Die Wärmewende kommt ganz langsam

Kompromiss zum Gebäudeenergiegesetz: mehr Ausnahmen und längere Übergangsfristen bei Heizungsumstellung

Verwässert, unsozial, nicht praktikabel: Noch immer gibt es viel Kritik am Heizungsgesetz. Immerhin sieht der Schornsteinfegerverband die Ampel nun auf dem richtigen Weg.
Verwässert, unsozial, nicht praktikabel: Noch immer gibt es viel Kritik am Heizungsgesetz. Immerhin sieht der Schornsteinfegerverband die Ampel nun auf dem richtigen Weg.

Nach wie vor ist kaum jemand zufrieden mit dem am Dienstagabend von den Ampel-Parteien gefundenen Kompromiss beim Gebäudeenergiegesetz (GEG). Das neue Regelwerk soll mittelfristig eine deutliche Senkung der bundesdeutschen Treibhausgasemissionen bewirken. Immerhin: Eine Berufsgruppe von Fachleuten, die vom Gesetz unmittelbar betroffen ist, findet das nun nach wochenlangen Debatten aus der »Montagehalle« zurückgekehrte Regelwerk insgesamt prima: die Schornsteinfeger.

Der Präsident des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks, Alexis Gula, sagte am Mittwoch anlässlich des Bundesverbandstages in Bonn, nun befinde sich die Regierung auf dem richtigen Weg. Wichtig sei vor allem, dass kommunale Wärmenetzplanung und individuelle Gebäudebeheizung jetzt zusammen gedacht würden. Doch auch die Essenkehrer erwarten weitere Nachbesserungen. Sie plädieren dafür, Ausnahmeregelungen für ältere Hausbesitzer nicht an eine Altersgrenze wie 80plus zu binden, sondern alle Rentner von der Verpflichtung zu befreien, Heizungen einzubauen, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden, sofern sie ihr Haus energetisch bewerten lassen. »Das Renteneintrittsalter ist die entscheidende Grenze«, sagte der Energieexperte des Verbandes, Julian Schwark. Denn wer in Rente sei, bekomme oft von seiner Bank keinen Kredit mehr, um die teure Heizungsumstellung zu finanzieren.

Was ist geplant?

Das GEG soll weiterhin bereits am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Verpflichtend sind seine Vorgaben zunächst allerdings nur für Neubauten. Ab 2024 soll »möglichst« jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen gefüttert werden, also etwa mit Sonnenenergie oder Holz.

Für neue Heizungen im Gebäudebestand ist eine sogenannte Entscheidungszeit vorgesehen, bis die jeweilige Kommune ihre Wärmeplanung vorgelegt hat. Das wird nach Angaben von FDP-Fraktionschef Christian Dürr »ab etwa 2028« der Fall sein. Damit können Hauseigentümer feststellen, ob es für sie besser ist, etwa auf eine Wärmepumpe umzusteigen oder sich stattdessen an ein Fernwärmenetz anschließen zu lassen – oder aber eine gasbetriebene Heizung einzubauen, die theoretisch auf Wasserstoff umrüstbar wäre. Funktionierende Heizungen müssen nicht ausgetauscht werden, defekte dürfen repariert werden.

Welche Ausnahmen gibt es?

Gasheizungen dürfen ab dem nächsten Jahr auch in Neubauten noch eingebaut werden, sofern sie auf Wasserstoff umgerüstet werden können und das Gebäude nicht in einem Neubaugebiet entsteht. Die neuen Regeln gelten in vollem Umfang also zunächst nur für neue Gebäude in Neubaugebieten. Auch wenn eine Wärmeplanung vorliegt, können unter Umständen weiterhin Gasheizungen eingebaut werden. Dafür muss neben der Umrüstbarkeit der Heizung auf Wasserstoff oder Biogas ein Plan für ein »klimaneutrales Gasnetz« vorliegen. Auch Gasheizungen, die mit »Biomasse, nicht leitungsgebundenem Wasserstoff oder seinen Derivaten betrieben werden«, dürfen eingebaut werden.

