Credit Suisse: Ungemach von allen Seiten

Bei der Credit Suisse ging der Abfluss von Vermögen im ersten Quartal unvermindert weiter

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Credit Suisse als eigenständige Bank ist bald Geschichte.
Die Credit Suisse als eigenständige Bank ist bald Geschichte.

Die gestrauchelte Credit Suisse hat im ersten Quartal dieses Jahres erneut einen hohen Verlust verzeichnet. Er beläuft sich auf 1,3 Milliarden Franken, umgerechnet gut 1,3 Milliarden Euro. Dies geht aus den Quartalszahlen hervor, den die Großbank überraschend bereits am Montag in Zürich veröffentlichte. Zudem verzeichnete die Credit Suisse weiterhin einen erheblichen Abfluss von Kundengeldern: Die Mittelabflüsse beliefen sich in den ersten drei Monaten des Jahres auf knapp 61 Milliarden Franken. Laut Medienmitteilung fand ein Großteil dieser dramatischen Abflüsse erst in der zweiten Märzhälfte statt und dürfte sich seither fortgesetzt haben. Die »Neue Zürcher Zeitung« schreibt von einem »Quartalsbericht des Grauens«.

Dabei weist die 18-seitige Medienmitteilung der Bank zunächst einen ungewöhnlich hohen Quartalsgewinn von 12,4 Milliarden Franken aus. Dies ist den sogenannten AT1-Abschreibungen zu verdanken, die im Rahmen der Rettung der Bank von der Aufsicht verfügt worden sind. Um diese sowie weitere Abschreibungen bereinigt, verbleibt unterm Strich ein Verlust von 1,3 Milliarden Franken. Es handelt sich um den sechsten Quartalsverlust in Folge.

Gläubiger der Credit Suisse wehren sich jedoch gegen die von der Schweizer Finanzaufsicht (Finma) verordnete Zwangsabschreibung, berichtet das »Handelsblatt«. Die Investoren hatten insgesamt 16 Milliarden Franken in Anleihen investiert. Bei den AT1-Anleihen handelt es sich um spekulative Zinspapiere, die im Krisenfall abgeschrieben werden können, um die Kapitalbasis einer Bank zu stärken. Die Käufer dieser hoch verzinsten Wertpapiere erlitten einen Totalverlust. Darunter soll sich beispielsweise auch die Pensionskasse des Schweizer Lebensmittelhändlers Migros befinden.

Noch von anderer Seite droht Ungemach. Der US-Rechtsanwalt Neil Barofsky wirft der Credit Suisse in einem 205 Seiten langen Bericht für den US-Senat vor, Tausende Konten von Personen und Firmen während der 1930er und 1940er Jahre geführt zu haben, die von Argentinien aus mit dem Naziregime eng verbunden waren. Die Bank weist die Vorwürfe zurück. Und hat nun laut Medienberichten selbst wieder zu ermitteln begonnen.

Die Credit Suisse, die zu den weltweit 30 systemrelevanten Instituten gehört, wird vom heimischen Konkurrenten UBS mit Rückendeckung der Schweizer Regierung übernommen. Ein genauer Zeitpunkt steht noch nicht fest. Die Credit Suisse stellte ihre Zahlen am Montag möglicherweise zum letzten Mal vor. Die sonst übliche Pressekonferenz entfiel. Der Termin wurde kurzfristig von Donnerstag vorverlegt, wohl, weil die UBS-Spitze diesen Dienstag eigene Quartalszahlen präsentiert und auf Fragen zur nicht unumstrittenen Übernahme der Credit Suisse eingehen dürfte.

Die Bank sei letztlich Opfer einer Sondersituation geworden, sagte kürzlich der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Christian Sewing. Der Deutsche-Bank-Chef führte ähnlich wie bei der Silicon Valley Bank die Pleite auf fehlendes Vertrauen zurück. »Der Markt« habe das Vertrauen in die nachhaltige Profitabilität der Credit Suisse verloren. Beide Fälle seien nicht auf deutsche und europäische Banken anzuwenden. Diese seien im Unterschied zur Credit Suisse etwa bei Eigenkapital und Liquidität »deutlich robuster und widerstandsfähiger als zur Zeit der Weltfinanzkrise vor 15 Jahren« aufgestellt.

Die jüngsten Finanzmarkturbulenzen haben mit der Krise 2007/2009 kaum etwas zu tun, ist auch Rudolf Hickel überzeugt. Die beiden Krisenbanken Silicon Valley Bank in Kalifornien und Credit Suisse weisen jedoch auf andere Gründe hin: »Mangelnde Einhaltung der zum Teil auch politisch wieder abgeschwächten staatlichen Regulierungen, eine unzureichende Aufsicht über die Banken sowie neue Risiken durch die Nutzung digitaler Massenmedien.« Letztere sorgten dafür, dass der Absturz einer Bank weltweit »in Windeseile Misstrauen und Angst« verbreite. Neuerdings belaste auch eine Geldpolitik, die mit Zinserhöhungen gegen die Inflation vorgeht, die Bankenbilanzen.

Letztlich lösten die Finanzmärkte, in deren Mittelpunkt die Banken stehen, so immer wieder Krisen aus, die das Gesamtsystem, also auch die Realwirtschaft, bedrohten, kritisiert der Professor am Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW). Zur Sicherung des Vertrauens in das Finanzsystem fordert der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Hickel eine höhere Abdeckung der Geschäftsrisiken mit Eigenkapital, eine Deckelung der maximal zulässigen Verschuldung einer Bank sowie die Trennung des »normal-dienenden« Kundengeschäfts von dem spekulativen Investmentbanking. Nobelpreisträger Paul Krugman habe mehr denn je recht mit seiner 2009 formulierten Forderung: »Macht Banken langweilig« – dafür aber stabil.

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