PCK Schwedt: Davon geht die Raffinerie nicht unter

Ministerpräsident und Landrätin voller Optimismus für PCK Schwedt – andere allerdings nicht

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

»Die Welt geht in Schwedt nicht unter«, verkündet Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) triumphierend. Bevor die Liveübertragung aus der Potsdamer Staatskanzlei beendet wird, ist noch ein letzter Satz zu hören, den Woidke einem Radiojournalisten zuruft. Der Kollege bezweifelt, dass der am Mittwochabend zur Schau gestellte Optimismus gerechtfertigt ist. Woidke sagt ihm voller Ironie: »Tut mir leid.« So, als ob der Journalist nur auf eine negative Berichterstattung aus sei, für die es aber keinen Anlass gäbe.

Die PCK-Raffinerie in Schwedt hat seit 1964 so gut wie ausschließlich sibirisches Erdöl zu Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin verarbeitet, das aus der Erdölleitung »Druschba« (Freundschaft) floss. Doch seit dem 1. Januar 2023 gilt wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine ein Einfuhrverbot für russisches Öl. Eine Einsatzgruppe, die Taskforce Schwedt, soll sich darum kümmern, dass der Betrieb nicht pleitegeht, was verheerende Folgen für die Stadt und den gesamten Landkreis Uckermark hätte. Außerdem geht es darum, die Tankstellen in Berlin und Brandenburg weiterhin zuverlässig mit Kraftstoffen zu beliefern.

Am Mittwoch traf sich die Taskforce zum dritten Mal, und nie zuvor zeigten sich die Teilnehmer hinterher mit derart strahlenden Gesichtern. Sogar Landrätin Karina Dörk (CDU) sagt: »Ich bin heute seit langer Zeit wirklich mal optimistisch.« Dabei schweigt sie lieber, als den Menschen unbegründet Hoffnungen zu machen. Zuversicht gibt ihr die Ankündigung, dass ab Juni das ersehnte Öl aus Kasachstan in nennenswerten Mengen von rund 100 000 Tonnen monatlich fließen soll. »Darauf haben alle gewartet«, seufzt Dörk erleichtert.

»Ich bin selbst überrascht, dass meine Erläuterungen in der Taskforce solche Euphorie ausgelöst haben«, gesteht PCK-Geschäftsführer Rolf Schairer. 20 000 und 50 000 Tonnen kasachischen Öls sind bei zwei Testlieferungen eingetroffen. Sie sind den größten Teil ihres Weges genauso wie früher das sibirische Öl gekommen – durch die Druschba-Pipelinie. Der russische Staatskonzern Rosneft hat das kasachische Öl gegen eine Gebühr passieren lassen und will es auch in Zukunft so halten.

Positiv klingen auch andere Mitteilungen. Es gibt eine Anfang der 60er Jahre verlegte Rohrleitung von Schwedt zum Hafen Rostock. Sie sollte ursprünglich dazu dienen, Erzeugnisse der Raffinerie für den Export an die Ostsee zu pumpen. Jetzt wird die Leitung in der Gegenrichtung genutzt, um Erdöl heranzuschaffen. Vielleicht 85 Prozent der ursprünglichen Kapazität der leider sehr alten Leitung könnten noch ausgenutzt werden, dachten die Fachleute vorher. Nun hat sich laut Schairer herausgestellt, dass sie nach einigen kleineren Arbeiten zur Ertüchtigung 97 Prozent bewältigen konnte.

Außerdem soll noch im Mai am polnischen Hafen Gdańsk erneut ein Öltanker für Schwedt eintreffen. 135 000 Tonnen Öl können dort angelandet werden, während der Hafen Rostock nur für Tanker mit 85 000 Tonnen ausgelegt ist. Alles in allem könnte die Raffinerie so einen Auslastungsgrad von 70 Prozent erreichen. Seit Januar waren es nur 58 Prozent. Momentan stehen die Anlagen noch bis Mitte Mai für eine Wartung still, die alle paar Jahre notwendig ist.

»Wir sind hier in einer stabilen Situation«, beteuert Michael Kellner, Staatssekretär und Parteifreund von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). »Ich habe bei allen Beteiligten das erste Mal großen Optimismus gespürt«, sagt Ministerpräsident Woidke nach dem Treffen der Taskforce. Er schiebt ein, der Optimismus sei »für Brandenburger Verhältnisse« groß gewesen. Die Einheimischen lassen sich nicht so schnell zu einem Begeisterungssturm hinreißen.

Doch dem Vernehmen nach ist die Lage nicht so rosig, wie in Potsdam erzählt wird. Die Leitung zum Hafen Rostock müsste zügig modernisiert werden, um ihre Kapazität zu erweitern. 400 Millionen Euro will der Bund dafür zur Verfügung stellen. Innerhalb von etwa zwei Jahren ließe sich alles erledigen, wenn – ja, wenn der Antrag auf Fördermittel endlich eingereicht ist. Aber das dauert. Denn es ist gar nicht so einfach, die Maßnahme so zu begründen, dass die EU keine Schwierigkeiten wegen einer unzulässigen Beihilfe macht. So viel Steuergeld für eine private Firma auszugeben, könnte die Konkurrenz als unlauteren Wettbewerb betrachten. 

Da wäre es vielleicht klüger gewesen, für 600 bis 700 Millionen Euro gleich eine neue Leitung zu bauen, die als kritische Infrastruktur dem Staat gehören würde und später auch für die zukunftsträchtige Wasserstofftechnologie zu gebrauchen wäre. Das ließe sich gegenüber der EU einfacher begründen. Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) beklagt: Ein Dreivierteljahr nach der Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), dass die Pipeline ertüchtigt werden soll, sei die Bundesregierung »noch keinen Schritt weiter«. Görke nennt das »die nächste Hiobsbotschaft« und fragt: »Wo bleibt in der Causa Schwedt die vom Bundeskanzler so hoch gepriesene neue Deutschlandgeschwindigkeit?« Wenn es nicht bald Fortschritte gebe, fahre die Regierung den wichtigen Industriestandort an die Wand.

»Seit Monaten ein einziger Eiertanz«, urteilt Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter. »Wir hangeln uns von einem Taskforce-Termin zum nächsten, ohne dass Entscheidendes passiert.« Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostbrandenburg befürchtet einen »schleichenden Niedergang«. Ihr zufolge brauchen 75 Auftragnehmer und Zulieferer der Raffinerie schnell Klarheit, wohin die Reise geht. Für diese sei es wegen der unsicheren Situation aktuell schwierig, Fachkräfte zu gewinnen. »Ein halbes Dutzend kleinerer und mittlerer Unternehmen könnte dichtmachen, viele der größeren Unternehmen am Standort würden sich nach und nach verkleinern oder den Standort völlig aufgeben«, warnt IHK-Geschäftsführer Gundolf Schülke.

Wenn es keine tragfähige Perspektive gibt, »fehlt die Bereitschaft für Investitionen und Innovationen«, weiß der Landtagsabgeordnete Frank Bommert (CDU). Er bezeichnet das Krisenmanagement als »nach wie vor nicht zufriedenstellend«. Die Alternative zum Öl soll Wasserstoff sein. Der Auftrag zur Errichtung einer Elektrolyseanlage zur Erzeugung von Wasserstoff in Schwedt ist an Siemens vergeben. Das zumindest ist fest vereinbart. 

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