Airport BER macht trotz Gewinn Verlust

Ein Plus von 56,8 Millionen Euro im laufenden Geschäft wird von der Schuldenlast aufgezehrt

Der Beginn des vergangenen Jahres stand noch unter dem Einfluss der Corona-Pandemie, speziell der seinerzeit umgehenden Virusvariante Omikron. Lediglich 800 000 Passagiere fertigte der Flughafen BER in Schönefeld im Januar 2022 ab. Im Lauf des Jahres stiegen die Zahlen aber auf je 2,1 Millionen Fluggäste in den Monaten September und Oktober. Im kompletten Jahr 2022 brachte es der BER auf 19,85 Millionen Passagiere – fast doppelt so viele wie im Jahr 2021, aber immer noch deutlich weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019. Damals waren an den beiden alten Hauptstadtflughäfen Tegel und Schönefeld zusammen 35,6 Millionen Menschen gestartet oder gelandet.

Ob der im Oktober 2020 eröffnete neue Hauptstadtflughafen BER jemals in solche Regionen vorstößt und wann, das ist offen. Vielleicht im Jahr 2029, meint Airportchefin Aletta von Massenbach, als sie am Dienstag den Geschäftsbericht für 2022 vorstellt. Ob der BER bei den Inlandsflügen je auf die 8,3 Millionen Passagiere aus dem Jahr 2019 kommen wird, bezweifelt sie mit gutem Grund. Denn die Deutsche Bahn ist mit ihren Ticketpreisen mittlerweile konkurrenzfähig, auch hat sich ein Bewusstsein in der Bevölkerung entwickelt, dass Inlandsflüge angesichts der Klimakrise wirklich nicht sein müssen.

Bilanz und Ausblick
  • Die Flughafengesellschaft FBB konnte ihr Betriebsergebnis im vergangenen Jahr von 310 Millionen auf 594 Millionen Euro steigern.
  • Wesentlich für die Verbesserung des Betriebsergebnisses war die ungefähre Verdoppelung der Fluggastzahl.
  • Die Ausgaben für Energie stiegen nicht zuletzt wegen der höheren Gaspreise um 15 Millionen Euro, obwohl die FBB ihren Gasverbrauch um 21 Prozent senken konnte.
  • Am Airport BER sind insgesamt rund 20 000 Menschen beschäftigt, davon nur zehn Prozent direkt bei der Flughafengesellschaft.
  • Ab 26. Mai 2023 bietet die US-amerikanische Fluggesellschaft Delta Airlines Direktflüge von Hauptstadt zu Hauptstadt an – also vom BER nach Washington, D.C.
  • Im vergangenen Jahr konnten Reisende mit 58 verschiedenen Fluggesellschaften vom BER aus 149 Ziele in 49 Staaten erreichen.
  • Im laufenden Jahr beginnt die FBB, Solarstrom zu erzeugen. Das ist ein Schritt zur Klimaneutralität des Flughafens, die bis zum Jahr 2045 erreicht sein soll. Gemeint ist damit allerdings nur, was sich am Boden abspielt. Für klimaneutrales Fliegen, wenn es das geben sollte, wären die Fluggesellschaften zuständig.
  • Vom 12. bis 23. Juni findet in Deutschland und darüber hinaus ein Nato-Manöver statt, das seinem Namen nach der Luftverteidigung gewidmet ist. Die Einschränkungen im Luftraum werden auch den BER betreffen. In welchem Maße, ist der Flughafengesellschaft nicht bekannt. af

    Schon wieder vergleichsweise stark ist der BER nach überwundener Pandemie bei den Flügen innerhalb von Europa. Der Entwicklung hinterher hängen die Passagierzahlen bei den interkontinentalen Verbindungen, insbesondere bei denen nach Asien, etwa nach China. Aber auch 2019 flogen nur 900 000 Passagiere von Berlin direkt aus Europa heraus oder kamen von außerhalb des Kontinents. Es wurde für solche Reisen zumeist umgestiegen – beispielsweise an den Luftdrehkreuzen München und Frankfurt am Main oder auch in Amsterdam und Paris.

