Ultraschall-Therapie fast ohne Nebenwirkung

Mit Ultraschall lassen sich Schmerzen behandeln, auch in der Augenheilkunde ist er hilfreich

Ultraschall ist den meisten als Mittel der medizinischen Diagnostik bekannt, unter anderem bei der Kontrolle einer Schwangerschaft oder bei der Untersuchung von inneren Organen. Eingesetzt werden Schallwellen oberhalb des menschlichen Hörbereichs, die also für das Ohr nicht wahrnehmbar sind. Das bildgebende Verfahren wird auch Sonografie oder Echografie genannt.

Ultraschall lässt sich aber auch therapeutisch gut anwenden, teils in jahrelang bewährten Verfahren, teils läuft noch die Erprobung. Einen Überblick dazu gab in dieser Woche die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (Degum).

Einer der häufigsten Eingriffe mithilfe von Ultraschall und die häufigste Operation der Augenheilkunde führt zunächst weit in die Geschichte zurück. Der Graue Star oder die Katarakt war schon den alten Ägyptern bekannt, wie Ulrich Fries erläutert. Der Chefarzt der Augenheilkunde am Johanniter-Krankenhaus Bonn erzählt, dass das Phänomen der getrübten Linse damals auf einen Strudel von bösen Gedanken hinter der Pupille zurückgeführt wurde. Als Katarakt (männlich) werden die Stromschnellen des Nils bezeichnet, als Lehnwort des Altgriechischen fand der Begriff Eingang in die medizinische Nomenklatur.

Erste Therapieversuche mittels spitzer Instrumente, der sogenannte Starstich, sind aus Babylonien und Indien bekannt. Gang und gäbe war die Technik dann im Europa des Mittelalters, allerdings verbunden mit einer hohen Komplikationsrate. Ein Drittel der »Gestochenen« verstarb an den Folgen. Versuche, die getrübte Linse durch feines venezianisches Glas zu ersetzen, scheiterten an der fehlenden Brechkraft der Linsen.

Auf Plexiglas als Ersatzmaterial kam man in Großbritannien: Bei Augenverletzungen von Piloten durch Splitter zerschossener Cockpitscheiben zeigte sich im Zweiten Weltkrieg, dass dieses Material verträglich schien, selbst im Auge. Entsprechende Kunstlinsen hatten laut Fries noch einen Durchmesser von sechs Millimetern.

In den 60er Jahren führte dann Charles Kelman in den USA das Zerkleinern und Absaugen des Linsenkerns mit Ultraschall ein. Als Ersatz kamen falt- oder rollbare Linsen in Gebrauch. Heute werden allein in Deutschland jedes Jahr über 800 000 Katarakt-Operationen durchgeführt. »Der Eingriff ist in den Industrieländern die häufigste und sicherste Operation überhaupt«, sagt Fries. Gleichzeitig seien in der südlichen Hemisphäre etwa 40 Millionen Menschen erblindet. Es fehle dort an ausgebildeten Operateuren.

Hierzulande gibt es, nicht zuletzt dank der routinierten Anwendung von Ultraschall in der Augenheilkunde, individuelle Lösungen auch für Fälle, in denen weitere Erkrankungen des Auges hinzukommen. Vor der Operation kommt der Ultraschall auch zur Diagnostik zum Einsatz, das Auge wird vermessen, unter anderem die Hornhautradien, um am Ende das vorhergesagte Ergebnis mit hoher Genauigkeit zu erreichen.

Noch nicht ganz so eindeutig ist die Erfolgsgeschichte des Ultraschalls zum Beispiel im Einsatz gegen die Kalkschulter. Dieses Leiden trifft Menschen am häufigsten zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, Frauen etwas mehr als Männer, berichtet Peter Keysser, Chefarzt an einer Reha-Klinik im bayerischen Oberammergau. Ursachen sind vermutlich kleine Verletzungen durch berufliche oder sportliche Belastung bei Überkopfbewegungen. Zwar verschwinde die Kalkschulter auch wieder von selbst, »aber das Problem ist, dass das Jahre dauert, die Beweglichkeit eingeschränkt ist und sich die Patienten Schonhaltungen angewöhnen«, erläutert Keysser. Auch die »natürliche« Auflösung einer Kalkschulter kann mit starken Schmerzen verbunden sein.

Je nach Beschwerden und Verlauf werden zuerst Physiotherapie und andere konservative Verfahren angewendet, um Durchblutung und Beweglichkeit zu verbessern. Wenn das nicht anschlägt, lässt sich die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) nutzen. Dabei werden die Kalkdepots in der Schultersehne jedoch nicht zertrümmert wie oft angenommen. Vielmehr fördert die ESWT die Durchblutung und hat auch schmerzlindernde und entzündungshemmende Effekte. Ziel ist es, den üblichen Krankheitsverlauf zu verkürzen.

Je nach Stärke der eingesetzten Energie zeigen Studien ein Verschwinden des Kalkdepots im Verlauf zwischen circa 40 und 85 Prozent, so Keysser. Wird die Energie fokussiert, seien ein bis zwei Sitzungen nötig, ansonsten wären es drei bis fünf Anwendungen, jeweils im Wochenabstand. Je nach Studie gibt es nach sechs Wochen Behandlungserfolge in etwa 60 Prozent der Fälle. Das Verfahren eignet sich auch zur Behandlung von Tennisellenbogen oder Fersensporn. Einziger Wermutstropfen: Die ESWT bei der Kalkschulter wird von den Kassen nicht regulär bezahlt. Aufgrund der guten Studienlage müsste die Behandlung aus Sicht der Degum Kassenleistung werden. Beim Fersensporn sei das schon der Fall.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten für den Ultraschall fanden sich in der Onkologie. Zum Beispiel bei der häufigsten Krebserkrankung der Männer, dem Prostatakarzinom. Wird ein solches diagnostiziert und ist es noch auf das Organ selbst beschränkt, kommt auch der hochintensive fokussierte Ultraschall als Therapie infrage. Dabei werden die Schallwellen stark gebündelt und das befallene Gewebe wird zerstört. Noch ist das aber kein Standardverfahren.

Bauchspeicheldrüsenkrebs als eine der aggressivsten Tumorerkrankungen ist zum Zeitpunkt der Diagnose in 80 Prozent der Fälle inoperabel. Die Patienten leiden zudem unter starken Schmerzen. Auch ihnen kann der hochintenisve fokussierte Ultraschall helfen. Angewendet wird das Verfahren unter anderem an der Universitätsklinik Bonn, wo bei mehr als 80 Prozent der Erkrankten Schmerzen schnell und deutlich gelindert wurden und das Tumorvolumen verringert.

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