Sudan: Nachbarländer fürchten Krieg

Bei den Kämpfen mischen auch Ägypten und die Söldner der Gruppe Wagner mit

  • Mirco Keilberth, Tunis
  • Lesedauer: 5 Min.

Eine Woche nach Beginn der Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und den Paramilitärs der Rapid Support Forces (RSF), der Schnellen Unterstützungstruppe, gibt es erste Hoffnungen auf einen vorübergehenden Waffenstillstand. Der ehemals mit Armeechef Abdel Fattah Al-Burhan verbündete RSF-Kommandeur Mohammad Hamdan Daglo, bekannt unter seinem Kampfnamen »Hemeti«, verkündete am Freitagvormittag die Einstellung aller Angriffe seiner Soldaten für 72 Stunden.

Die von der Regierung aufgebaute und bezahlte RSF-Miliz hatte in den letzten Tagen strategische Orte in der Hauptstadt, in der Darfur-Provinz und an der ägyptischen Grenze unter ihre Kontrolle gebracht. Nun sollen mit den am Freitag beginnenden muslimischen Eid-Feiertagen zum Ende des Ramadan Verletzte geborgen und die Vorräte in den Krankenhäusern aufgefüllt werden. Auch die Lebensmittelvorräte der in ihren Häusern ausharrenden Bewohner Khartums werden knapp.

Armeechef Al-Burhan und Daglo hatten bereits dreimal einem von den Vereinten Nationen und dem sudanesischen Ärzteverband geforderten Waffenstillstand zugestimmt. Doch Unbekannte hatten die Versuche sudanesischer Ärzte, die Verletzten und Toten aus den umkämpften Wohngebieten zu evakuieren, mit Granatenangriffen unterbunden. Das Medienzentrum der in den letzten Jahren zu einer 100 000-Mann-Armee angewachsenen RSF machte mit der Regierung verbündete Islamisten für die Provokationen verantwortlich.

Sudanesische Ärzte zählten bisher mehr als 350 Todesopfer und über 2000 Verletzte, auch am Freitagmorgen gingen in Khartum Raketen und Granaten nieder. 32 der 50 Krankenhäuser in der Hauptstadt sind wegen der Kämpfe geschlossen. Während die RSF in der westlichen Provinz Darfur mehrere Armeekasernen übernommen hat, sind Al-Burhans Soldaten rund um die westsudanesische Hafenstadt Port Sudan auf dem Vormarsch.

Mittlerweile wächst in der Region die Angst vor einer Ausweitung des Konflikts über die sudanesischen Grenzen hinaus. 27 der in der nordsudanesischen Stadt Merowe gefangen genommenen Angehörigen der ägyptischen Luftwaffe übergab die RSF am Donnerstag an das Rote Kreuz. Ägypten hat über 300 Soldaten im Sudan stationiert, offiziell, um die sudanesische Armee auszubilden. Nach Überzeugung politischer Beobachter im Sudan dienen die fünf ägyptischen MiG29-Kampfjets in Merowe der Abschreckung Äthiopiens. Von Merowe aus könnte Ägypten den »Renaissance«-Staudamm bombardieren, mit dem die Regierung in Addis Abeba den Nil staut. Der im letzten Jahr vollendete Damm gefährdet aus Sicht Kairos die Ernteerträge der ägyptischen Bauern.

Mehrmals bereits drohte das Militärregime von Abdelfattah Al-Sisi Äthiopien mit Krieg und hat sich mit der sudanesischen Armee verbündet. Mit dem sogenannten Kairoer Prozess versuchte Al-Sisi, ein Abkommen zu stören, das unter Vermittlung der Vereinten Nationen im Februar zwischen Daglo, der sudanesischen Armee und 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Khartum geschlossen wurde. Darin wird die Integration der RSF in die Armeestrukturen und die schrittweise Übergabe der Macht an eine zivile Regierung geregelt.

Der aus einfachen Verhältnissen stammende Daglo gibt sich schon seit Längerem als Politiker und will eine schnelle Übergabe der Macht an zivile Autoritäten. Doch die politische Elite in Khartum und die Armee sehen in den ehemals als »Dschandschawid« bekannten RSF-Kämpfern bestenfalls Handlanger und wollen den Übergangsprozess zur Demokratie auf zehn Jahre ausdehnen.

Die »Dschandschawid«-Truppe hatte der bis 2019 regierende Langzeitherrscher Omar Al-Baschir zur Kontrolle der abtrünnigen Darfur-Provinz ins Leben gerufen. »Dschandschawid«-Kommandeur Daglo hatte Al-Baschir zusammen mit der sudanesischen Armee vertrieben. Doch während Armeechef Al-Burhan Teil der Machtelite in Khartum ist und islamistischen Gruppen nahesteht, hat die RSF junge Kämpfer aus verarmten Provinzen des Tschad, Libyens und des Sudan rekrutiert.

In der Zentralafrikanischen Republik und Libyen kämpfte die RSF zusammen mit den Söldnern der Kreml-nahen russischen Sicherheitsfirma Wagner. In Darfur und im libysch-tschadischen Grenzgebiet verdienten Wagner und RSF am Menschenhandel und an der Sicherung der zahlreichen in den letzten Jahren entstandenen Goldgräbersiedlungen mit.

Ein Teil des in der Sahara geschürften Goldes wird über den Flughafen der libyschen Hauptstadt Tripolis in die Türkei exportiert, der andere über den nun schwer beschädigten Flughafen von Khartum nach Moskau und Abu Dabi geflogen. Der bis vor einer Woche als Stellvertreter von Armeechef Al-Burhan agierende Daglo hatte im März letzten Jahres dem Kreml den Bau einer russischen Militärbasis in der Hafenstadt Port Sudan zugesagt.

Libysche Medien berichteten am Donnerstag von Waffenlieferungen der Libysch-Arabischen Armee des Feldmarschalls Khalifa Haftar an Daglos Truppe. Ein russisches Transportflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 hätte Munition aus Syrien gebracht, vermuten gut informierte Quellen aus dem libyschen Bengasi gegenüber dem »nd«. Zusammen mit Haftar und den Wagner-Söldnern hatte Daglos Miliz 2019 die libysche Hauptstadt belagert. »Sollte seine RSF durch eine ägyptische Intervention den Kampf um Khartum verlieren, wird Daglo zusammen mit seinen Verbündeten in Süd-Libyen und Darfur eine Art informellen Staat aufbauen«, warnt der politische Analyst Younis Issa aus dem libyschen Kufra. Issa glaubt wie viele in der Region nicht an ein schnelles Ende des Konflikts im Sudan: »Sollte der Kampf um Khartum nicht bald enden, wird dies mehrere ungelöste Konflikte in der Region wiederbeleben.«

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