• Politik
  • Zum Tod von Winfried Wolf

Sozialist und Verkehrspolitiker

Ein Nachruf auf Winfried Wolf

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Winfried Wolf (4.3.1949 - 22.5.2023)
Winfried Wolf (4.3.1949 - 22.5.2023)

Mit Winfried Wolf, der am 22. Mai im Alter von 74 Jahren verstorben ist, verliert die gesellschaftliche Linke in der Bundesrepublik einen aufrechten Sozialisten, der sich weit über Lager- und Parteigrenzen hinaus großen Respekt und Anerkennung erworben hat. Sein politischer Weg führte den promovierten Politikwissenschaftler von der trotzkistischen »Gruppe internationaler Marxisten« (GIM) über die Vereinigte Sozialistische Partei nach 1990 in das Umfeld der PDS, für die er als parteiloser Kandidat 1994 über die Landesliste Baden-Württemberg in den Bundestag einzog, dem er bis 2002 angehörte.

1997 trat er der PDS bei, 2004 verließ er sie wieder. Er begründete das unter anderem mit dem »Bekenntnis zum kapitalistischen Profitprinzip« im damals neuen Parteiprogramm und ihrem tendenziell neoliberalen Agieren in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Später schloss er sich der Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit an, die 2007 mit der PDS zur Partei Die Linke fusionierte.

Im Bundestag machte sich Wolf vor allem als verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion einen Namen, als fundierter und scharfzüngiger Kritiker der desaströsen Bahn-Politik der Bundesregierung, als energischer Verfechter des Primats des öffentlichen Personennahverkehrs, als entschiedener Gegner des motorisierten Individualverkehrs in Städten.

Auch in friedenspolitischen Fragen meldete sich Wolf, der zeitweilig dem Verteidigungsausschuss des Bundestages angehörte, als konsequenter Kriegsgegner und scharfer Kritiker der aggressiven Politik der USA und der Nato regelmäßig zu Wort. Auslandseinsätze der Bundeswehr lehnte er kategorisch ab.

Das Ende seiner Zeit als Abgeordneter war nicht das Ende seiner rastlosen politischen und journalistischen Arbeit. Seine Expertise als Verkehrswissenschaftler blieb auch für Die Linke im Bundestag unverzichtbar, für die er weiterhin als Mitarbeiter tätig war. 2008 gründete er das quartalsweise erscheinende Magazin »Lunapark 21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie«.

Wolf war maßgeblich an der Gründung von Initiativen wie »Bahn für alle« und »Bürgerbahn statt Börsenbahn« beteiligt und gehörte zu den Protagonisten des zähen Widerstands gegen das monströs teure Bahnhofsprojekt »Stuttgart 21«. Vehement unterstützte er den in mehreren Tarifrunden ausgefochtenen Kampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für eigene Tarifverträge. Ein Kampf, der sich eben nicht nur gegen den Bahn-Konzern richtete, sondern auch gegen die mit dem Management eng verbandelte DGB-Gewerkschaft Transnet (heute EVG), die – anders als die GDL – den Börsengang des DB-Konzerns unterstützte.

Seine Unterstützung war stets mehr als ein Lippenbekenntnis. So organisierte er beim letzten großen GDL-Streik im August 2021 die Herausgabe einer Streikzeitung, die einigen Zeitschriften beigelegt und bundesweit verbreitet wurde. Er war gern gesehener Gast bei verkehrspolitischen Konferenzen und Kundgebungen. Zu verkehrspolitischen Fragen veröffentlichte Wolf zahlreiche Aufsätze, Artikel und über ein Dutzend Bücher. Und immer wieder trat er auch als wortmächtiger Streiter gegen Aufrüstung und Krieg in Erscheinung. Seine letzte »Zeitung gegen den Krieg« erschien im März 2023.

Weder als Politiker noch als Aktivist und Journalist war Wolf ein eitler Selbstdarsteller. Ausgehend von einem marxistischen Klassenstandpunkt ging er den Dingen auf den Grund. Jeglicher Opportunismus war ihm fremd. Dispute mit ihm konnten auch ziemlich anstrengend sein, aber sie waren stets ein Gewinn. Winfried Wolf hinterlässt eine Lücke noch nicht abschätzbaren Ausmaßes. Aber er hinterlässt auch ein Vermächtnis: die kategorische Aufforderung, sich niemals zu beugen.

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