Ausnahmeregelungen gibt es außerdem für hochbetagte Hauseigentümer, die im Eigenheim wohnen, für Sozialhilfebezieher oder wenn die Umstellung in einem Gebäude technisch und ökonomisch keinen Sinn ergibt, was immer das konkret bedeutet.

Wie sollen Klimaziele erreicht werden?

In Ballungsräumen sollen die Fernwärmenetze stark ausgebaut werden. Damit dies auch tatsächlich klimaneutral ist, sollen die Netze, die bislang hauptsächlich mit fossiler Energie betrieben werden, ab 2030 größtenteils auf erneuerbare Energien umgestellt werden.

Außerdem sind elektrische Wärmepumpen oder Solarthermiesysteme möglich, bei denen Wasser in Kollektoren von der Sonne erwärmt wird. Stromdirektheizungen kommen für sehr gut gedämmte Gebäude infrage. Auch Ölheizungen können noch eingebaut werden, wenn sie etwa in Verbindung mit einer Wärmepumpe nur an besonders kalten Tagen die Spitzenlast ausgleichen.

Die Wärmeleistung von Holzkaminen oder Pelletheizungen kann uneingeschränkt auf das 65-Prozent-Ziel angerechnet werden. Wegen der begrenzten Verfügbarkeit der Brennstoffe sollte dies der ursprünglichen Koalitionseinigung zufolge nur im Bestand möglich sein, nicht jedoch in Neubauten. Diese Einschränkung wurde nun gekippt.

Welche Subventionen gibt es?

Wie genau der Einbau klimafreundlicher Heizungen gefördert werden soll, ist auch nach dem Koalitionskompromiss offen. Aktuell gebe es eine Förderung von 30 Prozent für alle Käufer und von 50 Prozent für die Bezieher unterer Einkommen, sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Das seien pro Jahr rund 1,5 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds. Hier könne es aber noch Änderungen geben. Die Grünen selbst hatten zuletzt Fördermöglichkeiten von bis zu 80 Prozent für Geringverdiener ins Spiel gebracht. Jetzt sollen nach Angaben von Dröge die Berichterstatter die Details zur Subventionierung erarbeiten. Alle Ampel-Partner seien willens, über die Förderprogramme der Bundesregierung hinaus einen weiteren Schritt zu machen. Berichterstatter werden die Fachleute genannt, die in den Arbeitsgruppen ihrer Fraktionen für bestimmte Themen zuständig sind.

Wie ist der parlamentarische Zeitplan?

Der Gesetzentwurf soll noch in dieser Woche im Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt und in erster Lesung diskutiert werden. Das Gesetz wird mit der dritten Lesung beschlossen. Bis dahin kann das Parlament es inhaltlich noch verändern. Dröge äußerte die Hoffnung, dass auch der Bundesrat das Gesetz schon am 7. Juli abschließend beraten kann. Dafür wäre eine Fristverkürzung im Bundestag nötig, für die aber die Zustimmung der Unionsfraktion nötig ist.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte die Hoffnung, dass sich die politische Debatte nun wieder beruhigt. Es könne nun Planungssicherheit hergestellt werden, sagte er am Mittwoch auf einem Kongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Die erreichten »Flexibilisierungen« seien richtig, so Habeck.

Fachleute betonen seit langem, dass in der Bundesrepublik die große Masse der Heizungen in Privathäusern veraltet und extrem ineffizient ist, was aber teils auch an fehlenden Basics wie der Isolierung von Leitungen liegt. Nach Angaben des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks wurden im vergangenen Jahr mehr als 19 Millionen Heizungsanlagen in Deutschland mit fossilen Brennstoffen betrieben. Fast 14 Millionen heizten mit Gas, rund fünf Millionen mit Öl. Während über die Hälfte der Gasheizungen mit effizienter Brennwerttechnik arbeiteten, seien es bei den Ölheizungen lediglich rund 19 Prozent. Der Verband beobachtet zur Zeit einen »immensen Einbau von Öl- und Gasheizungen«.

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