    Mit der langsamen Erholung von der Corona-Pandemie konnte die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH (FBB) im vergangenen Jahr einen operativen Gewinn erwirtschaften. In der Geschichte des BER ist dies das erste Mal. 56,8 Millionen Euro betrug das Plus. Der operative Gewinn bezieht sich auf das laufende Geschäft. Doch da die Kosten für den Bau des BER komplett aus dem Ruder gelaufen sind, drückt die Flughafengesellschaft nach wie vor eine gewaltige Schuldenlast. Mit 2,5 Milliarden Euro steht sie bei den Banken in der Kreide, mit weiteren 1,8 Milliarden bei ihren Gesellschaftern – dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg, die Darlehen in dieser Höhe gewährten. Allein 90 Millionen Euro Zinsen waren im vergangenen Jahr fällig. Dazu kommt noch ein negatives Eigenkapital von 225 Millionen Euro. Der Verkauf von zwei nicht benötigten Grundstücken und eine Finanzspritze der Gesellschafter ermöglichte es immerhin, eine Sondertilgung der Kredite in Höhe von 600 Millionen Euro zu leisten, um perspektivisch aus der Schuldenfalle herauszukommen.

    »Im Geschäftsjahr 2022 ist uns ein wichtiger Schritt zur finanziellen Stabilisierung der Flughafengesellschaft gelungen«, freut sich Massenbach. An der seit Jahren genannten Lücke von 2,4 Milliarden Euro habe sich aber nichts geändert. 1,7 Milliarden sind von den Gesellschaftern bewilligt, wenn auch noch nicht komplett geflossen. 700 Millionen sind demnach noch offen. Sowieso bekommt die FBB nicht einfach frisches Geld überwiesen. Es werden auch Darlehen der Gesellschafter in Eigenkapital verwandelt. Durch diese Umbuchung muss die FBB dieses Geld dann dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg nicht mehr zurückzahlen.

    Der Aufsichtsratsvorsitzende Jörg Simon formuliert es am Dienstag so: »2022 war ein gutes Jahr für den BER.« Und ein gutes Jahr sieht nach seiner Darlegung so aus: »Einige Probleme sind kleiner geworden.« Nach wie vor befinde sich die Flughafengesellschaft jedoch in einer »nicht ganz einfachen Situation«. Es seien aber mit der Konzentration auf die Terminals 1 und 2 sowie mit dem Start der Teilentschuldung »wesentliche Entscheidungen getroffen, um den Flughafen langfristig erfolgreich zu machen«.

    Alles eingerechnet machte die FBB im vergangenen Jahr nicht 56,9 Millionen Euro Plus, sondern 90 Millionen Euro Minus. So gut kommt sie aber im laufenden Jahr sicher nicht wieder weg, auch wenn die Passagierzahlen wie erwartet auf 23 Millionen gesteigert werden können. Denn die FBB kann nicht noch einmal zwei Grundstücke für 180 Millionen Euro losschlagen.

    Verkauft werden könnte theoretisch das Terminal 5, im Kern bestehend aus dem ehemaligen DDR-Zentralflughafen Schönefeld. Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz und könnte etwa für Neubauten abgerissen werden. Im vergangenen Jahr wurde das neue Terminal 2 in Betrieb genommen. Es schließt sich an das Hauptterminal 1 an. Im Terminal 2 wurden bislang 5,5 Millionen Fluggäste abgefertigt. Für das Terminal 5 fiel die Entscheidung, dauerhaft darauf zu verzichten.

    Jetzt macht sich die FBB Gedanken, was sie damit anstellen will. 17,9 Millionen Euro für die technische Ausstattung des Gebäudes sind bilanztechnisch abgeschrieben. Ideen zur künftigen Nutzung gebe es einige, versichert Massenbach, lässt sich aber nichts Konkretes entlocken. Sie sagt auch nicht, ob das Terminal 5 veräußert werden könnte oder ob die FBB lieber selbst etwas damit anfangen will. Klar ist: Grundstücke im Umfeld des BER haben ihren Wert.

    »Der erzielte Gewinn ist ein Lichtblick, doch die düstere Perspektive bleibt«, kommentiert der brandenburgische FDP-Landesvorsitzende Zyon Braun den Geschäftsbericht. »Die Flughafengesellschaft verschiebt erneut Gewinnerwartungen und hat trotz jüngster Zuschüsse von 1,7 Milliarden einen ungedeckten Finanzbedarf. Der BER droht zu einem Milliardengrab zu werden, welches durch den Steuerzahler zu tragen ist.« Angesichts der angespannten Finanzlage des Landes Brandenburg dürfe es keine weiteren Finanzspritzen der Gesellschafter geben, meint der FDP-Mann, dessen Partei nicht im Landtag vertreten ist. Jeder Euro, der in die Rettung der FBB gesteckt werde, fehle bei Investitionen in Bildungseinrichtungen und bei der Infrastruktur. »Wir fordern den Rückzug des Staates als Gesellschafter und die Veräußerung der Anteile an einen privaten Betreiber, um Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu schützen«, erklärt Braun. Seiner Einschätzung nach könnte der Flughafen auch ohne staatliche Beteiligung bestehen.

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