»Janes tierische Abenteuer«: Wissbegier und Plüschprimat

In der Wissensfiktion »Jane« eifert die neunjährige Titelheldin ihrer Namensvetterin Goodall nach und rettet bedrohte Tiere

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.
Es gibt immer was zu tun für Jane (Ava Louise Murchison) bei derart vielen bedrohten Tierarten auf der Welt.
Es gibt immer was zu tun für Jane (Ava Louise Murchison) bei derart vielen bedrohten Tierarten auf der Welt.

Erwachsene sind im Kinderfernsehen schnell, was Kinder umgekehrt im Erwachsenenfernsehen oft sind: irgendwie ja ganz drollig, am Ende aber zu begriffsstutzig, tendenziell doof für die richtig wichtigen Dinge des Lebens. Janes Eltern zum Beispiel, gewiss herzensgute Menschen. Doch wenn es um die Umweltkatastrophen geht, auf die wir gerade zusteuern, haben beide fast so viele Bretter vorm Kopf wie der Hausmeister, dem Jane anno 2023 allen Ernstes noch korrekte Mülltrennung erklären muss.

»Was ändert es schon, wenn einer nicht recycelt«, sagt der Ordnungshüter ihrer adretten Wohnsiedlung irgendwo im Überfluss Nordamerikas, als er mal wieder Papier und Plaste mischt. »Einer kann alles ändern«, entgegnet die kleine Heldin der Serie »Jane«, deren Übersetzung »Janes tierische Abenteuer« zwar wie üblich von bemitleidenswerter Dusseligkeit ist, aber den heiteren Tiefgang der ersten zehn Teile nicht verhehlen kann.

Die neunjährige Hauptfigur (Ava Louise Murchison) eifert schließlich ihrer legendären Namensvetterin – der britischen Verhaltensforscherin Jane Goodall – nach, versucht pro 20-minütiger Folge demnach eine Tierart vorm Untergang zu retten, und wer des Lateinischen mächtig ist, weiß sogar schon vor der dramatischen Einstiegsszene mit ihrem Spielplatzfreund David (Mason Blomberg) im Schneesturm, was in der Serie mit »Ursus maritimus« gemeint sein könnte: der Eisbär, plakativstes Symbol unseres verheerenden Umgangs mit Flora und Fauna.

In Janes Welt stromert der polare Fleischfresser durch ihre klimatisch gemäßigte Stadt, wühlt im Zivilisationsmüll und macht Jagd auf Schimpansen. Schimpansen? Spätestens hier befielen selbst begriffsstutzig doofe Eltern Zweifel am Gezeigten – sofern sie den Affen Greybeard wirklich sehen könnten. Der bleibt nämlich – diesen erzählerischen Trick hat Serienschöpfer J. J. Johnson zwar nicht exklusiv, aber neu interpretiert – für alle außer Jane und David ein regungsloses Stofftier. Und überhaupt, die Serientiere …

Wie bei Christopher Robins »Pu der Bär«, wie bei Wattersons »Calvin & Hobbes« oder bei James Stuarts Hasenfreund »Harvey«, verlassen gefährdete Lebewesen hier nur im Kinderkopf ihr angestammtes Habitat, entfalten dort allerdings nachhaltige Wirkung. Wenn Jane und ihr chaotischer Kuschelprimat ums Überleben von Weißem Hai und Honigbiene, Flughund oder Krokodil, Blauwal und Monarchfalter, Nashorn oder Rentier und zu guter Letzt natürlich des stattlichsten aller bedrohten Geschöpfe kämpfen, Panthera tigris, besser bekannt als Königstiger, dann geht es um Hirngespinste.

Mit Walkie-Talkie, Wissbegier und unerschöpflichem Optimismus bewaffnet, entführen Jane und David ihr – tendenziell junges, sicher nicht unreifes – Publikum in die Köpfe der vermeintlich letzten Generation und beseelen damit eine Art Sesamstraßen-Sektion der Fridays for Future, die das vernachlässigte Menschheitsthema Klimakrise kindgerecht vermittelt, ohne infantil zu werden. Damit erinnert »Jane« ein bisschen an einen Mix aus »Leschs Kosmos« und »Sendung mit der Maus«, was schon deshalb bedeutsam wird, weil auf jedes ihrer zehn computeranimierten Abenteuer fünf Minuten Chat mit einer leibhaftigen Person der seriösen Naturforschung folgt.

Dass die dargestellten Tierarten in der ersten Staffel ein bisschen, nun ja, marketingtauglich sind, ist dabei durchaus akzeptabel. Für die Biodiversität mögen Küstenseeschwalbe oder Kabeljau relevanter sein als das Spitzmaulnashorn Diceros bicornis im achten Teil. Aufmerksamkeit generieren Umweltschützer jedoch besser mit Größe, Anmut, Furchteinflößung als biologischer Bedeutung. Wenn Klimakleber an einer großen Verkehrskreuzung pappen, sind schließlich auch mehr Kameras zugegen als beim Festketten an einer kleinen Ölraffinerie, was meistens unter Ausschluss der Öffentlichkeit läuft.

Natürlich ist es verlogen, wenn sich das Streamingportal eines profitgetriebenen Tech-Konzerns wie Apple, der uns Jahr für Jahr für Jahr ein neues, überflüssiges, ausbeuterisches, ressourcen- und energieverschlingendes Endgerät als überlebensnotwendiges Nice-to-Have unterjubelt, mit einer solchen Serie grünzuwaschen versucht. Aber besser der Falsche mahnt hörbar zur Besinnung als niemand. Und in der zweiten Staffel kann Jane dann ja auch mal weniger eindrucksvolle Wesen als Königstiger retten. Denn eine Million von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten sind weltweit gefährdet. Die Auswahl ist riesig. Und sie wird leider täglich größer.

Verfügbar auf Apple TV.

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