- Wirtschaft und Umwelt
- Rauchverbot
Raucher auf dem Rückzug
Neue Verbote verdrängen den Tabakkonsum in Frankreich aus der Öffentlichkeit
Eine Gauloise im Mundwinkel durfte beim Klischee-Franzosen viele Jahrzehnte nicht fehlen. Aber diese Zeiten sind in Spielfilm, Werbung und auch in der Realität schon lange vorbei. Im Jahr 2023 zahlten französische Konsumenten bereits 10,50 Euro etwa für eine Schachtel Marlboro. 2024 war dann eine weitere Anhebung der Preise für Tabakwaren in der politischen Debatte: Bis 2040 sollten Zigaretten mehr als das Doppelte kosten.
Diverse Steuererhöhungen führten zwar auch zu einem Rückgang der Raucherquote, aber ebenso dazu, dass die Raucherinnen und Raucher illegal einkauften oder sich jenseits der Grenzen eindeckten. Laut der Tabakindustrie machte der illegale Handel 2021 in Frankreich fast ein Drittel des damaligen Gesamtverbrauchs von 15,1 Milliarden Zigaretten aus, andere Quellen sprechen sogar von 40 Prozent Schmuggelware.
Laut der Tabakindustrie machte der illegale Handel 2021 in Frankreich fast ein Drittel des Gesamtverbrauchs aus, andere Quellen sprechen sogar von 40 Prozent Schmuggelware.
Flankierend zu steuerlichen Maßnahmen versuchen Regierungen in Paris schon länger, die eigenen Bürger durch Rauchverbote von der Qualmerei abzubringen. Jetzt wurde erneut an dieser Schraube gedreht: Kurz vor Beginn der Sommerferien sollen nun auch die Strände rauchfrei werden, immerhin 1900 Kilometer müssen von nationaler und kommunaler Polizei daraufhin kontrolliert werden. Bei Verstößen könnte eine Geldstrafe von 135 Euro drohen, wobei diese nur angedroht wurde. Im Dekret vom vergangenen Samstag taucht sie nicht auf, plötzlich war von einer »Erziehungsphase« die Rede, in der noch Gnade gelte. Zunächst sollte die Neuregelung ab 1. Juli wirksam werden, aber durch die Veröffentlichung des Dekrets trat sie bereits ab Sonntag in Kraft.
Jedoch sollte sich über die Sanktionsmöglichkeiten niemand täuschen: Schon vor dem Dekret gab es hohe Geldstrafen für das Rauchen an bestimmten Orten, etwa mit Kindern im Privatauto – hier wären 750 Euro fällig. Am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Spielplätzen droht eine Strafe von 68 Euro für das Anzünden einer Zigarette. Und wer nicht zahlt, muss das mit bis zu 450 Euro büßen.
Weiterhin gepafft werden darf jedoch auf den Terassen von Restaurants und Cafés – und E-Zigaretten sind von den neuen Regeln gleich ganz ausgenommen. Ebenso dürfen Restaurants, Hotels, Bars und Nachtklubs weiterhin geschlossene Raucherkabinen für ihre Gäste anbieten, eine ausreichende Lüftung vorausgesetzt.
Im Kern zielt das neue Verbot aber auf Orte, an denen sich junge Menschen und Kinder aufhalten. Dazu passt, dass es auch für Bushaltestellen, Parks, Ausbildungsstätten und Unterkünfte Minderjähriger gilt, ebenso für Skipisten. Die Kontrolle eher nicht vereinfachen dürfte die Regel, dass in der direkten Umgebung von Schulen, Bibliotheken und Schwimmbädern während deren Öffnungszeiten nicht geraucht werden darf. Die Feierabend-Kippe für die dort Beschäftigten wird es wohl weiterhin geben.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Ehrgeiziges Ziel der derzeitigen Regierung ist es, bis 2032 eine »tabakfreie Generation« heranzuziehen. Der Ansatz reagiert darauf, dass 90 Prozent der Raucher schon vor ihrem 18. Lebensjahr mit dem Konsum begonnen haben. Zu den Folgen des Tabakkonsums in Frankreich gehören für Experten 75 000 Todesfälle und Kosten von 156 Milliarden Euro pro Jahr. Allein das Passivrauchen trage jährlich zu 5000 Todesfällen bei.
Laut der Französischen Beobachtungsstelle für Drogen und Suchttendenzen hat das Land mittlerweile ein historisch niedriges Niveau an Rauchern erreicht. Schon 2023 gab weniger als jeder Vierte zwischen 18 und 75 Jahren an, täglich zu rauchen. Im Jahr 2000 waren es noch 30 Prozent. Eine der letzten Umfragen vor dem erweiterten Rauchverbot ergab, dass es von 62 Prozent der Franzosen unterstützt wird.
In Deutschland müssen sich Raucherinnen und Raucher eher keine Sorgen machen, dass hierzulande französische Zustände einkehren. Zuletzt hatten Gesundheitspolitiker von SPD und Grünen ähnliche Verbote gefordert. Bereits bestehende Verbote gelten in Behörden, Verkehrsmitteln und in der Gastronomie. Bundesweit sind die Regeln allerdings je nach Land unterschiedlich. Eine aktuelle Befragung zum Tabakkonsum besagt, dass in der Bundesrepublik immer noch mehr als jeder Vierte raucht. Und laut Statistischem Bundesamt ist der Zigarettenverbrauch pro Kopf zuletzt sogar leicht angestiegen auf 784 Kippen pro Einwohner im Jahr 2024.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.