Irrtümer des Erbrechts

Berliner Testament lässt sich im Alleingang ändern?

  • Jan Bittler
  • Lesedauer: 5 Min.
Das Testament muss ganz präzise formuliert sein.
Das Testament muss ganz präzise formuliert sein.

Jahr für Jahr werden in Deutschland 400 Milliarden Euro hinterlassen. Doch nur etwa jeder vierte Bürger schafft es, frühzeitig aufzuschreiben, wer mal was bekommen soll. Nur die wenigsten Erblasser kriegen das einwandfrei hin. Was sind die gängigsten Irrtümer im Erbrecht?

Der Ehepartner erbt alles: Ehepaare und Verpartnerte liegen falsch, wenn sie glauben, dass der andere sowieso allein erbt, wenn einer von ihnen stirbt und kein Kind da ist. Denn: Gibt es kein Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, greift die gesetzliche Erbfolge. Die besagt: Der länger Lebende erbt nur zu drei Viertel. Je ein Achtel geht an die Eltern des Verstorbenen. Sind beide tot, erben die Geschwister, Halbgeschwister oder Großeltern. Zusammen mit dem verwitweten Partner bilden sie dann eine Erbengemeinschaft. Das kann konfliktreich enden. Deshalb so früh wie möglich ein gemeinsames Testament machen, am besten gleich nach der Hochzeit. Für Nichtverheiratete gilt gar kein gesetzliches Erbrecht: Der länger Lebende erbt nur dann, wenn es ausdrücklich in einem Testament festgeschrieben ist.

Beispiel 1: Ein junges Paar heiratet. Kurz darauf stirbt der Ehemann. Die Witwe hat über Nacht die ungeliebten Schwiegereltern als Miterben. Weil diese auf ihr Erbteil pochen, muss sie die neu erworbene Wohnung und die Uhrensammlung des Verstorbenen verkaufen und sie ausbezahlen. Beispiel 2: Ein Ehepaar ist kinderlos und hat kein Testament. Der Mann stirbt. Seine Eltern sind bereits tot. Aber er hat noch zwei Brüder. Sie werden zu Miterben und verlangen ihren Anteil. Die Witwe muss das Eigenheim verkaufen, um sie auszubezahlen. 

Ein Berliner Testament lässt sich im Alleingang ändern: Falsch. Eheleute, die ein gemeinschaftliches Testament (Berliner Testament) gemacht haben, können dies auch nur gemeinsam wieder verändern. Einem allein sind die Hände gebunden. Typischerweise setzen sich Paare darin gegenseitig als Alleinerben ein und den Nachwuchs als Schlusserben. Bei kinderlosen Paaren erben oft Neffen, Nichten, Tanten. Zum Problem kann diese Konstruktion nach dem ersten Erbfall werden, wenn einer von beiden stirbt und der länger Lebende beispielsweise Kind A nicht mehr als Schlusserben haben will, sondern nur noch Kind B oder einen Enkel, der sich rührend kümmert. Ein gemeinsames Testament lässt sich nach dem ersten Todesfall nur dann noch verändern, wenn beide von Anfang an eine solche Änderungsregel verfügt hatten.

Undankbare Kinder können als Erben gestrichen werden: Es ist ein Irrglaube, dass Eltern ihre Kinder beim Nachlass leer ausgehen lassen können. Selbst wenn Vater und Mutter vom Nachwuchs schwer enttäuscht sind, können sie diesen nicht per Testament komplett enterben. Ein Pflichtteil steht ihnen immer zu. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und muss in Geld ausbezahlt werden – selbst wenn die Eltern das nicht wollten. Komplett enterben ist höchstens bei schlimmen Verfehlungen der Kinder gegen Vater und Mutter möglich wie etwa bei einem Mordkomplott.

Pflegerin aus Polen darf nicht erben: Grundsätzlich kann jeder seiner privaten Pflegekraft, Haushaltshilfe oder etwa der Nachbarin im Testament etwas zukommen lassen, ob Geld, Aktien, Schmuck oder Immobilien – vorausgesetzt, das Testament ist formal in Ordnung. Eine Anfechtung vor Gericht ist oft schwer durchzusetzen. Ihnen bleibt noch der Anspruch auf den Pflichtteil. Ganz anders sieht es aus, wenn jemand im Alten- oder Pflegeheim lebt und das dort angestellte Personal zu Erben bestimmt. Eine solche testamentarische Verfügung ist in der Regel unwirksam. Weder die stationären Pfleger noch der Heimträger oder die Heimleitung dürfen im Testament bedacht werden. Dafür sorgen die Heimgesetze der Bundesländer respektive Paragraf 14 im bundesweiten Heimgesetz.

Besser mit dem Computer geschrieben als gar nicht: Soll der letzte Wille Bestand haben, muss er auch in der heutigen Zeit handgeschrieben werden, und zwar vom ersten bis zum letzten Wort. Ein per Computer getipptes Testament ist ungültig. Werden getippte Listen als Anhang einem handgeschriebenen Testament beigefügt, kann das Ganze unwirksam werden. Andere das Testament schreiben lassen, gilt ausnahmsweise beim gemeinschaftlichen Testament: Hier darf ein Ehepartner den Text schreiben, beide setzen ihre Unterschrift darunter, am besten auf jeder Seite.

Der Fiskus frisst das Erbe auf: Nahe Verwandte und eingetragene Lebenspartner brauchen sich häufig keine Sorgen um Erbschaftssteuern machen. Freibeträge schützen sie. So kann eine Ehefrau bis zu 500 000 Euro von ihrem verstorbenen Mann erben, ohne Steuern zu zahlen. Kinder dürfen von jedem Elternteil Werte von bis zu 400 000 Euro steuerfrei erhalten, Enkel bis zu 200 000 Euro. Erst bei noch größeren Vermögen greift der Fiskus zu. Anders sieht beim Vererben auf Geschwister, Neffen, Nichten, Cousins, Schwiegerkinder, auf Freunde oder nichteheliche Lebenspartner aus. Sie dürfen nur bis zu 20 000 Euro steuerfrei behalten. Hinterlässt eine Frau ihrer Schwester beispielsweise 400 000 Euro, muss die Schwester davon 380 000 Euro versteuern. Beim Steuersatz von 25 Prozent gehen 95 000 Euro ans Finanzamt. 

Erbantritt beim Plus, Erbverzicht bei Schulden: Erben ist nicht automatisch ein Grund, sofort der Erbschaft zuzustimmen. Doch wer Schulden miterbt, muss auch dafür gerade stehen. Man erbt entweder alles oder gar nichts. Man kann das Erbe ausschlagen. Dafür gilt eine Frist von nur sechs Wochen. Sie beginnt, sobald man vom Tod des Erblassers erfährt. Gibt es ein Testament oder einen Erbvertrag, beginnt der Zeitpunkt an dem die Verfügung eröffnet wird. Wird die Frist versäumt, gilt das Erbe automatisch als angenommen.

Der Autor ist Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV).

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