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  • Tschad und Deutschland weisen gegenseitig Botschafter aus

Tschad im Clinch mit Deutschland

Botschafter in N’Djamena und Berlin müssen die Koffer packen

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Theoretisch hätten sie sich in Berlin treffen können: Deutschlands Botschafter in Tschad und Tschads Botschafterin in Deutschland. Jan-Christian Gordon Kricke ist seit Beginn dieser Woche in Berlin. Kurz zuvor hatte das zentralafrikanische Land in einer kurzen Regierungserklärung, die der Redaktion vorliegt, verlautbart, dass Kricke das Land binnen 48 Stunden verlassen müsse, ohne ihn vorher einzubestellen. Wie das Auswärtige Amt auf Nachfrage dieser Redaktion mitteilt, wird die Botschaft in der Hauptstadt N’Djamena derzeit von der Ständigen Vertreterin geführt. Tschads Botschafterin Mariam Ali Moussa wurde am Dienstagmittag mitgeteilt, dass sie Deutschland innerhalb von 48 Stunden verlassen muss. Es war die Reaktion auf die »unbegründete Ausweisung unseres Botschafters in Tschad«, wie das Auswärtige Amt mitteilte. »Wir bedauern, dass es dazu kommen musste.«

Doch was steckt hinter diesem diplomatischen Affront? Kricke, seit Juli 2021 deutscher Botschafter in Tschad, hatte sich wiederholt und auf Geheiß des Auswärtigen Amtes kritisch über die Menschenrechtslage und gegenüber der international umstrittenen Regierung, eine brachiale Militärjunta, geäußert. Dies wollte offenbar die tschadische Regierung nicht weiter hinnehmen. Sie warf dem deutschen Diplomaten Missachtung von diplomatischen Gepflogenheiten sowie eine unhöfliche Haltung vor. Die Regierung um den diktatorischen Machthaber Mahamat Idriss Déby Itno sieht darin einen Verstoß gegen die sogenannte Wiener Konvention, die diplomatische Beziehungen zwischen Staaten regeln soll. Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten und Kritik an der Regierung sollten möglichst vermieden werden. Krickes Verhalten ist für N’Djamena Grund, ihn, der laut Informationen des »nd« zuvor bereits durch »Ordnungsrufe« zur Räson gebracht werden sollte, auszuweisen.

Kricke trat seit der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten im vergangenen Herbst verstärkt für die Einhaltung von Menschenrechten und die Abhaltung regulärer Wahlen ein. Vor fast genau zwei Jahren war Langzeit-Herrscher Idriss Déby, Vater des aktuellen Präsidenten, bei Kämpfen mit Rebellen im Norden des Landes ums Leben gekommen. Seither hat sein Sohn Mahamat die Macht inne. Er versprach damals innerhalb von 18 Monaten reguläre Wahlen abzuhalten. Doch stattdessen wurde im Oktober vergangenen Jahres seine Amtszeit um zwei weitere Jahre verlängert. Außerdem wird er selbst bei den geplanten Wahlen antreten, die kaum internationalen Standards genügen dürften. Somit ist sein Machtverbleib laut Experten gesichert, denn freie Wahlen gibt es seit Jahrzehnten nicht in der früheren französischen Kolonie. Débys Pläne hatten zu blutigen Protesten geführt. Sicherheitskräfte schossen auf Protestierende. Damals starben 73 Menschen, laut Opposition mehrere Hundert.

Regierungen westlicher Länder kritisierten die Menschenrechtslage und das Vorgehen der Sicherheitskräfte scharf. Darunter auch Kricke. Nach Information des »Spiegels« erhielt Tschads Präsident deshalb auch aus der französischen und der US-Regierung entsprechende kritische Signale. Dass sein Ärger nun den deutschen Botschafter trifft und nicht etwa den französischen, dürfte vor allem mit der starken militärischen Präsenz Frankreichs in der Region und vor allem im Tschad zusammenhängen.

In dem 17-Millionen-Einwohnerland befindet sich etwa am Flughafen von N’Djamena eine der zentralen französischen Militärbasen in Afrika. Von dort starten unter anderem auch die Anti-Terroreinsätze der Franzosen in der gesamten Sahel-Region. Paris hält auch gemeinsame Manöver mit den tschadischen Streitkräften ab. Trotz großer antifranzösischer Ressentiments in Tschad wird an der militärischen und ökonomischen Verbundenheit mit der früheren Kolonialmacht festgehalten. Da wird lieber ein nicht so wichtiger Botschafter, wie der Deutschlands, rausgeworfen, sobald er die Regierung kritisiert und auf internationale Standards drängt.

Das Auswärtige Amt lobte Kricke indes für seine vorbildliche Amtsausübung, für sein Engagement für Menschenrechte sowie für seinen Einsatz für einen raschen Übergang zu einer zivilen Regierung. An dieser Marschroute wolle die deutsche Botschaft in dem Land gemeinsam mit Partnern vor Ort festhalten.

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