratie verbindet. Was hingegen kaum einen Ausdruck findet, ist linke Solidarität mit den Menschen vor Ort. Öffentliche Äußerungen von Linke-Politiker*innen zum Thema lassen sich an einer Hand abzählen. Inhaltlich werden auch diese Äußerungen der realen Gefahr kaum gerecht.

Michael Sappir
Michael Sappir ist Publizist und Mitbegründer des Jüdisch-israelischen Dissens (JID) Leipzig.

Denn es ist keine Übertreibung, von einer faschistischen Gefahr zu sprechen: Israels Finanzminister Bezalel Smotrich bezeichnet sich selbst als »homophober Faschist«. Mit seinem rechtsterroristischen Bündnispartner Itamar Ben-Gvir, nun Minister für Nationale Sicherheit, teilt er den ausdrücklichen Wunsch, den bürgerlichen Staat zu ersetzen und die Palästinenser*innen mit Waffengewalt zu vertreiben. Auch innerhalb Netanjahus Likud-Partei sind solche Ansichten heute keine Seltenheit. Die ehemaligen Partner Netanjahus, die jetzt den rechten Flügel der Opposition führen, sind kaum weniger nationalistisch.

Israelis konnten Ende März tief aufatmen, als Netanjahu gezwungen wurde, mit den Vorhaben zum Umbau der Justiz bis zur nächsten Legislaturperiode zu pausieren. Gebannt ist die Gefahr dennoch nicht: Scheitert die »Reform«, dann scheitert auch die Koalition. Damit, dass sie ihre Pläne endgültig absagt, ist kaum zu rechnen. Die Proteste gehen trotz allem weiter – entgegen des üblichen Musters für Israel, auch trotz einer laufenden militärischen Eskalation. Sie lösen zurecht Bewunderung aus. Diese darf aber die latente Schwäche der Bewegung nicht verdecken.

Viele Demonstranten radikalisieren sich: Das einfache »Nein« zur Regierung wandelt sich in eine positive Forderung nach etwas, was es in Israel bislang nie gegeben hat: eine verbindliche Verfassung. Oder zumindest ein grundgesetzlich verankertes Recht auf Gleichheit. Gleichzeitig berichten Teilnehmende von wachsendem Zuspruch für Parolen wie »Demokratie für alle, vom Jordan bis zum Meer«. Dem entgegensteuernd könnte Netanyahu allerdings umso leichter eine Spaltung mit kompromissbereiten Teilen der Protestbewegung erzwingen. Und Ben-Gvir hat er als Ausgleich für die Pausierung der »Reform« jüngst schriftlich zugesichert, eine »Nationalgarde« zu errichten, die der Minister gegen palästinensische Israelis einsetzen will. Warum dann nicht auch gegen die Proteste?

Der Ausgang der jetzigen Krise ist unklar. Sie könnte das Ende der israelischen »Ethnokratie«, wie Oren Yiftachel den Begriff geprägt hat, und die Entstehung einer wahrhaftigen Demokratie einläuten – oder das Ende formaler Demokratie und die Entstehung eines rechtsreligiösen Schreckensregimes. Bevor es zu spät ist, braucht es jetzt aktive, lautstarke und internationale Solidarität. Wenn Millionen Staatenlosen offen mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit gedroht wird, ist das keine »innenpolitische« Angelegenheit mehr. Die israelische Regierung, wirtschaftlich sowie diplomatisch von internationaler Unterstützung abhängig, könnte Druck von außen nur schwer ignorieren. Wenn das laute Schweigen in Deutschland eine Form der Solidarität darstellen soll, lässt sich kaum erklären, wie diese den Menschen vor Ort zugute käme. Nun sind klare Worte nötig.

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