Mietenwahnsinn in Hamburg

Studie zur Mietenentwicklung - Hafencity für Reiche, Steilshoop für Sozialmieter

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer heute in Hamburg einen neuen Mietvertrag abschließt, zahlt durchschnittlich 14,75 Euro pro Quadratmeter – 50 Cent mehr als 2022. Im Durchschnitt stiegen die Kaltmieten in der Hansestadt binnen eines Jahres um 3,6 Prozent, im Umland sogar um 4,3 Prozent. Vor einem Jahrzehnt war das Wohnen in der Stadt um die Hälfte teurer als im Speckgürtel, aktuell beträgt der Unterschied nur noch ein Drittel. Das heißt: Ein Umzug raus aus der City lohnt sich kaum noch.

Die Zahlen präsentierten Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Ohmoor am Montag in den Räumen des Hamburger Mietervereins. Die Wohnungsmarktstudie, die seit 37 Jahren vom jeweiligen Geografie-Wahlkurs der Schule erstellt wird, basiert auf 8000 anonymisierten Datensätzen des Internetportals Immowelt und Recherchen auf anderen Immobilienplattformen.

Doch Hamburg ist nicht gleich Hamburg. In der Stadt konstatierten die Nachwuchswissenschaftler ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Sprich: Wer nördlich der Elbe wohnt, zahlt meist mehr Miete. So liegen die Kaltmieten in Blankenese bei 18 und in Othmarschen bei mehr als 19 Euro pro Quadratmeter, auf der Veddel dagegen bei gut zwölf und in Marmsdorf »nur« bei knapp zehn Euro.

Als »kleine Insel im Norden« bezeichnete eine Schülerin bei der Präsentation den Stadtteil Steilshoop, wo man eine Wohnung für durchschnittlich 8,45 Euro pro Quadratmeter beziehen kann. Eine andere Schülerin erklärte das so: Dort lebten viele Ausländer mit geringem Einkommen, es gebe viele Sozialwohnungen, aber keine Bahnanbindung. Überraschenderweise stagnieren die Mieten auch im von der Stadt mit viel Geld aufgewerteten Wilhelmsburg.

In der HafenCity, mit 24 Euro pro Quadratmeter erneut teuerster Stadtteil, gibt es kaum Sozialwohnungen. Die zentrale Lage, die Elbphilharmonie, die gute Anbindung an den ÖPNV, der Blick auf die Elbe und gute Freizeitangebote locken vor allem Besserverdienende an den zugigen und von den Emissionen der Kreuzfahrtschiffe bisweilen vernebelten Hafenrand. Die exorbitant hohen Mieten dort erklärt Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, mit dem Nichtgreifen der Mietpreisbremse in Hamburgs jüngstem Stadtteil: »Die gilt für seit 2014 gebaute Wohnungen nicht, und davon hat die HafenCity reichlich.«

Immer teuer wird es im Umland – mit Ausnahme des Landkreises Stade, wo durchschnittlich »nur« 9,87 Euro pro Quadratmeter bei Neuvermietungen aufgerufen werden. Spitzenreiter ist Stormarn (11,83), gefolgt von Segeberg (11,25) und Pinneberg (11,21).

Mietervereinschef Bosse erläuterte: »Auch wenn der Anstieg der Neuvertragsmieten auf dem Portal deutlich unter der Inflationsrate liegt, gibt es keinen Grund für Entwarnung.« Der Hamburger Mietwohnungsmarkt sei angespannt, und daran werde sich wohl »in den kommenden Jahren nichts grundlegend ändern«, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. Als einen Grund für den erneuten Anstieg der Mieten sieht er die abnehmende Zahl von Eigenheimbauern. Zur Bildung von Wohneigentum seien angesichts steigender Bau- und Zinskosten immer weniger Menschen in der Lage. In der Folge drängten mehr Menschen auf den Mietwohnungsmarkt der Hansestadt. Auch die anhaltend hohe Zahl Geflüchteter verstärke den Wohnraummangel.

»Freudig überrascht« über den »moderaten Anstieg« zeigte sich dagegen Ulf Schelenz vom Grundeigentümerverband Hamburg: »Es gibt keinen Grund zur Panik.« Und Peter Wagner vom IVD Nord, der Makler und Verwalter vertritt, verwies darauf, dass viele Wohnungsverwalter Objekte nicht auf Onlineplattformen anbieten, weil sie intern oder durch Mundpropaganda vergeben würden.

Von den in der Bürgerschaft vertretenen Parteien reagierte nur Die Linke auf die Studie. »Mit einem Wohnungsbauprogramm, das jährlich mehr als zwei Drittel teure Wohnungen im Neubau entstehen lässt, werden die Mieten in Hamburg weiter in die Höhe getrieben«, kritisierte deren wohnungspolitische Sprecherin Heike Sudmann den rot-grünen Senat. Sie nannte einen weiteren Kostentreiber: Die steigende Zahl der Indexmietverträge und teilmöblierter Wohnungen verstärke das »Auspressen« der Mieterschaft.

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