Wohnraumgesetz: Bausenator nimmt Deckel vom Topf

Der alte soziale Wohnungsbau soll reformiert werden – zum Nachteil der Mieter?

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie hätten tatsächlich etwas vorangebracht, sagt Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD) am Dienstag nach der wöchentlichen Senatssitzung. Was der alten rot-grün-roten Koalition nicht gelungen ist, sei nun so weit: die Reform des Wohnraumgesetzes, also des sogenannten alten sozialen Wohnungsbaus.

»Heute ist ein rabenschwarzer Tag für die Mieterinnen und Mieter im Sozialen Wohnungsbau«, zeigt sich hingegen Sebastian Jung in einer Stellungnahme der Initiative Mieterstadt erschrocken. Der Experte für diese komplizierte und kostspielige Hinterlassenschaft des Westberliner Bausumpfs hat damit gerechnet. Er ist aber am Dienstag überrumpelt vom Tempo, mit dem nun eine Novelle in das Abgeordnetenhaus eingebracht wird, die unter der vorangegangen Landesregierung mehrmals verhindert werden konnte. Diesmal dürfte sie verabschiedet werden.

Mit der Novelle soll das System der Kostenmiete durch eine gesetzliche Verpflichtungsmiete ersetzt werden. Im sozialen Wohnungsbau Westberlins wurde anhand der Aufwendungen für Baukosten und Finanzierung pro Quadratmeter einer Wohnung eine Kostenmiete für diese berechnet. Mithilfe von Fördermitteln konnte diese heruntersubventioniert werden. Mit dem Abzahlen der Darlehen müsste eigentlich auch die Kostenmiete sinken, weil die Finanzierungskosten geringer werden. Allerdings werden diese mitunter weiterhin als »fiktive Kosten« geltend gemacht.

Es gibt bereits sogenannte Verpflichtungsmieten, bei denen der Eigentümer darauf verzichtet, fiktive Kosten geltend zu machen. Das soll nun gesetzlich festgeschrieben werden. Die gesetzliche Verpflichtungsmiete sieht vor, dass Eigentümer und Investitionsbank Berlin (IBB) aushandeln, wie die Mieten steigen können. Von einer »undurchsichtigen Vereinbarung« spricht Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins.

Wichtig ist, dass mit dem Wegfall der Kostenmiete auch der Deckel, der die Miete in Höhe der Aufwendungen des Eigentümers begrenzt hatte, wegfällt. Dadurch könnten die Mieten künftig höher ausfallen. In der Novelle ist von »außergewöhnlichen Instandsetzungsmaßnahmen« als Möglichkeit für Mieterhöhungen die Rede.

»Gerade beim sozialen Wohnungsbau aus Westberliner Zeiten sind Instandhaltungsmaßnahmen lange nicht im nötigen Umfang erfolgt«, kritisiert Katrin Schmidberger, Wohnungsexpertin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Dadurch gebe es mit der Novelle die Gefahr neuer Mieterhöhungen. »Im schlimmsten Fall« könnten Vermieter die Kosten der Instandsetzungen auf die Mieter abwälzen, »sogar wenn sie diese durch Vernachlässigung der Objekte die Kosten verursacht haben«, sagt der Wohnungsexperte der Linksfraktion, Niklas Schenker.

Das würde auch den Haushalt unnötig belasten, meint Sebastian Jung. Denn höhere Mieten würden auch höhere Zuschüsse nach sich ziehen. Aber warum soll es solch eine nachteilige Lösung geben? »Schwarz-Rot legt das Gleiche vor wie schon Rot-Grün-Rot. Die Senatsbauverwaltung hat ein Eigenleben«, sagt Jung zu »nd«. Tatsächlich stand die Novelle auch unter linker Hausleitung kurz vor der Verabschiedung.

Begründet wird sie mit Verstößen gegen die Verpflichtungsmiete. Diese Verstöße hätten nicht sanktioniert werden können, weil gleichzeitig keine Verstöße gegen die Kostenmiete vorlägen – zumindest argumentierten so immer wieder Hauseigentümer. »Um weitere Rechtsunsicherheit zu vermeiden, ist es daher dringend notwendig, auch die Verpflichtungsmiete explizit gesetzlich bußgeldbewehrt zu gestalten«, heißt es nun von der Senatsbauverwaltung.

Allerdings: Schon 2017 empfahlen Experten einer Arbeitsgruppe zur Reform des alten sozialen Wohnungsbaus, das Kostenmietrecht beizubehalten. Gerade die Tatsache, dass nur die aufgewendeten Kosten in die Berechnung einfließen, habe einen mietdämpfenden Effekt. Statt das Kostenmietrecht durch eine gesetzliche Verpflichtungsmiete abzuschaffen, plädieren die Experten ebenso wie Grüne und Linke für die Streichung der »fiktiven Kosten« aus der Berechnung.

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