Corinthium: Kupferlegierung war bereits im alten Ägypten wertvoll

Die Kupferlegierung Corinthium war in verschiedenen antiken Kulturen hochgeschätzt

  • Ronald Sprafke
  • Lesedauer: 5 Min.
Auch im alten Ägypten war bereits die Legierung »Schwarzes Kupfer« bekannt.
Auch im alten Ägypten war bereits die Legierung »Schwarzes Kupfer« bekannt.

Cicero klagte 70 v. Chr. Gaius Verres, Statthalter von Sizilien, der Erpressung, Korruption und des Kunstraubes an. Verres hatte unter anderem eine wertvolle Sammlung von Vasen aus Corinthium aes »zusammengetragen«. Er verlor und ging ins Exil. Später wurde er wegen seines Reichtums auf die Proskriptionslisten gesetzt und schließlich ermordet. Später weigerte sich Cicero, seine eigenen Corinthia an Marcus Antonius zu übergeben und geriet ebenfalls auf die Enteignungs- und Todeslisten. Was verbirgt sich hinter diesem rätselhaften Material?

Plinius der Ältere, römischer Historiker, behandelt in seiner Enzyklopädie »Naturalis Historia« die Metalle Kupfer, Eisen, Blei. Dort nennt er vier Kupferlegierungen, von denen die korinthische die bei Weitem kostbarste sei. Und im Wert läge sie »sogar vor Silber und fast auch vor Gold«. Über die Herstellung berichtet er: »Einst wurde das geschmolzene Kupfer mit Gold und Silber gemischt.« Vermischt man Kupfer und Zinn, entsteht Bronze, das war seit Langem bekannt. Gibt man nun noch Gold und Silber hinzu, erhält man eine neue Legierung, Corinthium aes.

Ungewöhnlich ist seine bläulich-schwarze Oberflächenfarbe, anders als die grüne oder bräunliche Färbung »normaler« Bronze. Wird es mit schwachen Kupfersalzlösungen behandelt, erhält man, abhängig von den Gold-, Silber- und Arsenanteilen, die besondere blaue, violette oder schwarze Patina. Nun wurden auf der Agora von Korinth mehrere Schmiedewerkstätten ausgegraben. Eine ist durch Kanäle mit der Quelle verbunden. Wasseranalysen stellten verschiedene Salze in hoher Konzentration fest, eventuell war das Quellwasser geeignet zur Herstellung der Patina. Durch Tauschierung – eine Technik zur Einarbeitung von Edelmetallen in die Oberfläche – wurde diese durch Gold- oder Silbereinlagen »veredelt«.

Der Legende nach wurde Corinthium aes entdeckt, nachdem Korinth bei der Eroberung durch den römischen Konsul Lucius Mummius 146 v. Chr. in einer Feuersbrunst unterging. In diesem großen Brand sollen Bronze-, Silber- und Goldstatuen zu einem neuen Metall verschmolzen sein.

Schon im alten Ägypten bekannt

Tatsächlich war »Schwarzes Kupfer« schon in altägyptischen Inschriften bekannt, wo von dem Material hśmn km (gesprochen: hesmen kem) die Rede ist. Der Begriff kennt eine Legierung mit schwarzer Patina und Edelmetall-Tauschierungen schon in der Zeit der 18. Dynastie (1550–1323 v. Chr.), aus der Götterfiguren und Gegenstände für den Tempelkult gefertigt wurden.

In der antiken Literatur, bei Plinius und Petronius, finden sich einige Hinweise für die Verwendung von Corinthium aes in Gefäßen oder Hausgeräten sowie kleinen Bildnissen, die auf Reisen mitgeführt wurden. Ein Ausnahmeobjekt nennt Flavius Josephus, als er über die römische Eroberung Jerusalems 70 n. Chr. berichtet und den herodianischen Tempel beschreibt: »Das Außentor des eigentlichen Tempels bestand sogar aus korinthischer Bronze und übertraf die [anderen neun] versilberten und vergoldeten gar bedeutend an Wert.« Aber all diese Bildwerke und Gegenstände sind nicht erhalten geblieben.

Naturwissenschaftliche Materialanalysen verraten heute einiges über die Zusammensetzung antiker Objekte. Für die Atomabsorptionsanalyse wird zunächst die Patina- oder Korrosionsschicht von dem Objekt entfernt und dann mit einem feinen Bohrer eine kleine Probe entnommen. Diese wird in Salpeter- und Salzsäure aufgelöst und dann in ein Acetylen-Luftgemisch geblasen. Lösung und Gasgemisch geraten in Brand. Eine Hohlkathodenlampe sendet ihr Licht in die Flamme. Je höher der Anteil des gesuchten Elements in der Lösung ist, umso stärker wird das Lampenlicht in der Flamme absorbiert. Aus dem Absorptionswert lässt sich dann der Anteil des Elements in der Probe berechnen. Seit den 80er Jahren konnten Wissenschaftler so Tausende ägyptische Bronzeobjekte analysieren und detailliert die charakteristische Zusammensetzung der hśmn-km-Legierung, der künstlich erzeugten Patina und der Edelmetall-Tauschierungen beschreiben.

Die ältesten identifizierten Objekte sind ein Porträt des Pharao Amenemhet III., das Krokodil aus el-Fayum und das Krummschwert von Balata Sichem in Palästina, die der erste frühe Nachweis des Materials außerhalb Ägyptens sind. Ein überraschendes Ergebnis der Analysen war der Nachweis, dass die Herstellungstechnik gleichzeitig mit Ägypten auch in Griechenland bekannt war: Die von Schliemann in Mykene ausgegrabenen schwarz patinierten Bronzedolche (1570–1550 v. Chr.) mit ihren goldenen Kampf-, Jagd- und Tierszenen sind in ihrer Zusammensetzung perfekte Beispiele für die hśmn-km-Legierung.

Antikes Wissen wurde zurückgewonnen

Nach dem Untergang des Römischen Reiches geriet das Wissen um Corinthium aes im Westen ab dem 5. Jahrhundert völlig in Vergessenheit. Im Nahen Osten wurden die Kenntnisse bis ins Mittelalter weiter überliefert, wie eine syrische Handschrift aus dem 15. Jahrhundert beweist. Künstlich patinierte schwarze Kupferlegierungen mit Edelmetall-Tauschierungen gab und gibt es auch in Indien, China und Japan. Ob die Legierungen Wu tong in China (»Schwarzes Kupfer«), Shakudo in Japan (»Schwarzes Gold«) fernöstliche Eigenentwicklungen waren oder aus dem Westen über die Seidenstraße kamen, ist weiter in der Diskussion.

Die Materialanalysen haben manches Geheimnis des Corinthium aes lüften können, doch die praktische Arbeit der antiken Goldschmiede lag weiter im Dunkeln. 1996 begannen der Nürnberger Goldschmied Matthias Lehr und die Archäologin Alessandra Giumlia-Mair die alten Fertigungsverfahren zu rekonstruieren und nach antiken Vorbildern Corinthium aes herzustellen und zu verarbeiten. Lange Versuchsreihen waren notwendig, um die Legierung mit den exakten Mischungsverhältnissen zu erhalten, aus der dann wieder neue Gegenstände geformt werden konnten.

Im Neuen Museum in Berlin ist bis zum 27. August die Ausstellung »Corinthium Aes – Das Geheimnis des Schwarzen Kupfers« zu sehen.

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